Letzte Ausfahrt Lima

Lima / Peru peru
490. Reisetag
15.577 km / 96.212 hm
(Bericht vom 03.08.2014)

Letzte Zeltnacht in der Wüste bei Nasca

Auf dem letzten Abschnitt unserer Reise durch Peru ist noch einmal alles dabei was unsere Radzeit in Südamerika ausgemacht hat: Hitze, Kälte, Sonne, Eis, Schnee, Regen und Gewitter; zerklüftete Täler, hohe Gebirgspässe und knochentrockene Wüste.

Aus Cusco geht es steil hinaus und noch einmal hoch hinauf. Ein letztes Mal fahren wir durch die faszinierende Welt der südamerikanischen Anden. Dabei queren wir die Cordillera Vilcabamba und Occidental – zwei bis zu 6.300 m hohe Gebirgsketten. Für uns bedeutet das jede Menge Schweiß und Treten „bis die Klickis glühen“. In 10 Tagen bewältigen wir 8.500 Höhenmeter. Immer wieder windet sich die in felsige Steilabhänge getriebene Straße in endlosen Serpentinen rauf und wieder runter … und wieder rauf und … Mit dem Hullique (3.715 m), Sorlacca (3.740 m), Rocruzca (4.005 m), Puquio (4.160 m), Huashuccasa (4.550 m) und dem Condorcenca (4.540 m) haben wir 6 beachtliche Pässe. Dazwischen geht es z.T. bis auf 1.800 m talabwärts.

Doch die Anstrengungen werden belohnt.

Aus dem tief eingeschnittenen Tal des Rio Ortesheim geht es in die Sierra – Perus Andenhochland. Je mehr wir an Höhe gewinnen desto karger wird die Vegetation, desto einsamer die Strecke und ärmer die wenigen Ortschaften. Zahllose Vicunaherden zupfen im eisigen, andinen Wind an trockenen Grasbüscheln. Die grazilen, scheuen Kleinkamele faszinieren uns mit ihren wunderschönen, glasperlenartigen Augen. Außer Ichu-Gras und Yareta-Moos wächst nicht mehr viel oberhalb von 3.500 m. Über unseren Köpfen kreisen Anden-Kondore. Der erhabene „König der Anden“ schraubt sich vom Aufwind getragen in schwindelerregende Höhe bis er nur noch ein schwarzer, kleiner Fleck für uns ist.

Nur zu gerne hätten wir auch Flügel an den langen, ermüdenden Anstiegen. Oder zumindest mal Rückenwind. Doch der bleibt aus. Stattdessen bläst er uns kalt ins Gesicht und pfeifend über die karge Hochebene.

Das Leben der andinen Bevölkerung ist hart und entbehrungsreich. Die kleinen Hochlanddörfer sind oft noch aus getrockneten Lehmziegeln errichtet, die Dächer werden mit hartem Ichu-Büschelgras gedeckt. Bis heute haben nur wenige Einwohner Anschluss an Strom- und Wasserversorgung. Nur wenig lässt sich dem Boden abtrotzen. Jedes der zahlreich verstreut liegenden Felder ist gegen die Erosion mit einer Mauer aus den noch zahlreicher herumliegenden Gesteinsbrocken geschützt. Fast sieht es aus als hätten Giganten vor langer Zeit mit Ihnen wie mit Murmeln gespielt.

Ganz anders das Bild in den Tälern. Auch hier ist die Landschaft wild und rau. Doch die Häuser sind bunter, Strom und Wasser fließt fast in jedes Haus. Den Menschen geht es (etwas) besser. Viel Grün wächst links und rechts des Flusses. Es zirpt, quakt und singt. Schmetterlinge tanzen um uns, Kolibris saugen Blütensaft. Auf den fruchtbaren Böden bauen die Menschen Obst und Gemüse an. Bananenplantagen, riesige Kakteen und Aloe Vera säumen die Straße. Fast lotrecht ragen die Felswände empor. Hier ist es schwieriger wild zu zelten. Doch hinter einem Kornfeld finden wir auf einer Art Sandbank eine sichtgeschützte Stelle. Während wir nach einem langen Radtag unsere Nudeln vertilgen, taucht der aufgehende Mond den rauschend vorbeiziehenden Fluss in silbernes Licht.

