Buenos Aires / Argentinien
344. Reisetag
10.910 km, 66.910 hm
Gut 1 Woche nach unserer Ankunft in Buenos Aires hat sich der Jetlag so langsam gelegt und wir sind nicht nur körperlich sondern auch mental in der Stadt am Rio de la Plata angekommen. Der Zeitsprung in die Neue Welt war anstrengender als erhofft, das Prozedere vor dem Flug leider auch wieder …
Und so sind wir froh, dass wir bei Cristina, unserer herzlichen, nimmermüden Gastgeberin, länger als geplant bleiben können. Cristina ist weit über 70 Jahre alt aber ein wahrer Jungbrunnen. Voller Tatendrang geht sie jeden Morgen ins Institut für Mikrobiologie und lehrt als Professorin an der Universität von Buenos Aires. Gleich am Ankunftstag versorgt Cristina uns mit frischer Milanesa, einer schnitzelartigen panierten Scheibe Rindfleisch, dazu gibt es Tomate und Zwiebeln. Marcello und Lila, ihre beiden Hunde lecken uns zur Begrüßung ab und auch wir haben die beiden schnell in unser Herz geschlossen.
Buenos Aires ist eine Stadt mit vielen Gesichtern – eine Mischung aus Paris, Rom und Barcelona. Hübsch und hässlich, bunt und grau, mit hektischem Großstadtgetöse und kleinen Oasen, einem riesigen kulturellen Angebot aber auch etwas melancholisch. Vor prächtigen Fassaden durchwühlen Arbeitslose den Müll, an den Eingängen von Banken schlafen Obdachlose und manchmal ganze Familien. Schöne, alte Gebäude aus der Gründerzeit, von denen die Pracht langsam abblättert und die Bandoneonspieler auf den Straßen erzählen von besseren, von vergangenen Zeiten….
Der ungeliebte Peso befindet sich derzeit im freien Fall und die grassierende Inflation (bis zu 30 % jährlich!) machen den harten Alltag vieler Menschen nicht leichter. Auch Cristina und ihre Familie müssen sehen, wie sie „über die Runden kommen“. Kostet das Kilo Bananen heute noch 1,50 €, sind es am nächsten Tag schon 2 €. Es ist nicht die erste Krise, die die Argentinier zu bestehen haben …
Die kulturellen Wurzeln in Europa sind überall sichtbar. Viele Hauptstädter stammen von eingewanderten Spaniern und vor allem Italienern ab. Kein Wunder, dass es an jeder Ecke mindestens eine Pizzeria gibt und überall „Heladerias“, (teures) italienisches Eis, verkauft wird. Bei 4 € für 250 ml fragen wir uns wie sich das die Menschen noch leisten können… In den ärmeren Stadtteilen und in den Villas Miserias (Elendsvierteln) der Stadt leben viele Bolivianer und Peruaner, die in Argentiniens Metropole ihr Glück versuchen. Viele von ihnen verdingen sich als sog. Cartoneros – Kartonsammler. Jeden Tag ziehen sie mit gesenktem Blick hinter hochaufgetürmten Karren durch die Straßen, um sich mit dem Einsammeln von Altpapier ein paar Pesos zu verdienen. Für 1 Kilo Abfall gibt es 5 Centavos – das sind ein halber Cent!! Von dieser Arbeit leben mehr als 100.000 Menschen in der Stadt! Um tagtäglich zu überleben, gilt es, schneller als die Müllabfuhr zu sein …
Trotz dieser bedrückenden Armut, der alltäglichen Sorgen und unsicheren Zukunft ist die lateinamerikanische Lebensfreude für uns spürbar. Bunte Wandmalereien überdecken bröckelnde graue Fassaden und mit großem Ideenreichtum kreieren junge, kreative Menschen aus Weggeworfenem Schmuck und andere Alltagsgegenstände. Auf offener Straße und in der U-Bahn wird musiziert und getanzt. Aus den Cafés und Bars der Stadt erklingt Tangomusik – Lebenselixier der Portenos.
