Sibiu / Rumänien
35. Reisetag
780 km
Eine Woche nach dem Passieren der Grenze sind wir in der Mitte Rumäniens – in Transsilvanien (Siebenbürgen) – angekommen. Das hügelige Hochland im südlichen Karpatenraum hat viel mehr zu bieten als das gängige Dracula-Klischee.
Die Region ist vor allem durch Landwirtschaft, Holzverarbeitung, Abbau von Eisenerz und Steinen geprägt. Abseits der Städte leben die Menschen noch im Rhythmus und Einklang mit der Natur. Agro-Industrie gibt es nicht, Flurbereinigung wie in Deutschland hat hier nie stattgefunden. Überall werden kleine zerstreute Flächen von Bauern bewirtschaftet. Schon früh am Morgen grüßen sie uns mit einem freundlichen „Buna Ziua!“ („Guten Morgen“) vom Feld. Pferdefuhrwerke sind hier noch täglich zu sehen und auch auf den Feldern helfen die Pferde beim Pflügen der Erde. In den Dörfern haben die Hühner noch allen Auslauf den ihr Hühnerherz begehrt. Schweine, Kühe und Truthähne wandern munter durchs Dorf. Die meisten Hunde dösen zum Glück in der Sonne und sind zu müde, um uns hinterher zu jagen.
Das Leben in den Städten dagegen ist hektischer, der Verkehr deutlich stärker, überall wird irgendwie irgendwo gebuddelt oder gebaut. So kann es einem schon mal passieren, dass mitten im Zentrum von Sebis die Straße aufgebrochen ist, neu geteert wird und der Verkehr sich links und rechts der ungesicherten Baustelle in Eigenregie vorbeiquält. Große, graue Plattenbausiedlungen und verfallene Industrieanlagen zeugen vom Versuch Caucescus bürgerliche Wohnstrukturen zu beseitigen und aus dem bäuerlichen Rumänien mit aller Macht einen sozialistischen Industriestaat zu formen. Die Stadtkerne sind zum Glück oft noch erhalten geblieben und kommen einem in Siebenbürgen vertraut vor. Der Einfluss der sächsischen Siedler ist überall im Stadtbild und den doppelten Namensbezeichnungen (Deva [Diemrich], Sebes [Mühlbach], Sibiu [Hermannstadt]) noch erkennbar. Dieser krasse Gegensatz von Alt und Neu hat seinen Reiz und es gibt viel vom Rad aus zu sehen. Insgesamt ist Rumänien für uns schon exotischer als noch Ungarn aber nicht befremdlicher. Die Menschen sind hier weniger reserviert, viele grüßen freundlich und wünschen „Drum bun!“ eine „Gute Reise“.
Und die haben wir. Erster Höhepunkt war eine Zeltnacht in den Westkarpaten mit Blick auf das markante Bihor-Gebirge und den schneebedeckten 1.849 m hohen Curcubáta Mare. Nach der flachen pannonische Tiefebene ließen uns der erste Pass (461 m) und zahlreiche kurze aber kräftige Anstiege bei hochsommerlichen 36 °C in der Sonne mächtig ins Schwitzen kommen. Nach einem heftigen Gewitter an der Mures, dass uns erwischte, als wir gerade vor unserem Zelt unser Abendbrot essen wollten, ist die Luft etwas klarer, aber immer noch heiß.
Die Straßen im Land sind bisher meist besser als befürchtet. Zwar wechselt die Qualität häufig, aber insgesamt lässt es sich ganz gut fahren. Lediglich die Strecke von Sebes nach Sibiu auf der E68/81 war kein Vergnügen und nervenaufreibend. Ein Anstieg nach dem anderen (7 – 8 %) mussten wir uns auf dem verdreckten und ausgefahren Straßenrand hochkämpfen, während neben uns die Lkw’s teilweise mit Minimalabstand vorbeisausten. Als wir spät am Abend nach über 90 km Sibiu erreichten waren wir fix und fertig. Und wie zur Belohnung dürften wir die letzten 3 km auf dem ersten Radweg in Rumäniens fahren. Welche Wohltat! In der Stadt haben wir uns für 2 Tage ein Zimmer in einer Pension genommen, um etwas von den Osterfeierlichkeiten mitzubekommen.