Tags darauf ist der Abend ungemütlicher. Kurz vor der Ortschaft Abancay verfinstert sich der Himmel bedrohlich. Über dem Tal türmen sich gewaltige Wolkengebirge auf. Ein apokalyptisches Bild. Wir sind auf über 4.000 m und müssen noch 1.700 m bergab. So schnell es geht „stürzen“ wir uns in die kurvenreiche, rasante Abfahrt. Heftiger Wind kommt auf, es beginnt zu regnen. So schnell wie wir könnten lässt es sich gar nicht rollen. Immer wieder attackieren uns Hunde. Als das Zentrum des Gewitters direkt über uns ist flüchten wir in ein offen stehendes Duschhäuschen an einem Gehöft. Äste brechen von den Bäumen, Müll wirbelt durch die Gegend. Nach 40 min. ist der „Spuk“ vorbei.

Am nächsten Tag geht es die gesamten 1.700 m wieder bergauf. Und dieses Mal gibt es keinen Regen, dafür Schneeschauer. Wir sitzen die weiße Wand in einem „Café“ bei 2 Kamillentees aus. Warm wird uns dennoch nicht. Erst nach 1 Stunde im Sattel kehrt in Füße und Hände die Wärme zurück. In den Nächten ist es sternenklar und noch einmal bitterkalt. Oberhalb der 4.000er Marke müssen wir bei -7°C unseren Schlafsack wieder fester zuziehen.

Dann verlassen wir endgültig die Hochebene. In einer letzten Abfahrt geht es Richtung Küste. Und in was für einer! Es ist die geilste unserer ganzen Reise. Ein unvergessliches Erlebnis. 100 km geht es nur bergab. Von 4.500 m auf 600 m, vom kalten Andenhochland in die heiße Wüste. Von +5°C auf +40°C. In einer endlosen Abfolge von Kehren, Kurven und Schleifen rauschen wir Nazca entgegen.

Immer wieder stoppen wir, um die Umgebung auf uns wirken zu lassen. Vor uns ein wüstenhafter Küstenstreifen. Mal eine steinige, mit Geröll bedeckte Einöde, mal eine in allen Farbnuancen von grau über rot bis braun schimmernde Schönheit. Dazwischen riesige Sanddünen, die der Sahara alle Ehre machen. Zum Greifen nah der Pazifische Ozean. Im Dunst sind die weißen Schaumkronen auf den grünblauen Wellen auszumachen, die sich hier an der mächtigen Steilküste brechen.

Gegen Abend erreichen wir auf der Panamericana schließlich die Ebene von Nazca und mit einem Mal gibt es sattes Grün im Wüstensand. Durch künstliche Bewässerung sind riesige Oasen entstanden. Baumwolle, Zuckerrohr, Reis und Mais wächst.

Doch schon am nächsten Tag umgibt uns wieder die Einöde. Die Wüste von Nazca ist eine der trockensten der Welt. Steinige, trockene Ebene, so weit das Auge reicht. Nicht ein Baum, nicht ein Strauch, nicht ein Grashalm. Heiß flimmert die Luft über dem Asphalt der Panamericana. Staubwirbel tanzen und manche Sandwehe macht die Straße eng. Mittags sind es 45°C in der Sonne. Schatten gibt es hier nicht, außer dem eigenen. Doch der ist schlecht zu erreichen… Schnurgerade zieht sich die Fernstraße durch die Wüste und verliert sich irgendwo am Horizont. Der Fernverkehr brettert mit voller Kraft an uns vorbei. Doch wir haben den Seitenstreifen für uns. Allerdings ist der mies asphaltiert und wann immer es geht fahren wir mehr in der Mitte, stets mit Blick in den Rückspiegel. Die vielen Kreuze mahnen zur Vorsicht.

Mehrmals passieren wir „Geisterdörfer“. Namenlose Viertel, ja ganze Ortschaften aus verlassenen Schilfhütten säumen die Panamericana. Hier müssen tausende noch vor kurzem gelebt haben. Überall liegt Müll herum. Strom und Wasser gibt es nicht. Trotzig weht an fast jeder Behausung die Nationalflagge.

