Unterwegs in der Heimat

Da sind wir zu Hause - im Deep Space in Linz

Frisch ist es an diesem Sommermorgen. Nebelschwaden hängen im Tal. Tautropfen benetzen die Wiese auf der wir campiert haben. Im Wald um uns herum begrüßt den Tag ein vielstimmiges Vogelkonzert. Und auch wir beginnen unser Tageswerk. Nachdem unser Hab & Gut verstaut ist, rollen wir das Zelt zusammen und befestigen die Radtaschen an den Gepäckträgern. Jeder Griff sitzt. Vertraut ist uns das Leben aus den Taschen geworden.

Durch kniehohe Gräser und Waldboden schieben wir die Räder. Kurz darauf stehen wir wieder auf der Straße. Ein großes Wolkenband verdeckt den Blick in den Himmel, nur ab und zu drängt sich ein Sonnenstrahl durch die weißen Wattebäusche.

Ria setzt den Helm auf und streicht sich das lang und wild gewordene Haar aus dem Gesicht. Wir schauen uns an, wünschen uns „Gute und sichere Fahrt!“. Dann treten wir in die Pedalen. So beginnt jeder Radtag – unser tägliches Morgenritual.

Es rollt sich gut an. So früh am Morgen ist der Tag noch unverbraucht, die Luft würzig, die Straßen leer. Keine Schlaglöcher, Buckel oder Gullideckel bremsen uns aus. Unseren Rädern gefällt der glatte Asphalt. Wohlig surrend und spurtreu wie auf Schienen gleiten sie.

Als wir das Waldstück verlassen geht es mit „40 Sachen“ in einer langen Schussfahrt ins Tal. Wie geil! Ein Auftakt ganz nach unserem Geschmack. Jauchzend genießen wir die Leichtigkeit des Radler-Seins. Eine Stunde später kämpfen wir mit böigem Gegenwind, der Schnitt sinkt auf 12 km/h. Als Radler muss man die Dinge nehmen wie sie kommen. Alle 20 Minuten wechseln wir nun die Führung, mal Ria, mal ich. So ermüden die Beine nicht so schnell und irgendwie vergeht die Zeit im „Windkanal“ schneller.

Nach 3 Fahrstunden wird es Zeit für eine längere Pause. Wie auf Bestellung kommt die Sonne zum Vorschein. Ria strahlt „Olli, da ist sie wieder!“. Vergnügt blinzelt sie in den Himmel und kneift wegen der Sonne ein Auge zu. Ihre Nase kräuselt sich. Wie vertraut ist mir dieser Anblick geworden und noch immer habe ich Schmetterlinge im Bauch, wenn ich sie so glücklich sehe. Das Staunen und die Freude über die kleinen Geschenke des Tages sind auch nach nach 2 Jahren noch da.

Eine kleine Bank dient uns als Mittagstisch. Brot, Käse und Quark, eine große Salatbox mit Gemüse und Nüssen, Erdbeeren und Honig stehen heute auf der Speisekarte.

Genüsslich kauend genießen wir den Blick auf die dunkelblaue Donau. Die Ufer sind in sattes Grün getaucht. Auf der glitzernden Wasseroberfläche treiben kleine Schaumkronen. Gedankenversunken folgen wir Ihnen eine Weile flussabwärts. Der mächtige Strom ist Stoff zahlreicher Sagen und Legenden. Was mag sich wohl hier auf all’ den imposanten Burgen und Schlössern im Laufe der Jahrhunderte ereignet haben, die malerisch in die Landschaft eingebettet sind.

Nach 1 Stunde ist das letzte Schokoladenstück im Mund zerschmolzen. Es geht weiter. Gestärkt nehmen wir Fahrt auf, im Blick die mächtigen Alpen. Die Kombination von Fluss und Fahrrad hatten wir so bisher noch nicht und sie hat ihren ganz eigenen Reiz!
Naturnah und fast ohne Autoverkehr folgten wir in den letzten Tagen dem vielfach gewundenen Fluss. Mal ging es durch enge Täler mit schroffen Felswänden, mal durch Weinberge. Dann folgten Auenlandschaften, Waldstücke und Streuobstwiesen auf denen die Apfelblüte rosa-weiß leuchtet. Städte mit ehrwürdigen Namen wie Wien, Linz, Passau begeistern uns mit ihrer vielfältigen Architektur und Geschichten zur Geschichte.

Flussradeln ist „in“. Gastronomie und Hotelerie werben mit Schildern wie „Radlerfreundlich“ oder „Biker’s welcome“ um die zahlungskräftigen Tagesausflügler.

Entgegenkommende Radfahrer und Fußgänger schauen uns interessiert, gelegentlich irritiert hinterher. Was für viele wie eine Kunst aussieht, bei all der Masse des Gepäcks das Gleichgewicht zu halten, ist für uns vertraut. Weniger gewöhnt sind wir an Radfahrer, die im „Formel 1-Stil“ aus dem Windschatten zum Überholen ansetzen. Denn viele – zumeist graumelierte Tagesausflügler – fahren mit „eingebautem Rückwind“. E-Bikes scheinen in der Zeit unserer Abwesenheit zum Verkaufsschlager geworden zu sein. Mühelos ziehen die zumeist knallbunt gekleideten „Altmeister“ an uns vorbei. Doch den Speed durch den elektronischen Extraschwung schätzt nicht jeder richtig ein, so dass es manch unnötige, brenzlige Situation gibt.

Ansonsten scheint sich das Land, dem wir vor über 2 Jahren „Lebe wohl!“ sagten, auf den ersten Blick nicht großartig geändert zu haben. 2 Jahre? Schnell ist die Zeit vergangen. Ist es nicht gerade erst gestern gewesen, dass wir im Wohnzimmer standen, die Fahrräder und das Gepäck vor uns und wir aufgeregt Stück für Stück unseres reduzierten Lebens in die kleinen wasserdichten Packtaschen stopften?

Doch im „Logbuch“ steht es Schwarz auf Weiß. Am 31.03.2013 haben wir Deutschland, haben wir Berlin, unsere Familien und Freunde für unbestimmte Zeit hinter uns gelassen. Haben Abschied genommen vom „normalen Leben“, vom Alltag.

Mit Neugier und Herzklopfen fuhren wir in eine unbekannte Zukunft hinein. Ein neues Leben stand vor der Tür – voller Überraschungen und Herausforderungen – und wir wollten sie öffnen. Auf unbekannten Wegen in fernen Ländern fremde Kulturen kennen lernen, Menschen begegnen – das war unser Traum.

Und fast wäre er schon zum Start ausgeträumt gewesen. Gleich zu Beginn unserer Tour wurden wir durch meine Knieprobleme jäh ausgebremst. Die Reise stand vor dem Abbruch bevor sie überhaupt so richtig begonnen hatte. Schwierige Tage und Wochen.

So schmerzvoll und belastend der Auftakt war, so dankbar waren wir für alles was folgte. Sich die Freiheit zu nehmen, etwas zu versuchen, schließt nicht mit ein, dass man sicher erreicht, was man sich vorgenommen hat. Wir lernten die Kunst der kleinen Schritte – oder besser Tritte. Jede Pedalumdrehung ist wichtig. Hätten wir nur eine davon nicht gemacht, wären wir heute nicht da wo wir sind.