In La Boca soll er entstanden sein. Das teilweise aufgehübschte arme Hafenviertel gefällt uns mit seinen originellen, farbigen Häusern aus Blech und schockiert uns mit seiner Armut und Kriminalität. Abseits der touristischen Hot Spots werden wir mehrmals von Anwohnern gewarnt auf unsere Kameras besonders Acht zu geben. Den Zutritt zur Calle Nechoea verbietet uns schließlich die Polizei …. so etwas hatten wir auf unserer bisherigen Reise noch nicht erlebt. Im Museo de Bellas Artes de La Boca lassen wir die Bilder von Benito Quinquela Martin (1890 – 1977) auf uns wirken. In kraftvollen Farben erzählen sie vom Leben der Menschen im Viertel, das heute wie vor 100 Jahren hart und trist ist. Über dem Stadtteil trohnt das Stadion des legendären Fußballclubs Boca Juniors. „La Bombonera“, die Pralinenschachtel, wie die Fans liebevoll ihre Spielstätte nennen, ist jedes 2. Wochenende Bühne kleiner und großer Dramen, Ort von Glück und Verzweiflung, von Hoffen und Bangen zugleich. Und wer verkörpert dieses Auf und Ab besser als Maradona. Der berühmteste Spieler Boca Juniors ziert noch immer überlebensgroß zahlreiche Wände in den Straßen Bocas und erzählt vom großen Traum, es von ganz Unten nach ganz Oben zu schaffen …
Ganz anders dagegen San Telmo, das „Kreuzberg“ von Buenos Aires. Das Viertel ist bei Künstlern und Intellektuellen beliebt. In den Gassen und Straßen herrscht ein junges, buntes Flair. Kunst- und Klamottenläden wechseln sich mit Bars und Galerien ab. Wir genießen den Streifzug durch San Telmo und lauschen der Tangomusik vor den Cafés. Rund um den Plaza Dorrego findet ein riesiger Antiquitätenmarkt statt, der sich durch den ganzen Stadtteil zieht. Nach 2 Stunden im Gedränge des Feria de San Pedro Telmo sind unsere Füße platt und wir stärken uns mit unseren ersten Empanadas, einem spanischen „Erbe“. Die halbmondförmigen Teigtaschen gibt es mit Huhn, Rindfleisch, Thunfisch, Käse und Spinat gefüllt.
Dank der guten Kontakte von Ines, Cristinas Tochter, können wir Karten für den Klassiker „Racing Club – Boca Juniors“ ergattern und kommen sogar umsonst ins Stadion. Es geht um viel. Beide Clubs spielen gegen den Abstieg. Für Racing seit Jahren Die Atmosphäre im „El Cilindro“ ist elektrisierend. Schon 1 Stunde vor Spielbeginn beginnen die Fangesänge. Sambatrommeln heizen an diesem nasskalten Abend dem Publikum zusätzlich ein. Auf dem Feld brennt Racing in der 1. Halbzeit dagegen kein Feuerwerk ab. Boca geht verdient 1:0 in Führung. Beim Pausenpfiff schimpfen und toben die Fans …. und peitschen die Mannschaft in der 2. Hälfte nach vorne. Dank eines Foulelfmeters gelingt Racing der Ausgleich. Auf den Rängen bricht ein Sturm los. Tausendfach erschallt der Ruf „Vamos Racing!“. Doch 10 Minuten vor Ende gelingt Boca der 2:1 Siegtreffer … Dennoch ein schöner, ein unvergesslicher Abend in einer lebendigen, liebenswerten Stadt.
Hallo Ihr Beiden!
Wir sind nach langer Zeit endlich mal wieder dazu gekommen Eure Reiseberichte
anzusehen. Wie immer sehr interessant und fernwehfördernd
Wir wünschen Euch in Südamerika eine traumhafte Zeit und weiterhin viele
schöne Erlebnisse.
ganz liebe Grüße aus Berlin!
Tja, jetzt wirkt alles viel europäischer! Weiterhin gute Fahrt und weiter so!
Herzliche Grüße
Sabine Berghahn