Mitten im „Nichts“ dann noch einmal ein Höhepunkt, der nur wenige Zentimeter tief ist. In der Pampa Colorada sehen wir einen Teil der beeindruckenden Linien und geometrische Muster, die das Volk der Nazca hier 800 – 600 v. Chr. schuf. Die wenige Zentimeter tiefen Scharrbilder (Geoglyphen) und Linien sind von immenser Größe. Manche Figur ist 300 m groß, die Linien bis zu 20 km lang. Affen, Spinnen, Walfische, Vögel und Menschenfiguren bedecken auf einer Fläche von 700 qm die Wüstenoberfläche. Auch wenn wir vom wohl größten Zeichenbuch der Welt nur weniges sehen können (ein Flug ist zu teuer) sind wir beeindruckt von den rätselhaften Erdzeichnungen.

Die letzten 300 km zwischen Ica und Lima nehmen wir den Bus. Zum einen ist dieser Abschnitt landschaftlich wenig reizvoll zum anderen liegt die Küste im peruanischen Winter unter einer tiefen Wolkendecke. Außerdem sind die Vororte von Lima nicht ganz ungefährlich für Ausländer. Schon 100 km vor dem Zentrum ziehen sich die Armutssiedlungen entlang der Panamericana weit in die Wüste hinein. In den Pueblo Jóvenes, den „jungen Orten“ wie man beschönigend in Peru sagt, leben über 2 Millionen Menschen. Viele wollten der Arbeitslosigkeit und Armut im Hochland entkommen und sind hier im wahrsten Sinne des Wortes „gestrandet“. Die Hoffnung auf ein besseres Leben erfüllt sich nur für wenige. Der Anblick der Elendsquartiere zwischen all den Müllbergen ist bedrückend. In den Straßen Perus verdingen sich viele als Karrenschieber, Hilskräfte, fliegende Händler, Lastenträger, auf dem Bau oder als Altmüllsammler. Die Landflucht ist eines von Perus dringendsten Problemen. Zählte die Hauptstadt 1940 ca. 600.000 Einwohner sind es heute 11 Millionen! Lima platzt aus allen Nähten. Die Stadt droht an Auspuffgasen, Müll und dem mörderischen Verkehr zu ersticken.

Von alledem bekommen wir nur wenig mit. Unser Hostal liegt im modernen Stadtteil Miraflores. Hier ist die Luft durch das nahe Meer besser. Parks, Shopping-Center, Hotels, Restaurants und Villen prägen diesen Teil Limas. Wieder einmal wird uns bewusst, dass wir auf der „Sonnenseite des Lebens“ stehen.

Viel Zeit bleibt uns nicht, um diese Stadt voller Widersprüche zu erkunden. Den Großteil der 3 Tage hier brauchen wir zur Vorbereitung des Flugs nach Nordamerika. Und sicher werden wir noch viel länger brauchen, um all’ die Eindrücke auf dem südlichen Teil des amerikanischen Doppelkontinents zu verarbeiten.

Machu Picchu

Cusco/Peru peru
474. Reisetag

P1040510 Um 03:30 Uhr klingelt uns unsanft der Wecker aus dem kurzen Schlaf. Ein knappe Stunde später tasten wir uns mit Stirnlampen auf dem Kopf aus der kleinen Touristen-Stadt Aguas Calientes in die Dunkelheit hinein. Wir wollen hinauf zur Inkastadt Machu Picchu, dem sagenumwobenen Ort, der tief im Herzen Perus auf 2.400 m über den Wolken thront. Nur wenige Stunden zuvor sind wir mit dem „Inca Trail“ in Aguas Calientes eingetroffen.

Den Tag zuvor sind wir durch das „Valle Sagrado de los Incas“ (Heiliges Tal der Inka) gefahren, das mit seinen fruchtbaren Böden und dem milden Klima heute wie schon zu Inkazeiten eine wichtige landwirtschaftliche Anbaugegend ist. Dem Lauf des Urubambaflusses folgend fahren wir durch ein tief in die Berge eingeschnittenes Tal und besichtigen die Ruinen von Pisaq und die Festung Ollantaytambo.

Wie eine Schöpfung von Titanen erscheinen uns die mächtigen Mauern und Terrassen der beiden Anlagen. In der Umgebung ziehen sich die Feldbauterrassen aus der Inkazeit die Berghänge bis in 4.500 m Höhe hinauf, um jeden Fleck der ertragreichen Erde zu nutzen.