Dieser Weg war manchmal steinig und schwer, meist aber wundervoll. Die Reise war Einladung und Herausforderung zugleich. Zuweilen sind wir an unser physisches und psychisches Limit gegangen, doch stets wurden diese Grenzerfahrungen mit unvergesslichen Momenten belohnt.
So wie im Herbst 2013 auf unserer Fahrt über das „Dach der Welt“, den legendären Pamir-Highway in Tadjikistan. In der Woche davor lagen wir beide geschwächt durch Magen-Darmprobleme tagelang im Bett. Und dann diese entbehrungsreiche Strecke. Auf dem Weg zum Akbaital Pass (mit 4.655 m höchster Punkt unserer Radreise) kostete jeder Tritt das dreifache an Kraft in der Höhe. Alle 100 m mussten wir schwer atmend stehen bleiben, um den Puls zu beruhigen. Doch das Gefühl auf dem Pass war unbeschreiblich. Ewigkeit und blauer Himmel um uns herum! Dazu die majestätische Landschaft und gewaltigen Gebirgsmassive. Dieser Moment war alle Mühen wert.

Und nun – über 800 Tage später im Juni 2015 – rückt das Ende dieser Reise unaufhaltsam näher. Auch wenn wir noch einige Wochen mit unseren Rädern unterwegs sind, die Zeit der „letzten Male“ hat begonnen. Nicht leicht Abschied zu nehmen …

Wieder führt uns der Donauradweg mitten durch einen der pittoresken Orte mit prächtigen Fachwerkhäusern. Langsam zieht die Landschaft an uns vorbei. Sie ist mir durch Urlaubsreisen mit meinen Eltern in diese Region noch vertraut. Ich erinnere mich der Nächte, in denen ich mich im Bett aufgeregt hin- und herdrehte, weil es am nächsten Morgen auf große Reise ging. Raus aus der „Insel“ West-Berlin, über die deutsch-deutsche Grenze und Transitstrecke der DDR bis nach Bayern – in das Land der Berge und Seen und des merkwürdigen Dialekts, den ich kaum verstand. Für mich als Kind ein fernes „Land“, wo der Duft von frisch gemähtem Heu über den Wiesen hing, das Geläut von Kuhglocken auf unseren Wanderungen steter Begleiter war und ich mit meinem Bruder auf den Almhütten die leckersten Wurst- und Käsebrote der Welt verschlang – so groß und reich belegt, dass wir sie nicht in unsere kleinen Münder bekamen.

„Essen“ ist auf Reisen immer ein Thema. Wie bogen sich im September 2013 auf dem Pamir-Highway die Tische voller köstlicher Speisen in unseren Gedanken, als wir wochenlang nicht viel mehr als Nudeln und gelegentlich etwas Gemüse zu Essen hatten. Welch’ Gaumenfreuden erlebten wir in Südostasiens Straßenküchen. Wie verlockend duftete es nach tropischen Früchten auf den bunten, quirligen Märkte Süd- und Zentralamerikas …

Nach so langer Zeit in der Ferne war die Ankunft auf „vertrautem Terrain“ in Wien nicht einfach – fast ein Kulturschock. Auf unserer Reise haben wir die Langsamkeit als Gegenkraft zur immer größeren Beschleunigung entdeckt. Spätestens mit unserer Ankunft in Buenos Aires war die Zeit kein Gegner mehr, den wir wie in Zentralasien (restriktive Visapolitik) gut beherrschen mussten, sondern ein Geschenk, dessen prallen Inhalt wir erst am Ende des Tages kannten. In Wien, im westlichen Alltag, scheint es genau anders herum zu sein. Der Pulsschlag geht schneller, die Zeit drängt. Die Blicke der Menschen kommen uns flüchtiger vor. Viele laufen eiligen Schrittes durch die Straßen, die Uhr im Blick, das Smartphone in der Hand. Simultanität, Erreichbarkeit, Beschleunigung, Vorsprung gewinnen …

In den ersten Tagen sind wir mit diesem Tempo, der Hektik und Aggressivität überfordert. Immer wieder stehen wir im Weg, passiert man uns ungeduldig. Werden wir uns etwas von mexikanischen „Tranquillo“, der amerikanischen Offenheit und asiatischen Gelassenheit erhalten können?
Wir werden es probieren.

Zumindest auf dem Rad, in unserem derzeitigen Alltag, können wir das „Unscheinbare“, die leisen Töne noch genießen: wir lauschen dem Rauschen des Blätterwaldes, tauchen während der Kurzpausen mit unserem Natur- und Tierführer in die Wiesen-Welt am Wegesrand ab oder freuen uns wie Schneekönige, wenn wir Störche und Graureiher stolzieren sehen. Blütenrausch und Duft von erdigem Waldboden beflügeln unsere Sinne.

Nach über 100 km Fahrt entlang der Donau sind die Beine schwer, der Magen meldet Hunger. Direkt am Ufer der Donau bauen wir das Zelt auf. Sichtgeschützt durch Bäume und Büsche haben wir einen schönen Wildplatz gefunden. So lieben wir es: alleine, unter freiem Himmel, mitten in der Natur.

Ein prüfender Blick, ob spitze Steine oder dorniges Gestrüpp beiseite geräumt werden müssen, dann geht es los. Gekonnt sind die 3 Aluminiumstangen in die Kanäle des Zeltes gefädelt. Die Stangen werden gebogen und aus dem grünen Stück Stoff formt sich unser kleines Heim. Während Ria für Leib und Seele kocht, richte ich das Nachtlager her. Dann hocken wir über unseren beiden dampfenden Plastikbechern. Das letzte Glück des Tages liegt auf der Zunge. Genüsslich essen wir unser Abendbrot, genießen den Frieden hier draußen. Hinter den Baumkronen verschwindet der Feuerball. Langsam senkt sich Dunkelheit über das Flusstal. Feuchtigkeit und Kühle steigen auf. Wir krabbeln in unsere Schlafsäcke. Ich öffne unser Tagebuch, um das Erlebte in Worte zu fassen. Das Licht der Stirnlampe fällt auf die weißen Seiten. Viele sind es nicht mehr, die Tage dieser Reise sind gezählt.

Doch noch sind wir auf der Straße, haben Fahrtwind, freien Himmel, den Rhythmus des Radelns. Und morgen früh werden wir uns wieder in die Augen sehen und „Gute und sichere Fahrt“ wünschen. Und hoffentlich steht auch dieser Tag unter einem guten Stern und einer schützenden Hand.

Wie und wann immer unsere Räder dann die letzte Umdrehung machen werden, die Spuren, das Erlebte, führen über unseren letzten Haltepunkt hinaus und die Erinnerungen tragen diese wunderbare Reise sicherlich noch lange weiter.

Danke an alle, die uns auf unserer Reise begleitet haben und vielen Dank an jene, die den Kindern von Tipar mit Ihrer Spende ein paar unbeschwerte Tage im Ferienlager ermöglicht haben. Und ein ein ganz besonderes Dankeschön geht an unsere Familien für das Packen und Versenden von Paketen, die Betreuung unseres Spendenprojekts und unserer facebook-Seite.

Unser letzter Dank gilt all’ den wunderbaren Menschen, denen wir begegneten, die uns halfen, uns bei sich zu Hause aufnahmen. Ohne sie wäre diese Reise nicht so wunderbar bunt geworden. Mit jedem Land verbinden wir unvergessliche Momente – Gesichter – Geschichten – Menschen, die uns mit Herzlichkeit und Gastfreundschaft beschenkt und mit ihrer Lebenshaltung tief beeindruckt haben. Als Fremder willkommen geheißen zu werden, ist ein wunderbares Erlebnis.

 

Danke und eine Bitte

SDC16467 Als wir im April 2013 einen Tag bei Stefanie und Ramon in Tipar (Rumänien) verbrachten, hatten wir die Gelegenheit hautnah zu erleben, was es bedeutet, am „Rande der Gesellschaft“ zu leben.

