Am Andenmeer – Fahrt entlang des Titicacasees

Puno / Peru peru
466. Reisetag
14.726 km / 87.951 hm

Blick auf Copacabana am Titicacasee

Der Abschied aus La Paz fällt uns nicht ganz leicht. Auch wenn die Hunde einen in der Nacht mit ihrem Dauergebelle immer wieder aus dem Schlaf reißen, die Straßen hoffnungslos verstopft und überall Baustellen sind – La Paz hat uns fasziniert, die Gelassenheit und lockere Stimmung täglich aufs Neue überrascht. In Deutschland würden bei diesem „Chaos“ (das ja auch irgendwie ein System hat) die Menschen wesentlich gestresster reagieren. Die Millionenstadt im tief eingeschnittenen Tal des Rio Choqueyapu ist ein Schmelztiegel Boliviens. Indigenas, Mestizen, Criollos und Nachfahren der spanischen Konquistadoren leben friedlich miteinander. Die Trachten der Cholitas geben der Stadt Farbe, auf den Märkten herrscht ein buntes Durcheinander und wenn in der Dämmerung sich das eindrucksvolle Lichtermeer ausbreitet scheint ganz La Paz auf den Füßen zu sein und zu flanieren.

Die Fahrt entlang des Titicacasees ist noch einmal eine schöne Abschluss-“Etappe“ in dem Land, dessen Menschen uns mit ihrer freundlichen, zurückhaltenden Art gerne hier haben reisen lassen.

Auf der Ruta 2 geht es über eine schöne, aber höhenmeterreiche Strecke entlang des Ufers. Die Straße ist schmal aber gut asphaltiert. Je mehr wir uns von La Paz entfernen, desto geringer wird der Verkehr. Tiefblau schimmern die Fluten, fasst kommt es uns vor als würden wir am Meer entlang fahren. Der Titicacasee ist mehr als 15 x so groß wie der Bodensee.

Auf den Feldern rund um den See trocken die Bauern zur Zeit Chunos – Gefrierkartoffeln. Zur Haltbarkeit werden die Bitterkartoffeln nachts dem Frost ausgesetzt und tagsüber wieder an der Sonne getrocknet. Dadurch verlieren sie stark an Volumen und Gewicht. Zuletzt wird mit den Füßen der letzte „Saft“ aus ihnen gequetscht. Auf diese Weise sind sie bis zu 10 Jahre haltbar und für viele Andenbewohner Hauptnahrungsmittel in der Winterzeit.

In der Ferne grüßen noch einmal die 6.000 m hohen schneebedeckten Gipfel der Cordillera Real. Über die Straße von Tiquina, eine 800 m schmale Stelle, passieren wir den See. Auf zerbrechlich aussehenden Fährbooten aus Holz, in deren Bug das Wasser steht geht es im Schneckentempo auf die andere Uferseite und dort in einem saftigen, langgezogenen Anstieg weiter Richtung Copacabana. Der Wind bläst kräftig von vorne. Dafür bieten sich immer wieder schöne Ausblicke. Durchgeschwitzt und ziemlich fertig erreichen wir am Nachmittag die letzte Anhöhe des Tages und blicken auf Copacabana. Der Blick auf das Hafenstädtchen mit dem Hausberg „Hora del Inca“ ist schon ein besonderer und versöhnt uns mit den unerwarteten Höhenmetern zuvor. In einer rasanten Abfahrt geht es in den beschaulichen Ort. Auf dem Weg kommen uns dutzende blankgeputzte, mit Blumen geschmückte Autos entgegen. Erst denken wir es sei eine Hochzeit. Doch die Fahrzeuge tauchen so verstreut auf der Straße auf, dass uns das „spanisch“ vorkommt. Auf der Plaza sehen wir den wirklichen Grund. Jedes Wochenende kommen Familien aus Bolivien, Peru, Chile und Argentinien um ihre Autos segnen zu lassen. Vor der Basilika im maurischen Stil hat der Padre der Kirche mit Weihwasser und Weihrauch Fahrzeuge aller Größen getauft. Mit so viel himmlischem Beistand scheint für die Besitzer nichts mehr passieren zu können … was dem Fahrstil leider nicht zuträglich ist.