Von Ollantaytambo geht es am Abend schließlich mit dem Inca Rail nach Aguas Calientes. Die kleine Schmalspurbahn folgt dem Lauf des Rio Urubamba. Mit jeder Windung des Flusses geht es immer weiter hinab in das tropisch-üppige Grün des Bergregenwaldes der von mächtigen schneebedeckten Gipfeln überragt wird. Als wir schließlich in Aguas Calientes eintreffen ist es schon dunkel. Um noch ein paar Stunden Schlaf vor der „Entdeckung Machu Picchus“ zu bekommen, nehmen wir das nächstbeste Hostal … bis um 3:30 Uhr schließlich der Wecker klingelt.

Sternenklar breitet sich in dieser Nacht der Himmel über dem Urubambatal aus. Die steilen Felsformationen links und rechts von unserem Weg ragen wie schwarze Wände empor. Eine Weile begleitet uns das Rauschen des Flusses bis wir diesen schließlich über eine Hängebrücke queren. Nun geht es gut 1 Stunde durch dichten Urwald. Über einen schmalen, steilen Pfad mit oftmals kniehohen Trittstufen geht es 300 m hinauf zur Ruinenstadt. In der Dämmerung erreichen wir schließlich den Eingang zur sagenumwobenen Stadt und sind unter den ersten, der täglich 2.500 Besucher des Weltkulturerbes.

Vom Mirador, einem rekonstruierten Haus oberhalb der Stadt, genießen wir den Ausblick auf den Grundriss von Machu Picchu, das einst bis zu 1.000 Menschen Platz bot. Der Anblick ist beeindruckend. Die Atmosphäre bei Sonnenaufgang lässt sich nur schwer in Worte fassen.

Umgeben von Abgründen, am Ufer des Fluss Urubamba, sticht die Anlage auf einem Bergrücken aus dem dichten Wald heraus. Der gesamte Ort ist von terrassierten Hängen umgeben, die an 3 Seiten von schroffen, steilen, fast senkrecht abfallenden Felsen umgeben sind. Im Hintergrund ragt zuckerhutförmig der Waynapicchu auf. Die unüberwindbar wirkenden Berge der Umgebung sind von üppigem Grün überzogen. Direkt unter unserem Aussichtspunkt liegt die Oberstadt mit dem Palastviertel und dem Sonnentempel, gebaut aus geradlinigen fein polierten Steinen, die sich kissenartig hervorwölben. Dahinter erstrecken sich der „Heilige Platz“ mit weiteren Tempelanlagen, die aus tonnenschweren Steinquadern gebildet werden. Getrennt durch das „Sonnenfeld“ – eine große Grasfläche – liegt gegenüber die Unterstadt mit ihren einfachen Bürgerhäusern.

Wie auf “Bestellung” läuft ein Lama auf der Terrasse unterhalb von uns herum und blickt auf die Inkastadt. Wir haben das “perfekte Postkartenmotiv” bzw. Artikelbild.

Bis heute ist unklar, warum die Inkas 1450 die riesige Steinstadt erbauten. Vieles liegt im Dunkeln, es gibt keine Aufzeichnungen oder Dokumente. Selbst der ursprüngliche Name ist nicht bekannt. Um so zahlreicher sind die Spekulationen und Theorien. Wahrscheinlich diente die Festung mit ihrem milden Klima den Inkaherrschern in den kalten Wintermonaten als Rückzugsort. Fest steht, dass die Inkas die Stadt im 15. Jahrhundert erbauten. Nach ihrer Erbauung nutzten sie die Stadt jedoch nur 100 Jahre lang, bevor sie sie aus ebenfalls ungeklärten Gründen für immer verließen. Jahrhundertelang lag sie danach in den Wäldern Perus versteckt, überwuchert von dichtem Urwald…

Beim Streunen durch die alten Gemäuer und steinernen Außentreppen entdeckt man überall trapezförmige Türen, Steinbolzen und -zapfen an Mauern, mächtige Türsturze, Nischen sowie kissenartig vorgewölbte Granitsteine. Besonders beeindruckend sind die Amanahuasi, 16 aufeinander folgende steinerne Becken, die durch ein ausgefeiltes Wasserleistungssystem miteinander verbunden sind. Noch heute stürzt das Wasser in die Wannen aus Granit. Mit dem imposanten Bewässerungssystem konnten die Inkas selbst in dieser Höhe Mais und Kartoffeln anbauen. Mit Hilfe der Leitungen wurde das Quellwasser zu den an Berghänge gebauten Terrassenfeldern gebracht.