Keine 3 Autostunden von Wien entfernt, mitten in Europa, schienen wir im Viertel der Roma in einer anderen Welt zu sein. Am Ende des Ortes, ausgegrenzt und abgelehnt von den anderen Einwohnern leben die Familien in einer Art Slum. Bittere Armut und katastrophale hygienische Zustände herrschen im Viertel. Die Kinder der Roma wachsen in dieses Leben aus Ausgrenzung, Gleichmut und Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge, auf. Eine Wahl haben sie nicht.

Mit ihrem Jugendhaus “Casa Tineretului”, das Stefanie zusammen mit dem gemeinnützigen Verein Satul Nostre e.V. vor 8 Jahren gründete, hat Stefanie einen Platz geschaffen, an dem dieser verhängnisvolle Kreislauf durchbrochen wird, wo die Kinder gegenseitigen Respekt und Achtsamkeit lernen, Fähigkeiten und Stärken entdecken können.

Schnell war die Idee geboren mit unserer Reise dieses wichtige Projekt zu unterstützen. Und so riefen wir im April 2013 zu Spendengeldern für ein Zeltlager auf. Diesen Sommer nun konnte es Dank der Spenden unserer Leser stattfinden. Eine Woche lang hatten 8 Kinder die Möglichkeit, eine unbeschwerte Zeit zu verbringen, Gemeinschaft, Natur und kleine Abenteuer zu erleben – einfach nur „Kindsein“ dürfen.

Hierzu schrieb uns Stefanie: „Dank Eurem Spendenaufruf war das Ferienlager für die Roma-Kinder eine ganz besondere Woche, eine tolle Erfahrung im Zusammenleben (…) Alle waren das erste Mal von zu Hause weg und die meisten hatten das erste Mal in ihrem Leben die Möglichkeit in einem eigenen Bett zu schlafen.“

Die wertvolle Arbeit von Stefanie in Tipar wollen wir weiterhin unterstützen.

Wir haben uns daher entschlossen, unsere Aktion „Dreh mit“ zu nutzen, um über den Satul Nostru Deutschland e.V. weitere Spendengelder für die Kinder von Tipar zu sammeln. Zukünftig gehen von jedem Tagessatz (also 20 €), den Ihr uns spendet, 2/3 an den Verein. Als Dankeschön gibt es von uns eine Postkarte aus dem Land, das wir gerade bereisen und von Kindern aus Tipar mit Sicherheit wieder so ein strahlend schönes Lächeln wie auf den Bildern.

Wir hoffen, dass gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit viele Herzen offen sind und wir gemeinsam noch einmal einen nennenswerten Betrag zusammenbekommen. Gerne würden wir uns in den kommenden Wochen die Finger wund schreiben ;-)

Unsere Bankverbindung

Ria Kreuzahler
IBAN: DE36 1005 0000 3540 1880 36
BIC/SWIFT: BELADEBEXXX
Berliner Sparkasse

Verwendungszweck: Deine Adresse für die Postkarte

Auf unserer Homepage informieren wir über den aktuellen Spendenstand.

Wer lieber direkt die Arbeit des gemeinnützigen Vereins unterstützen möchte kann dies natürlich auch tun:

Satul Nostru Deutschland e.V.

Konto-Nr.: 12503241

BLZ: 68050101

Sparkasse Freiburg

Verwendungszweck: Drehmomente

Informationen zu Aufgaben und Zielen des Vereins findet Ihr auf www.satulnostru.de

 

Türkiye’ye Hoşgeldiniz – Herzlich Willkommen in der Türkei!

Istanbul / Türkei turkey
74. Reisetag
1.745 km / 10.478 hm

Hagia SofiaMit diesen Worten und einem Stempel in unserem Pass ist unsere Einreise in die Türkei offiziell besiegelt. Herzlich Willkommen zu sein – dieses Gefühl haben wir vom ersten Tag an. Doch der Reihe nach:

Die letzten 100 km in Bulgarien sind ziemlich schweißtreibend. Auf einer schmalen, mit Schlaglöchern übersäten Straße geht es vom Schwarzen Meer auf 700 m Höhe durch das dicht bewaldete Strandza-Gebirge. Durch die Regenfälle der letzten Tage ist es schwül-warm. Ziemlich verschwitzt erreichen wir die Grenze. 3 Mal müssen wir unsere Pässe vorzeigen. Nachdem das obligatorische Grenzfoto geschossen ist, geht es auf feinstem türkischen Asphalt und breiter Straße durch Ostthrakien. Als wir am Abend unser Zelt auf einem Feld aufstellen, hören wir zum ersten Mal den Ruf des Muezzin (ezan), der alle Gläubigen zum gemeinsamen Gebet versammelt.

Thrakien, das einstige Kernland des Osmanischen Reiches ist heute türkische Peripherie. Die hügelige Landschaft ist geprägt von Getreidefeldern. Beständig geht es auf und ab. Auf einem der zahlreichen Anstiege überholt uns Paul aus Kanada, der auf Europa-Tour ist. Am Straßenrand plaudern wir über „Gott und die Welt“ und bemerken gar nicht, dass sich der Himmel bedrohlich verdunkelt. Als wir uns schließlich eine gute Weiterreise wünschen, ist das Unwetter nicht mehr fern. Kurz vor Kirklareli ist es soweit: sinnflutartiger Regen ergießt sich über uns, dazu Sturm, Hagel und Blitzeinschläge in unmittelbarer Nähe. Wir suchen unter dem Vordach eines Ladens Schutz. Prompt lädt uns der Besitzer zu sich ein und bringt Çay. Ein Fernfahrer kauft uns spontan Schokoriegel. Nachdem sich 2 Stunden später das Wetter beruhigt hat, lotst uns der Ladenbesitzer mit seinem Auto ins Zentrum von Kirklareli zu Burak, unserem Gastgeber. 2 Tage verbringen wir in der Stadt, genießen Buraks Gastfreundschaft, bekommen einen ersten Einblick in den türkischen Alltag und kosten uns durch einige Köstlichkeiten des Landes. Besonders gegrillte köfte (frikadellenähnliche Hackfleischbällchen), merçi-mek çorbasi (herzhafte Linsensuppe) und die Kalorienbomben baklava und türkischer Brownie haben es uns angetan.

Auf der E 80 geht es von Kirklareli weiter nach Istanbul. Der Transitverkehr rauscht vierspurig in die Metropole am Bosporus. Landschaftlich gibt es keine großen Highlights. Die Fahrt in die pulsierende Millionenmetropole zwischen Orient und Okzident ist aber auf andere Weise ein „Erlebnis der besonderen Art“. Scheinbar endlos erstrecken sich die Vororte. Gigantische Wohnkomplexe ragen links und rechts der Autobahn in den Himmel. Stoßstange an Stoßstange quält sich der Verkehr über den Asphalt. Rund 15 Millionen Menschen leben hier und wahrscheinlich gibt es fast ebenso viele Autos. Wer über den Verkehr in Berlin klagt, sollte einmal in Istanbul Auto fahren. Danach dürften einem Deutschlands Straßen wie eine Oase vorkommen. Zwischen all’ den Fahrzeugen schlängeln wir uns mit unseren Rädern, zunächst noch auf einem Seitenstreifen, schließlich mitten in der Blechlawine. Voll konzentriert, mit Herzklopfen und jeder Menge Adrenalin im Blut müssen wir mehrmals die Spur wechseln, um in den Stadtteil Sirkeci zu gelangen. Als wir gegen Abend schließlich unser Hotel in der Altstadt erreichen machen wir innerlich 3 Kreuze.

