Osternacht in Sibiu

Sibiu / Rumänien 

Es ist kurz vor Mitternacht an diesem Samstag. Nach einem nächtlichen Besuch der Altstadt Sibius kommen wir genau zur richtigen Zeit an der Kathedrale „Heilige Dreifaltigkeit“ an, um den Beginn der Osternacht mitzuerleben. Über 85 % der Rumänen sind in der Orthodoxie verwurzelt.

Der Diözesanbischof des Bistums von Sibiu begibt sich gerade mit seinen Priestern und Diakonen feierlich in die Orthodoxe Kathedrale. Das Portal ist in ein warmes Licht gehüllt, von den Kirchtürmen erklingen die Glocken. Vor dem Eingangsportal und in der Straße haben sich hunderte Gläubige versammelt. Sie alle wollen dem Höhepunkt der orthodoxen Osterfeiern beiwohnen – der Zeremonie des „Heiligen Feuers“.

Dem Glauben nach entzünden sich Kerzen an einem Licht, das nur zu Ostern am Grabe Jesu Christi erscheint. Die Flammen sind ein Symbol dafür, dass Jesus noch immer unter den Menschen weilt.

Wenige Minuten nach dem Eintritt in das Gotteshaus erscheint der Diözesanbischof erneut – sichtbar hebt er das Feuer in die Höhe. Zusammen mit den anderen geistlichen Würdenträgern begibt er sich in einer Prozession um die Kathedrale. Viele Gläubige folgen. Man entzündet sich gegenseitig die Kerzen bis schließlich die Menge in ein Lichtermeer getaucht ist. Psalme werden gesangartig rezitiert und wann immer die Dreifaltigkeit (die Einheit von Gott, Vater und Sohn) erwähnt wird, bekreuzigt sich die Gemeinde. Schließlich erklingt von der Balustrade der achttönige Gesang des Chors “Christus ist auferstanden”. Die Gläubigen um uns herum stimmen leise ein.

Es ist eine besondere Atmosphäre – feierlich und doch entspannt. Der Gottesdienst wird erst in den Morgenstunden enden. Wir verlassen die Szenerie, berührt vom Lichterglanz und den Gesängen.

Nun fragt sich sicherlich der ein oder andere Leser, wieso erst jetzt Ostern bei den Orthodoxen gefeiert wird. Das liegt daran, dass die Anhänger der Ostkirche das Osterdatum noch nach dem julianischen Kalender berechnen, der dem gregorianischen „hinterherhinkt“. So kommt es, dass wir das dreitägige Osterfest „Paste“ – der höchste Feiertag des orthodoxen Kirchenjahres – in Siebenbürgen miterleben können. Schon die letzten Tage kündigten überdimensionale Eier in Parks und auf Plätzen der Städte vom bevorstehenden Fest. Und in den Supermärkten wurden palettenweise Eier, Mehl und jede Menge Hefe gekauft um in den Familien Osterbrote und Pasca (einen Hefekranz) zu backen, die in dieser Osternacht in die Kirchen mitgebracht werden, um sie segnen zu lassen.

Im Herzen Rumäniens

Sibiu / Rumänien
35. Reisetag
780 km

 Eine Woche nach dem Passieren der Grenze sind wir in der Mitte Rumäniens – in Transsilvanien (Siebenbürgen) – angekommen. Das hügelige Hochland im südlichen Karpatenraum hat viel mehr zu bieten als das gängige Dracula-Klischee.

Die Region ist vor allem durch Landwirtschaft, Holzverarbeitung, Abbau von Eisenerz und Steinen geprägt. Abseits der Städte leben die Menschen noch im Rhythmus und Einklang mit der Natur. Agro-Industrie gibt es nicht, Flurbereinigung wie in Deutschland hat hier nie stattgefunden. Überall werden kleine zerstreute Flächen von Bauern bewirtschaftet. Schon früh am Morgen grüßen sie uns mit einem freundlichen „Buna Ziua!“ („Guten Morgen“) vom Feld. Pferdefuhrwerke sind hier noch täglich zu sehen und auch auf den Feldern helfen die Pferde beim Pflügen der Erde. In den Dörfern haben die Hühner noch allen Auslauf den ihr Hühnerherz begehrt. Schweine, Kühe und Truthähne wandern munter durchs Dorf. Die meisten Hunde dösen zum Glück in der Sonne und sind zu müde, um uns hinterher zu jagen.

Das Leben in den Städten dagegen ist hektischer, der Verkehr deutlich stärker, überall wird irgendwie irgendwo gebuddelt oder gebaut. So kann es einem schon mal passieren, dass mitten im Zentrum von Sebis die Straße aufgebrochen ist, neu geteert wird und der Verkehr sich links und rechts der ungesicherten Baustelle in Eigenregie vorbeiquält. Große, graue Plattenbausiedlungen und verfallene Industrieanlagen zeugen vom Versuch Caucescus bürgerliche Wohnstrukturen zu beseitigen und aus dem bäuerlichen Rumänien mit aller Macht einen sozialistischen Industriestaat zu formen. Die Stadtkerne sind zum Glück oft noch erhalten geblieben und kommen einem in Siebenbürgen vertraut vor. Der Einfluss der sächsischen Siedler ist überall im Stadtbild und den doppelten Namensbezeichnungen (Deva [Diemrich], Sebes [Mühlbach], Sibiu [Hermannstadt]) noch erkennbar. Dieser krasse Gegensatz von Alt und Neu hat seinen Reiz und es gibt viel vom Rad aus zu sehen. Insgesamt ist Rumänien für uns schon exotischer als noch Ungarn aber nicht befremdlicher. Die Menschen sind hier weniger reserviert, viele grüßen freundlich und wünschen „Drum bun!“ eine „Gute Reise“.

Und die haben wir. Erster Höhepunkt war eine Zeltnacht in den Westkarpaten mit Blick auf das markante Bihor-Gebirge und den schneebedeckten 1.849 m hohen Curcubáta Mare. Nach der flachen pannonische Tiefebene ließen uns der erste Pass (461 m) und zahlreiche kurze aber kräftige Anstiege bei hochsommerlichen 36 °C in der Sonne mächtig ins Schwitzen kommen. Nach einem heftigen Gewitter an der Mures, dass uns erwischte, als wir gerade vor unserem Zelt unser Abendbrot essen wollten, ist die Luft etwas klarer, aber immer noch heiß.

Die Straßen im Land sind bisher meist besser als befürchtet. Zwar wechselt die Qualität häufig, aber insgesamt lässt es sich ganz gut fahren. Lediglich die Strecke von Sebes nach Sibiu auf der E68/81 war kein Vergnügen und nervenaufreibend. Ein Anstieg nach dem anderen (7 – 8 %) mussten wir uns auf dem verdreckten und ausgefahren Straßenrand hochkämpfen, während neben uns die Lkw’s teilweise mit Minimalabstand vorbeisausten. Als wir spät am Abend nach über 90 km Sibiu erreichten waren wir fix und fertig. Und wie zur Belohnung dürften wir die letzten 3 km auf dem ersten Radweg in Rumäniens fahren. Welche Wohltat! In der Stadt haben wir uns für 2 Tage ein Zimmer in einer Pension genommen, um etwas von den  Osterfeierlichkeiten mitzubekommen.