Nach 4 Stunden verlassen wir diese Perle der Inka-Archtitektur während sich die Terrassen und Treppen langsam mit Touristenströmen füllen. Machu Picchu ist längst nicht mehr nur Wahrzeichen, sondern vor allem Wirtschaftsfaktor für Peru geworden. 90 Prozent ihrer Einnahmen schöpft die peruanische Tourismusindustrie aus der Inka-Stadt.

Am Andenmeer – Fahrt entlang des Titicacasees

Puno / Peru peru
466. Reisetag
14.726 km / 87.951 hm

Blick auf Copacabana am Titicacasee

Der Abschied aus La Paz fällt uns nicht ganz leicht. Auch wenn die Hunde einen in der Nacht mit ihrem Dauergebelle immer wieder aus dem Schlaf reißen, die Straßen hoffnungslos verstopft und überall Baustellen sind – La Paz hat uns fasziniert, die Gelassenheit und lockere Stimmung täglich aufs Neue überrascht. In Deutschland würden bei diesem „Chaos“ (das ja auch irgendwie ein System hat) die Menschen wesentlich gestresster reagieren. Die Millionenstadt im tief eingeschnittenen Tal des Rio Choqueyapu ist ein Schmelztiegel Boliviens. Indigenas, Mestizen, Criollos und Nachfahren der spanischen Konquistadoren leben friedlich miteinander. Die Trachten der Cholitas geben der Stadt Farbe, auf den Märkten herrscht ein buntes Durcheinander und wenn in der Dämmerung sich das eindrucksvolle Lichtermeer ausbreitet scheint ganz La Paz auf den Füßen zu sein und zu flanieren.

Die Fahrt entlang des Titicacasees ist noch einmal eine schöne Abschluss-“Etappe“ in dem Land, dessen Menschen uns mit ihrer freundlichen, zurückhaltenden Art gerne hier haben reisen lassen.

Auf der Ruta 2 geht es über eine schöne, aber höhenmeterreiche Strecke entlang des Ufers. Die Straße ist schmal aber gut asphaltiert. Je mehr wir uns von La Paz entfernen, desto geringer wird der Verkehr. Tiefblau schimmern die Fluten, fasst kommt es uns vor als würden wir am Meer entlang fahren. Der Titicacasee ist mehr als 15 x so groß wie der Bodensee.

Auf den Feldern rund um den See trocken die Bauern zur Zeit Chunos – Gefrierkartoffeln. Zur Haltbarkeit werden die Bitterkartoffeln nachts dem Frost ausgesetzt und tagsüber wieder an der Sonne getrocknet. Dadurch verlieren sie stark an Volumen und Gewicht. Zuletzt wird mit den Füßen der letzte „Saft“ aus ihnen gequetscht. Auf diese Weise sind sie bis zu 10 Jahre haltbar und für viele Andenbewohner Hauptnahrungsmittel in der Winterzeit.

In der Ferne grüßen noch einmal die 6.000 m hohen schneebedeckten Gipfel der Cordillera Real. Über die Straße von Tiquina, eine 800 m schmale Stelle, passieren wir den See. Auf zerbrechlich aussehenden Fährbooten aus Holz, in deren Bug das Wasser steht geht es im Schneckentempo auf die andere Uferseite und dort in einem saftigen, langgezogenen Anstieg weiter Richtung Copacabana. Der Wind bläst kräftig von vorne. Dafür bieten sich immer wieder schöne Ausblicke. Durchgeschwitzt und ziemlich fertig erreichen wir am Nachmittag die letzte Anhöhe des Tages und blicken auf Copacabana. Der Blick auf das Hafenstädtchen mit dem Hausberg „Hora del Inca“ ist schon ein besonderer und versöhnt uns mit den unerwarteten Höhenmetern zuvor. In einer rasanten Abfahrt geht es in den beschaulichen Ort. Auf dem Weg kommen uns dutzende blankgeputzte, mit Blumen geschmückte Autos entgegen. Erst denken wir es sei eine Hochzeit. Doch die Fahrzeuge tauchen so verstreut auf der Straße auf, dass uns das „spanisch“ vorkommt. Auf der Plaza sehen wir den wirklichen Grund. Jedes Wochenende kommen Familien aus Bolivien, Peru, Chile und Argentinien um ihre Autos segnen zu lassen. Vor der Basilika im maurischen Stil hat der Padre der Kirche mit Weihwasser und Weihrauch Fahrzeuge aller Größen getauft. Mit so viel himmlischem Beistand scheint für die Besitzer nichts mehr passieren zu können … was dem Fahrstil leider nicht zuträglich ist.