Istanbul ist eine faszinierende Stadt, anstrengend und anziehend zugleich. Das Leben findet bis spät in den Abend auf der Straße statt. Unzählige Geschäfte säumen die schmalen Gassen. Lautstark werden auf der Straße die Produkte angepriesen. Jeder macht irgendwie „Business“, sprichwörtlich vom Wasserträger bis zum Geschäftsmann im Seidensakko. Genauso kontrastreich wie das Leben ist die Architektur Istanbuls. Osmanische Prachtbauten prägen ebenso die Skyline wie moderne (hässliche) Glastempel. Die Mega-City am Bosporus ist ein Schmelztiegel, in dem Kommerz und Koran scheinbar problemlos nebeneinander existieren. Von Kopf bis Fuß verschleierte Frauen stehen neben Highheels tragenden Schönheiten. Istanbul hat viele Gesichter.

Unser Hotel liegt am Goldenen Horn (auf europäischer Seite) im Herzen der historischen Altstadt, nicht weit entfernt von der Galatabrücke. Über 2.000 Jahre Geschichte trifft hier auf jede Menge Tourismus. Um den Menschenmassen zu entgehen, besuchen wir kurz nach Sonnenaufgang die „Hot Spots“. Die gewaltigen Silhouetten von Hagia Sophia und Blauer Moschee erstrahlen im ersten Licht des Tages. Im Inneren der Blauen Moschee herrscht zu dieser Stunde fast noch andächtige Stille. Nur einige Gläubige beten bereits. Die Wände des Sakralbaus sind mit blau-grünen Fayencen verkleidet. Der Blick hinauf zur mächtigen Hauptkuppel mit ihren Kalligraphien und Arabesken ist faszinierend. Die Hagia Sophia („Heilige Weisheit“) ist nicht weniger beeindruckend nur leider viel voller. Erst Kirche, dann Moschee ist sie heute ein Museum, dass einen schon mit seiner schieren Größe überwältigt. Allein das Hauptschiff hat gewaltige Ausmaße: 80 m lang und 56 m hoch, die Kuppel mit einem Durchmesser von 33 m.

Anschließend streifen wir durch den Großen Basar (Kapalı Çarşı) – eine kleine Stadt für sich. Über 25.000 Menschen arbeiten hier in mehr als 3.600 Geschäften. In dem Labyrinth aus Gassen wird so ziemlich alles angeboten – von Edel bis Nippes: Teppiche, Keramik, Schmuck, Antikes aber auch imitierte Label-Marken und jede Menge Touristenkram. Dennoch vermittelt uns der Spaziergang durch die überdachten, farbenprächtigen Gassen einen Hauch von Orient.

Bei einer Fahrt auf dem Bosporus lassen wir das laute Treiben schließlich für ein paar Stunden hinter uns, genießen entspannt den Blick auf Istanbuls Sehenswürdigkeiten vom Wasser aus und fahren mit dem Dampfer bis zur Mündung am Schwarzen Meer.

Als wir am Montag im Stadtteil Taksim den gleichnamigen Platz besuchen ist die Stimmung friedlich, fast eine Mischung aus Protest und Party. Überall hängen Plakate mit Parolen und Wünschen. Auf einem ist zu lesen: “Die Bevölkerung der Türkei hat gesprochen, wir werden uns nicht unterdrücken lassen”. Der Gezi-Park gleicht einer riesigen Zeltstadt. Jung und Alt diskutieren in kleinen Gruppen, es wird gesungen, Essen an die Demonstranten verteilt. Die Spuren der heftigen Straßenkämpfe sind unübersehbar. Barrikaden versperren die Zufahrt zum Taksim-Platz, ausgebrannte Polizeiautos wirken wie Trophäen, bunt bemalt und mit Regenbogenfahnen geschmückt. Überlebensgroße Bilder der getöteten Protestierer schmücken den Taksim-Platz. Wir sind beeindruckt und berührt vom Mut der Menschen, die Schlagstock und Tränengas mit Kreativität und Entschlossenheit begegnen. Keine 24 Stunden später bestätigen sich die Gerüchte einer bevorstehenden Polizeioffensive. Man kann den Menschen nur wünschen, dass die autoritäre Regierung am Ende keinen Erfolg hat und nicht nur das umstrittene Bauprojekt gestoppt wird …

Gestrandet

Lozenec / Bulgarien
60. Reisetag
1.554 km / 7.703 hm

Gerne hätten wir an dieser Stelle aus Istanbul, der Stadt am Goldenen Horn, berichtet … aber das Knie hat die Belastungen nicht vertragen. Und so sind wir noch immer am Schwarzen Meer.

In dem 500-Seelenörtchen Lozenec im äußersten Südosten Bulgariens haben wir für 15 € pro Nacht ein günstiges Hotel gefunden. Im „Old House“ „residieren“ wir in der obersten Etage und sind an den meisten Tagen die einzigen Gäste. Wir genießen Sonne, Sand und Meer und vom Balkon aus den Blick auf’s Wasser und die morgendlichen Sonnenaufgänge. Auf den umliegenden Dächern ziehen Möwen und Stare gerade ihren Nachwuchs auf. Durch die Straßen streifen allerlei Katzen und jeder Morgen wird von 2 heiseren Hähnen im Gesangs-Wettstreit und einer Schar aufgeregter Hühner begrüßt. In diese fast ländliche Atmosphäre mischen sich die letzten Tage ganz andere Töne. Die Einwohner Lozenecs rüsten sich für die bevorstehende Sommersaison. Überall wird eifrig gestrichen, gebohrt, gehämmert, neu verputzt und aufgehübscht. Zahlreiche Bars, Lounges und Hotels prägen das Bild in den Straßen. Nicht von ungefähr wurde Lozenec der Beiname „Die Nachbarstadt von Sofija“ verliehen. Wie Pilze schießen Verkaufsstände mit allem Nötigen und Unnötigen für das Strandleben aus dem Boden. Bald wird es hier trubelig und sich die „Einwohnerzahl“ verdreifachen. Dann aalt sich am schönen Stadtstrand die Jeunesse dorée Bulgariens und schaut den Surfern zu, die in der Bucht wegen des beständigen Windes hervorragende Bedingungen vorfinden. Noch sind aber nur sehr wenige Touristen im Ort, so dass wir bei 36 °C in der Sonne den Strand für uns haben. Bei diesen hochsommerlichen Temperaturen ist ein Bad im kühlen Meer eine wahre Wohltat. So schön die unfreiwillige Auszeit vom Rad auch ist, in Gedanken sind wir schon in der Türkei und brennen darauf Neues zu sehen.

Um die Knie langsam wieder an die kommenden Belastungen zu gewöhnen, fahren wir mit den Rädern die Küstenstraße nach Norden und Süden ab und erkunden die Umgebung. Die Straße ist recht schmal aber in gutem Zustand. Leider sind einige Pkw-Fahrer alles andere als rücksichtsvoll und überholen an den unmöglichsten Stellen, so dass die Ausflüge nur bedingten Fahrspaß bringen. Zahlreiche Kreuze am Straßenrand bezeugen, dass viele ihr Können überschätzen.

Die Schwarzmeerküste im Südosten Bulgariens ist oft recht felsig, ständig geht es Auf und Ab. Zwischen den steilen Küstenabschnitten finden sich immer wieder wunderbare Sandbuchten. Das ist natürlich auch der Tourismusindustrie nicht entgangen. Und so ist an vielen Stellen ein Konvolut aus Campingplätzen, Bungalows, Hotelburgen und Ressorts in allen nur erdenklichen Stadien des Fertigstellungs- oder Erhaltungszustands zu „bewundern“. Nicht selten scheint den Bauherren das Geld ausgegangen zu sein. Vielfach „zieren“ halbfertige Betongerippe die Landschaft. Trotz des Baubooms gibt es aber noch einige ursprüngliche Küstenstreifen und menschenleere Buchten.