Vielleicht liegt es aber auch an der Art und Weise, wie man seine „Pappe“ in Bolivien erwirbt. Die theoretische Ausbildung dauert 5 Abende inklusive Prüfung. Am 6. Tag gibt es dann eine halbe Stunde bis Stunde Fahrpraxis. Das Ganze kostet 500 Bolivianos (ca. 55 €). Wer Theorie oder Praxis „versemmelt“ legt einfach ein paar Scheine in die Prüfungsblätter oder neben die Kupplung … und schwups hat man die „Lizenz zum Töten“, ähm „linzensierten Autofahren“.

Ach ja, die südamerikanischen Autofahrer sind ein Thema für sich! Ein Fahrzeug kann keine Spiegel, kein Nummernschild, keinen Auspuff, null Profil auf den Reifen haben, keine Kühlerhaube mehr, ja fast ohne Karosserie rollen – es ist immer noch ein voll funktionsfähiges Fahrzeug. Aber hast Du keine funktionierende Hupe mehr bist Du verloren, bist Du ein Nichts, hilflos, wehrlos. Denn gehupt wird immer und überall. Und es kann auch alles heißen: Achtung ich komme! Achtung ich überhole! Runter von der Fahrbahn! Rein ins Taxi! Mach Du doch Platz! Ich mache nicht Platz! Du mich auch! ….

Vom Wallfahrtsort der Autofahrer machen wir per Boot einen Abstecher auf die „Isla del Sol“, die Sonneninsel. Sie ist die heiligste der zahlreichen im 8.000 km² großen Gewässer gelegenen Inseln. Zu Inkazeiten war sie vermutlich spirituelles Zentrum. Die Wanderung über das stille Eiland, das wie versunken im tiefblauen Wasser des Titicacasees liegt, ist eine Wohltat für unsere Seelen. Kein Motorenlärm, keine Abgase, kein Gehupe. Ein schmaler Pfad führt vorbei an aus Adobeziegeln erbauten Häusern. Auf den terrassierten Hängen weiden Lamas, Esel und Schafherden. Zypressen und Eukalyptusbäume bilden grüne Farbtupfer.

Am darauffolgenden Tag wollen wir die Grenze nach Peru passieren und stehen erst mal vor verschlossenen Schlagbäumen. Mit viel Pomp, Pathos und jeder Menge schiefer Töne finden irgendwelche Grenzfeierlichkeiten statt. So ist kurzerhand der offizielle Übergang gesperrt. Aber Bolivien ist ein Land in dem es neben dem offiziellen Weg ja auch immer einen inoffiziellen gibt (s.o.). Und so geht es auf einem kleinen Trampelpfad um die Grenzstationen und völlig problemlos auf die peruanische Seite. Dort knallt nach kurzer Formalität der Stempel in unsere Pässe und berechtigt uns kostenlos zu 90 Tagen Aufenthalt im Land.

Bis Puno ändert sich die Landschaft kaum. Noch immer sind wir auf knapp 4.000 m unterwegs. Die Vegetation ist karg. Nach über 6 Wochen auf dem Altiplano sehnen wir uns nach etwas mehr Grün.

Die Menschen in den kleinen Ortschaften empfangen uns freundlich mit „Gringo“-Rufen. Waren die Bolivianer doch oftmals zurückhaltend bis schüchtern so sind die Peruaner deutlich offensiver im Kontakt. Während unserer Radpausen werden wir häufig angesprochen, interessiert mustert man unsere Räder und hebt anerkennend den Daumen. Irritiert sind wir, als man von uns Geld verlangt als wir eine Dorfszene aufnehmen wollen.

Die Straßen in Peru kommen uns noch einen Tick schmaler vor, die Autofahrer noch ungeduldiger und „wagemutiger“ in ihren Überholmanövern. Den Seitenstreifen aus Bolivien gibt es leider nicht mehr und so müssen wir des Öfteren auf den sandigen Randstreifen ausweichen, der oft von Plastik und Abfall „verziert“ ist. Überhaupt liegt viel mehr Müll in der Gegend rum als noch in Bolivien. Während wir jedes Stück Papier und Plastik bis zum nächsten Mülleimer transportieren schmeißen viele Leute gedankenlos ihren Müll in die Natur. Das betrübt uns, macht traurig und wütend. Wie wird es hier wohl in 10, in 20 Jahren aussehen.

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