Vielleicht liegt es aber auch an der Art und Weise, wie man seine „Pappe“ in Bolivien erwirbt. Die theoretische Ausbildung dauert 5 Abende inklusive Prüfung. Am 6. Tag gibt es dann eine halbe Stunde bis Stunde Fahrpraxis. Das Ganze kostet 500 Bolivianos (ca. 55 €). Wer Theorie oder Praxis „versemmelt“ legt einfach ein paar Scheine in die Prüfungsblätter oder neben die Kupplung … und schwups hat man die „Lizenz zum Töten“, ähm „linzensierten Autofahren“.

Ach ja, die südamerikanischen Autofahrer sind ein Thema für sich! Ein Fahrzeug kann keine Spiegel, kein Nummernschild, keinen Auspuff, null Profil auf den Reifen haben, keine Kühlerhaube mehr, ja fast ohne Karosserie rollen – es ist immer noch ein voll funktionsfähiges Fahrzeug. Aber hast Du keine funktionierende Hupe mehr bist Du verloren, bist Du ein Nichts, hilflos, wehrlos. Denn gehupt wird immer und überall. Und es kann auch alles heißen: Achtung ich komme! Achtung ich überhole! Runter von der Fahrbahn! Rein ins Taxi! Mach Du doch Platz! Ich mache nicht Platz! Du mich auch! ….

Vom Wallfahrtsort der Autofahrer machen wir per Boot einen Abstecher auf die „Isla del Sol“, die Sonneninsel. Sie ist die heiligste der zahlreichen im 8.000 km² großen Gewässer gelegenen Inseln. Zu Inkazeiten war sie vermutlich spirituelles Zentrum. Die Wanderung über das stille Eiland, das wie versunken im tiefblauen Wasser des Titicacasees liegt, ist eine Wohltat für unsere Seelen. Kein Motorenlärm, keine Abgase, kein Gehupe. Ein schmaler Pfad führt vorbei an aus Adobeziegeln erbauten Häusern. Auf den terrassierten Hängen weiden Lamas, Esel und Schafherden. Zypressen und Eukalyptusbäume bilden grüne Farbtupfer.

Am darauffolgenden Tag wollen wir die Grenze nach Peru passieren und stehen erst mal vor verschlossenen Schlagbäumen. Mit viel Pomp, Pathos und jeder Menge schiefer Töne finden irgendwelche Grenzfeierlichkeiten statt. So ist kurzerhand der offizielle Übergang gesperrt. Aber Bolivien ist ein Land in dem es neben dem offiziellen Weg ja auch immer einen inoffiziellen gibt (s.o.). Und so geht es auf einem kleinen Trampelpfad um die Grenzstationen und völlig problemlos auf die peruanische Seite. Dort knallt nach kurzer Formalität der Stempel in unsere Pässe und berechtigt uns kostenlos zu 90 Tagen Aufenthalt im Land.

Bis Puno ändert sich die Landschaft kaum. Noch immer sind wir auf knapp 4.000 m unterwegs. Die Vegetation ist karg. Nach über 6 Wochen auf dem Altiplano sehnen wir uns nach etwas mehr Grün.

Die Menschen in den kleinen Ortschaften empfangen uns freundlich mit „Gringo“-Rufen. Waren die Bolivianer doch oftmals zurückhaltend bis schüchtern so sind die Peruaner deutlich offensiver im Kontakt. Während unserer Radpausen werden wir häufig angesprochen, interessiert mustert man unsere Räder und hebt anerkennend den Daumen. Irritiert sind wir, als man von uns Geld verlangt als wir eine Dorfszene aufnehmen wollen.

Die Straßen in Peru kommen uns noch einen Tick schmaler vor, die Autofahrer noch ungeduldiger und „wagemutiger“ in ihren Überholmanövern. Den Seitenstreifen aus Bolivien gibt es leider nicht mehr und so müssen wir des Öfteren auf den sandigen Randstreifen ausweichen, der oft von Plastik und Abfall „verziert“ ist. Überhaupt liegt viel mehr Müll in der Gegend rum als noch in Bolivien. Während wir jedes Stück Papier und Plastik bis zum nächsten Mülleimer transportieren schmeißen viele Leute gedankenlos ihren Müll in die Natur. Das betrübt uns, macht traurig und wütend. Wie wird es hier wohl in 10, in 20 Jahren aussehen.