Im Gegensatz zur Küste ist ein Großteil des Hinterlandes Naturschutzgebiet und noch weitgehend unberührt. Wir machen einen Ausflug zum Reservat Ropotamo, das nach dem gleichnamigen Fluss benannt ist. Insgesamt umfasst das Schutzgebiet über 1000 ha. Zu kommunistischen Zeiten war Ropotamo das Jagdgebiet der politischen Klasse. Und auch heute noch geht man hier auf die Pirsch. Wir wollen lieber mit unseren Augen Erinnerungen „schießen“. Direkt an der Schnellstraße von Sozopol nach Carevo nehmen Ausflugsboote Touristen zu einer Tour auf dem Fluss mit. Da die Saison erst Anfang Juni beginnt sind wir die einzigen Bootsgäste und genießen die Fahrt durch einen Korridor smaragdgrüner, lianenumrankter Bäume. Vom Wasser aus können wir Schildkröten, Libellen und Rotwild beobachten und dem vielstimmigen Gesang der Vögel lauschen. Über 200 Arten nisten in der Marsch im Hinterland.

Außerdem fahren wir nach Athopol, dass 430 v. Chr. als Agatopolis – „Stadt des Glücks“ – von den Griechen gegründet wurde. Ein Besuch kann nicht schaden, denn Glück können wir auf dieser Reise gut gebrauchen. Am Hafen schauen wir den Fischern zu, wie sie ihre kleinen Boote flott machen. Athopol wirkt zu dieser Jahreszeit noch etwas verschlafener als die nördlicheren Küstenorte. Kein Wunder, der Ort ist der letzte größere vor der Grenze, die hier jedoch „dicht“ ist.

5 km südlich von Lozenec liegt Tsarevo – mit 5.000 Einwohnern schon vergleichsweise groß. Die Stadt liegt auf einem Hochufer. Vom Stadtpark oberhalb der felsigen Bucht hat man einen schönen Blick auf’s Meer. Rund um die Stadt sind 16 Buchten mit feinem Sand zu finden. Der Hafen ist ganz hübsch anzusehen und soll der größte südlich von Burgas sein. Das war’s dann aber an Attraktionen … bzw. noch nicht ganz: Tsarevo verfügt auch über einen kleinen Friseurladen. 12 Wochen nach dem letzten Besuch in Berlin kommt uns der sehr gelegen. Für insgesamt 10 € bekommen wir beide einen neuen Haarschnitt und passen gleichzeitig noch den ersten Regenschauer seit Wochen im Trockenen ab. Mit neuen Look und wie immer bei Sonnenschein feiern wir tags darauf Ria’s Geburtstag. Vielen Dank für die Glückwünsche. Zur Feier des Tages gehen wir bulgarisch Essen. Als typische Vorspeise gibt es Šopska-Salat aus Tomaten, Paprika, Gurken, Zwiebeln und Petersilie und obendrauf Sirene – geriebener Weißkäse aus Schafsmilch. Sehr lecker! Die Hauptgerichte der Bulgaren sind sehr fleischlastig. Wir entscheiden uns für Huhn in Sahnesauce und gegrilltes Schwein mit Speck und Zwiebeln und je eine große Portion selbstgemachte Pommes frites. Am Ende sind wir satt und zufrieden.

Um die vielen Kalorien wieder loszuwerden fahren wir gestern auf der nur notdürftig unterhaltenen Hauptstraße ins Landesinnere Richtung Malko Tărnovo. Gleich hinter Tsarevo geht es stetig bergauf. Das dichte Blattwerk im Strandża-Gebirge schützt uns gut vor der Mittagssonne. Die Dörfer sind hier noch weitgehend unentdeckt vom Tourismus. Im Dorf Bălgari machen wir an der Dorfkirche eine Pause. Der Ort ist eines der Zentren des Feuertanzes. Auf Tafeln wird über diesen Brauch informiert. Am 3. Juni, dem Tag der Heiligen Elena und Konstantin, werden bei Anbruch der Dunkelheit auf dem Dorfplatz Feuertänze auf glühenden Kohlen aufgeführt, ein althergebrachter heidnisch-christlicher Ritus. Bis dahin hoffen wir jedoch, dass unsere Füße vom eifrigen Tritt in die Pedalen glühen und wir samt Reisegepäck wieder auf unseren Rädern sitzen….

 

Meeresrauschen im Ohr

Sozopol/ Bulgarien
47. Reisetag
1323 km

Sommer, Sonne, blaues Meer! Als wir uns auf Rumäniens Straßen über so manch üble Schlaglochpiste quälten hatten wir vom Blick aufs Schwarze Meer geträumt.

Und nun liegen war am Strand und schauen entspannt auf die Wasserfläche. In Sozopol haben wir ein schönes Hotel in der malerischen Altstadt gefunden und uns für 2 Nächte einquartiert. Der Ort wurde bereits 610 v. Chr. als erste griechische Siedlung an der Westküste des Schwarzen Meeres gegründet. Davon ist heute allerdings nichts mehr zu sehen. Das Stadtbild wird vor allem durch Häuser aus der sogenannten Wiedergeburtszeit (Mitte 18. – Ende 19. Jh.) bestimmt. Die engen, steilen, kopfsteingepflasterten Gassen auf der felsigen Halbinsel führen vorbei an überwiegend aus Naturstein mit Holzaufbau errichteten zweistöckigen Häusern. Die Neustadt auf dem Festland ist dagegen eher der Standort zahlreicher Hotelburgen. Obwohl es locker 28°C im Schatten sind ist die Saison hier noch nicht eröffnet. Überall wird auf den letzten Drücker noch gebaut und gebohrt. Wir genießen den freien Tag am Meer und nehmen ein erfrischendes Bad. Während wir uns am fast menschenleeren Strand die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, wandern die Gedanken schon voraus. Noch gut 450 km sind es bis nach Istanbul, der erste „Fixpunkt“ unserer Reise. Die Strecke bis dorthin hat es aber in sich, sowohl was die Steigungen angeht als auch den Verkehr. Wir werden gute Beine und Nerven brauchen bis wir die 13. Millionen-Metropole erreicht haben.

Besonders bei mir (Oliver) stellen sich derzeit wieder einige Fragezeichen. Auf der letzten Etappe von Rumänien nach Bulgarien haben sich wieder Knieschmerzen eingestellt. Dieses Mal ist das rechte Knie betroffen. Um eine erneute längere Zwangspause möglichst zu vermeiden, hatten wir kurzerhand die Verkehrsmittel auf dem Weg ans Schwarze Meer gewechselt. Von Silistra sind wir mit Zug und Bus bis nach Burgas bzw. Sozopol gefahren. Besonders die Bahnfahrt war ein Erlebnis. Die Zugverbindung Silistra – Burgas fährt nur einmal täglich – um 4:45 Uhr. Für uns hieß das, um 2:00 Uhr aufstehen. Die Fahrt dauerte insgesamt 10 Stunden. Im Zick-Zack-Kurs ging es, teilweise im Schritttempo – durch den Osten Bulgariens. Das Streckennetz des Landes ist recht veraltet, die Züge teilweise museumsreif. Dreimal mussten wir umsteigen. Als wir gegen 15:00 Uhr Burgas endlich erreichten, waren wir erleichtert, wieder auf unseren Rädern sitzen zu können.

Heute geht es bei strahlendem Sonnenschein an der Küstenstraße entlang, bevor wir bei Carevo „abbiegen“ und uns auf einer schmalen und nur notdürftig in Stand gehaltenen Straße rund 700 Höhenmeter zur bulgarisch-türkischen Grenze hochquälen werden.

Rumänische Gastfreundschaft

Rumänien

Valentins Lachen ist sofort ansteckend. Strahlend kommt er uns entgegen. Auf dem Rücken noch sein Rucksack vom letzten Backpacking-Trip. Gemeinsam mit seinen Eltern wohnt er in einem Plattenbau im Zentrum Curtea de Arges. Die Wohnung ist sehr einfach eingerichtet. Die Gastfreundschaft und Wärme der Familie Florin ist dafür um so größer. Eigentlich sind nicht genug Betten vorhanden. Aber alles kein Problem. Extra für uns ist die Mutter ausgezogen, damit wir und Valentin Schlafplätze haben. Wir bekommen sein Zimmer.

Nachdem wir unsere Räder und Packtaschen in den 4. Stock gewuchtet haben gibt es ein rumänisches Abendbrot, das traditionell mit einer Supa beginnt. Bei uns ist es eine Ciorba de Legume, eine Gemüsesuppe. Anschließend gibt es die berühmten Sarmale, Krautwickel aus sauer eingelegten Weißkohlblättern mit einer würzigen Hackfleischfüllung. Zum Abschluss bekommen wir jeder ein Stück leckere Cremetorte.

Während wir die letzten Stücke davon verspeisen füllt sich die Küche nach und nach mit Valentins Freunden. Herzlich werden wir begrüßt. Obwohl wir 80 anstrengende Kilometer in Beinen haben, verspüren wir keine Müdigkeit. Die ausgelassene Stimmung der jungen Leute ist ansteckend. Und so gehen wir gemeinsam mit Vladi, Adrian, Giggi, Klaus, Ioan und Andrei in ihr Stammlokal. Wir sind ihre Gäste und werden eingeladen. Es ist ihnen wichtig, dass wir eine gute Zeit in Rumänien haben. Und die haben wir heute Abend ganz besonders. Ausgelassen singen, tanzen und lachen wir bis in den Morgen. Als wir uns ins Bett legen, geht die Sonne gerade wieder über Curtea de Arges auf…

Auch der folgende Tag ist voll positiver Überraschungen. Zunächst besuchen wir das sehenswerte Kloster der ehemaligen Fürstenstadt. Anschließend wollen wir ein Stück der berühmtesten Passstraße Rumäniens – der Transfăgărășan – mit dem Auto fahren. Leider kann Andrei, der uns fahren wollte, nicht, da er einen Termin hat. Aber alles kein Problem. Valentin ruft einen anderen Freund an. 10 Minuten später holt uns Emilian mit seinem Auto ab. Gemeinsam fahren wir auf rumänische Art – sprich mit 100 Sachen und mehr – die Nationalstraße 7 C in Serpentinen zum Vidraru-Stausee hinauf. Die Talsperre ist beeindruckend, 166 hoch und 305 m lang. Sie wurde gebaut, um Strom aus Wasserkraft zu erzeugen. Im Sommer kann man von der Staumauer Bungee-Sprünge machen. Auf der Rückfahrt besichtigen wir das eingentlich nicht zugängliche Wasserkraftwert (alles kein Problem) und machen einen Kaffeestop bei Freunden Emilians. Zurück bei den Florins bringt uns Andrei selbstgemachte Waffeln vorbei. Den Abend lassen wir gemeinsam entspannt in einem Lokal ausklingen. Als wir am nächsten Morgen feststellen, dass wir noch keine Postkarten vom berühmten Kloster gekauft haben, werden wir spontan hingefahren. Alles kein Problem …

Damit enden 2 wunderschöne Tage mit Valentin. Der Abschied fällt uns schwer. Nach einer letzten herzlichen Umarmung steigen wir auf unsere Räder, bewegt von so viel Gastfreundschaft.

Ab in die Walachei

Oltenita / Rumänien
41. Reisetag
1192 km

Am vergangenen Sonntag verließen wir Sibiu auf der E81 und fuhren entlang des Flusses Olt Richtung Süden. Der 670 km lange Olt hat im Laufe der Zeit eine tiefe Schneise in die Südkarpaten gefressen und hierdurch eine der wenigen flacheren Nord-Süd-Passagen geschaffen. Auf den ersten Kilometern haben wir einen fantastischen Blick auf das gewaltige Massiv der schneebedeckten Karpaten, die auch die Transsylvanischen Alpen genannt werden. Im Zentrum des Fagaras-Gebirges erhebt sich der Muldoveanu, mit 2.544 m der höchste Berg Rumäniens. Das Gebirge ist schroff, felsig und hochalpin. Kristalliner Schiefer bestimmt das Bild. Die Fahrt durch das Tal ist zunächst wenig spektakulär. Bewaldete Hügel erheben sich links und rechts, der lehmige Olt fließt ruhig dahin. Schiffbar ist er nicht. Die Straße ist für eine Europastraße recht schmal und wir sind froh, dass heute Sonntag ist und nur wenige Lkw’s uns überholen. Erst zum Ende hin wird es spektakulärer. Das Tal verengt sich zunehmend, steile Felswände erheben sich jetzt zu beiden Seiten. Der Himmel erhöht noch die Dramatik. Dunkle Wolken verkünden ein drohendes Gewitter. Wir erreichen Brezoi jedoch im Trockenen.

Einen Tag darauf geht es durch das hügelige Karpatenvorland. Der 2. Teil des Streckenabschnitts ist anstrengend und schweißtreibend. Bei bis zu 13 % Steigungen müssen wir zum ersten Mal unsere Räder ein Stück weit schieben. Zusätzlich setzen uns die Hunde (wie schon am Vortag und in den darauffolgenden) immer wieder zu. In der Regel liegen sie friedlich am Straßenrand, viele in einem beklagenswerten Zustand. Einige jedoch, besonders im Rudel, haben es auf uns abgesehen. Urplötzlich tauchen sie neben den Rädern auf und jagen uns bellend hinterher. Da hilft nur wider dem eigenen „Fluchtinstinkt“ die Nerven bewahren, anhalten, die Meute anschreien, im Blick behalten und langsam weiterlaufen. Nicht immer leicht zu praktizieren, wenn neben einem der Verkehr vorbeirast oder man an einer Steigung aus den Klickpedalen kommen muss.

Am Abend erreichen wir schließlich Curtea de Arges. Die alte Fürstenstadt und einstige Hauptstadt der Walachei hat ein hervorragend erhaltenes Kloster, das zu den schönsten Sakralbauten Rumäniens gehört. Am Ende einer Kastanienallee liegt das Kloster in einem Park, der wie eine Oase in der trubeligen Stadt ist. Wie gestern erst fertig gestellt wirkt auf uns der Bau, der türkische und arabische Einflüsse an der Fassade miteinander verbindet. In der nahe gelegenen Fürstenkirche des Hl. Nikolaus, eine der ältesten Rumäniens (1352), können die Gläubigen auf Zetteln ihre Wünsche notieren und mit einer Geldspende dem Ganzen „Nachdruck“ verleihen.

Über die Industriestadt Pitesti (hier läuft der DACIA von den Bändern, das einzige Auto, das jemals in Rumänien hergestellt wurde) geht es am Mittwoch in die große Walachei (Muntenien), die die Rumänen auch „Tara Romaneasca“, „Das rumänische Land“ nennen. Das historische Stammland Rumäniens rund um die Hauptstadt Bukarest ist landschaftlich und kulturell nicht so abwechslungsreich. Dafür haben die ursprünglichen, bunten Dörfer ihren Reiz. Schon früh am Morgen erwachen sie zu Leben. Viele Einwohner machen sich mit Sichel und Harke gerade auf den Weg zu den Feldern. Die Dorfkinder schultern ihre Schulranzen und rufen laut „bicicleta“, wenn wir an ihnen vorbeifahren. Dorfpriester ziehen mit wehendem Gewand durch den Ort und segnen die Häuser. Der Duft von blühender Akazie liegt in der Luft. Alles mögliche „Federvieh“ ist auf den Beinen. Gänse, Perlhühner, Truthähne und Enten streifen durch die Straßen. Kühe, Ziegen, Esel und Pferde grasen das frische Grün am Wegesrand. Vor den Häusern sitzen die Alten auf ihren Bänken und schauen dem Treiben zu. Ein bischen kommen wir uns vor, wie aus der “Zeit gefallen”.

Außerhalb der Ortschaften ist der Blick über den Lenker stets derselbe: endlos wogende Getreidefelder so weit das Auge reicht. So flach, wie man geheim annimmt, ist die südliche Ebene aber nicht. Immer wieder haben wir kurze aber knackige Anstiege. In den letzten 3 Tagen sind wir 270 km fahren und dennoch nicht so schnell vorangekommen wie gedacht. Starker Ostwind und teilweise üble Sand- und Schlaglochpisten verhindern ein schnelleres Vorwärtskommen. Im Süden des Landes sind die Straßen oftmals ein einziges Überraschungsei und die Klassifizierung auf unserer Straßenkarte hilft nur wenig. So kann es durchaus passieren, das bester Asphaltbelag und Schotterpiste unvorhersehbar wechseln, selbst auf Hauptstraßen, die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdienen. Und so sitzen wir bis kurz vor Sonnenuntergang im Sattel um wenigstens halbwegs das Tagespensum zu schaffen. Immerhin werden wir in der letzten Nacht mit einem „Bett im Kornfeld“ belohnt. Abseits der Dörfer schlafen wir bestens und starten bereits um 8 Uhr morgens, um zumindest in den ersten Stunden bei angenehmen Temperaturen unterwegs zu sein. Das Wetter ist immer noch hochsommerlich und Mittags sind es 28 – 30 °C im Schatten. Von der bulgarischen Grenze sind wir in Oltenita nur noch einen „Steinwurf“ entfernt. Morgen fahren wir aber noch 70 km auf der rumänischen Seite, bevor wir die Donau bei Silistra passieren und damit auch die Grenze zu Bulgarien.

Osternacht in Sibiu

Sibiu / Rumänien 

Es ist kurz vor Mitternacht an diesem Samstag. Nach einem nächtlichen Besuch der Altstadt Sibius kommen wir genau zur richtigen Zeit an der Kathedrale „Heilige Dreifaltigkeit“ an, um den Beginn der Osternacht mitzuerleben. Über 85 % der Rumänen sind in der Orthodoxie verwurzelt.

Der Diözesanbischof des Bistums von Sibiu begibt sich gerade mit seinen Priestern und Diakonen feierlich in die Orthodoxe Kathedrale. Das Portal ist in ein warmes Licht gehüllt, von den Kirchtürmen erklingen die Glocken. Vor dem Eingangsportal und in der Straße haben sich hunderte Gläubige versammelt. Sie alle wollen dem Höhepunkt der orthodoxen Osterfeiern beiwohnen – der Zeremonie des „Heiligen Feuers“.

Dem Glauben nach entzünden sich Kerzen an einem Licht, das nur zu Ostern am Grabe Jesu Christi erscheint. Die Flammen sind ein Symbol dafür, dass Jesus noch immer unter den Menschen weilt.

Wenige Minuten nach dem Eintritt in das Gotteshaus erscheint der Diözesanbischof erneut – sichtbar hebt er das Feuer in die Höhe. Zusammen mit den anderen geistlichen Würdenträgern begibt er sich in einer Prozession um die Kathedrale. Viele Gläubige folgen. Man entzündet sich gegenseitig die Kerzen bis schließlich die Menge in ein Lichtermeer getaucht ist. Psalme werden gesangartig rezitiert und wann immer die Dreifaltigkeit (die Einheit von Gott, Vater und Sohn) erwähnt wird, bekreuzigt sich die Gemeinde. Schließlich erklingt von der Balustrade der achttönige Gesang des Chors “Christus ist auferstanden”. Die Gläubigen um uns herum stimmen leise ein.

Es ist eine besondere Atmosphäre – feierlich und doch entspannt. Der Gottesdienst wird erst in den Morgenstunden enden. Wir verlassen die Szenerie, berührt vom Lichterglanz und den Gesängen.

Nun fragt sich sicherlich der ein oder andere Leser, wieso erst jetzt Ostern bei den Orthodoxen gefeiert wird. Das liegt daran, dass die Anhänger der Ostkirche das Osterdatum noch nach dem julianischen Kalender berechnen, der dem gregorianischen „hinterherhinkt“. So kommt es, dass wir das dreitägige Osterfest „Paste“ – der höchste Feiertag des orthodoxen Kirchenjahres – in Siebenbürgen miterleben können. Schon die letzten Tage kündigten überdimensionale Eier in Parks und auf Plätzen der Städte vom bevorstehenden Fest. Und in den Supermärkten wurden palettenweise Eier, Mehl und jede Menge Hefe gekauft um in den Familien Osterbrote und Pasca (einen Hefekranz) zu backen, die in dieser Osternacht in die Kirchen mitgebracht werden, um sie segnen zu lassen.

Im Herzen Rumäniens

Sibiu / Rumänien
35. Reisetag
780 km

 Eine Woche nach dem Passieren der Grenze sind wir in der Mitte Rumäniens – in Transsilvanien (Siebenbürgen) – angekommen. Das hügelige Hochland im südlichen Karpatenraum hat viel mehr zu bieten als das gängige Dracula-Klischee.

Die Region ist vor allem durch Landwirtschaft, Holzverarbeitung, Abbau von Eisenerz und Steinen geprägt. Abseits der Städte leben die Menschen noch im Rhythmus und Einklang mit der Natur. Agro-Industrie gibt es nicht, Flurbereinigung wie in Deutschland hat hier nie stattgefunden. Überall werden kleine zerstreute Flächen von Bauern bewirtschaftet. Schon früh am Morgen grüßen sie uns mit einem freundlichen „Buna Ziua!“ („Guten Morgen“) vom Feld. Pferdefuhrwerke sind hier noch täglich zu sehen und auch auf den Feldern helfen die Pferde beim Pflügen der Erde. In den Dörfern haben die Hühner noch allen Auslauf den ihr Hühnerherz begehrt. Schweine, Kühe und Truthähne wandern munter durchs Dorf. Die meisten Hunde dösen zum Glück in der Sonne und sind zu müde, um uns hinterher zu jagen.

Das Leben in den Städten dagegen ist hektischer, der Verkehr deutlich stärker, überall wird irgendwie irgendwo gebuddelt oder gebaut. So kann es einem schon mal passieren, dass mitten im Zentrum von Sebis die Straße aufgebrochen ist, neu geteert wird und der Verkehr sich links und rechts der ungesicherten Baustelle in Eigenregie vorbeiquält. Große, graue Plattenbausiedlungen und verfallene Industrieanlagen zeugen vom Versuch Caucescus bürgerliche Wohnstrukturen zu beseitigen und aus dem bäuerlichen Rumänien mit aller Macht einen sozialistischen Industriestaat zu formen. Die Stadtkerne sind zum Glück oft noch erhalten geblieben und kommen einem in Siebenbürgen vertraut vor. Der Einfluss der sächsischen Siedler ist überall im Stadtbild und den doppelten Namensbezeichnungen (Deva [Diemrich], Sebes [Mühlbach], Sibiu [Hermannstadt]) noch erkennbar. Dieser krasse Gegensatz von Alt und Neu hat seinen Reiz und es gibt viel vom Rad aus zu sehen. Insgesamt ist Rumänien für uns schon exotischer als noch Ungarn aber nicht befremdlicher. Die Menschen sind hier weniger reserviert, viele grüßen freundlich und wünschen „Drum bun!“ eine „Gute Reise“.

Und die haben wir. Erster Höhepunkt war eine Zeltnacht in den Westkarpaten mit Blick auf das markante Bihor-Gebirge und den schneebedeckten 1.849 m hohen Curcubáta Mare. Nach der flachen pannonische Tiefebene ließen uns der erste Pass (461 m) und zahlreiche kurze aber kräftige Anstiege bei hochsommerlichen 36 °C in der Sonne mächtig ins Schwitzen kommen. Nach einem heftigen Gewitter an der Mures, dass uns erwischte, als wir gerade vor unserem Zelt unser Abendbrot essen wollten, ist die Luft etwas klarer, aber immer noch heiß.

Die Straßen im Land sind bisher meist besser als befürchtet. Zwar wechselt die Qualität häufig, aber insgesamt lässt es sich ganz gut fahren. Lediglich die Strecke von Sebes nach Sibiu auf der E68/81 war kein Vergnügen und nervenaufreibend. Ein Anstieg nach dem anderen (7 – 8 %) mussten wir uns auf dem verdreckten und ausgefahren Straßenrand hochkämpfen, während neben uns die Lkw’s teilweise mit Minimalabstand vorbeisausten. Als wir spät am Abend nach über 90 km Sibiu erreichten waren wir fix und fertig. Und wie zur Belohnung dürften wir die letzten 3 km auf dem ersten Radweg in Rumäniens fahren. Welche Wohltat! In der Stadt haben wir uns für 2 Tage ein Zimmer in einer Pension genommen, um etwas von den  Osterfeierlichkeiten mitzubekommen.

Die Kinder von Tipar

Rumänien
Tipar

 

Neugierige Augenpaare sehen uns an. Interessiert werden unsere Fahrräder begutachtet, vor Rias Kamera posieren die Jungs. Mit einem strahlenden Lächeln und freundlichen „Tschau!“ geben uns die Kinder zur Begrüßung die Hand. Wir sind in Tipar angekommen – ein 1000-Seelendorf nördlich von Timisoara.

Stefanie und Ramon nehmen uns für eine Nacht bei sich auf. Im Garten verbringen wir, zusammen mit Hühnern, einem Hahn und 2 Ziegen, einen entspannten Abend bei Pasta, den nur die zahlreichen Mücken stören.

Stefanie lebt in Tipar seit 7 Jahren. Zusammen mit einem Freund hat sie 2006 den gemeinnützigen Verein Satul Nostru e.V. gegründet und wenig später im Dorf das Jugendhaus “Casa Tineretului” ins Leben gerufen, das allen Kindern von Tipar offen steht – auch den Roma-Kindern, was in Rumänien keine Selbstverständlichkeit ist.

Die Roma sind nach den Ungarn die zweitgrößte Minderheit im Land, ihre alltägliche Benachteiligung ist aber weitaus größer als die anderer Ethnien. Von weiten Teilen der rumänischen Öffentlichkeit werden Roma nach wie vor ausgegrenzt. Ein Großteil von ihnen ist arbeitslos, Diskriminierungen bei der Arbeitsplatzsuche sind an der Tagesordnung. Auch 24 Jahre nach dem Sturz Ceausescus bezahlen viele Roma für den Plan des Diktators, aus dem Agrarland Rumänien mit allen Mitteln eine sozialistische Industrienation zu formen. Man verweigerte ihnen die Gewerbeerlaubnis, verbot privaten Kleinhandel und das für die Saisonarbeiter grundlegende Nomadentum. zusammengepfercht in verslumten Wohnsilos am Rande der Dörfer und Städte, konnten sie ihre traditionellen Berufe in der Landwirtschaft und im Kleingewerbe nicht mehr ausüben. So entstand ein verhängnisvoller Kreislauf aus Ausgrenzung, Verwahrlosung und Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge, der bis heute vielerorts anhält.

Auch die Roma von Tipar leben am Ende des Ortes, separiert von den anderen Einwohnern (im Dorf leben 5 Ethnien – Rumänen, Roma, Ungarn, Slowaken und Deutsche), in einem Slum ohne fließend Wasser. Ablehnung und Ausgrenzung sind auch hier noch immer spürbar. Ihre eigene Aussichtslosigkeit, mangelnde Chancen und schulische Möglichkeiten haben bei den Roma Spuren hinterlassen. Lethargie und Gleichmut bestimmen den Alltag.

Als wir zusammen mit Stefanie und Ramon das Viertel besuchen sind wir geschockt von den Lebensumständen, in denen die Kinder aufwachsen. Nur 3 Autostunden von Wien entfernt scheinen wir – mitten in Europa – in einer anderen Welt zu sein. Bittere Armut und katastrophale hygienische Zustände herrschen im Viertel. Unser Besuch ist nur kurz und doch vermittelt er uns eine Ahnung vom Leben der Roma an Rande der Gesellschaft.

Mit ihrem Jugendhaus, das ausdrücklich allen Kindern von Tipar offen steht, hat Stefanie einen Platz geschaffen, an dem Ausgrenzung keinen Platz hat, wo die Kinder gegenseitigen Respekt und Achtsamkeit lernen können und wo die Kinder von Tipar einfach nur „Kindsein“ dürfen und mit ihren Bedürfnissen ernst genommen werden. Der unaufhörliche Zirkel von Ausgrenzung und Diskriminierung wird hier durchbrochen. Die Kinder und Jugendlichen können Tischtennis und Kicker spielen, Einrad fahren, sich in Akrobatik üben und kreativ sein. Wichtige Erfahrungen, um das Gespür für ihre Fähigkeiten, ihren Wert und ihre Würde zu stärken.

Diese wichtige Arbeit von Satul Nostru Deutschland e.V. und von Stefanie in Tipar wollen wir unterstützen. Gerne würden die Kinder einmal ein Ferienlager im Sommer erleben, am offenen Feuer kochen, in der Natur zelten, ein paar unbeschwerte Tage erleben. Um diesen Wunsch erfüllen zu können, fehlen noch finanzielle Mittel. Wir wollen daher für das Projekt 500 € an Spendengeldern sammeln. Den Anfang machen wir mit einem Sockelbetrag in der Hoffnung das viele kleine und große Spenden folgen und so der Traum der Kinder von Tipar noch diesen Sommer in Erfüllung geht.

Spenden können direkt auf das Konto des Vereins Satul Nostru Deutschland e.V.

Konto-Nr.: 12503241

BLZ: 68050101

Sparkasse Freiburg

überwiesen werden. Bitte gebt das Stichwort „Zeltlager“ an. Auch Sachspenden (Zelte, Matten o.ä.) werden vom Satul Nostru Deutschland e.V. gern entgegen genommen. Auf unserer Homepage informieren wir über den jeweils aktuellen Spendenstand.

Wer sich genauer über den Verein und seine Arbeit informieren möchte, kann dies auf www.satulnostru.de tun.