Endspurt in Kirgistan

Bishkek / Kirgisistan kyrgyzstan
193. Reisetag
5.929 km, 43.160 hm
(Bericht vom 09.10.2013)

kirgisische Schulmädchen Die Einreise nach Kirgisistan verläuft problemlos. Die Grenzer sind mehr mit Backgammon als mit uns beschäftigt. Nach nicht einmal 20 Minuten haben wir die Stempel in unseren Pässen und nehmen das letzte Drittel des offiziellen Pamir-Highways unter die Reifen.

Die Abfahrt nach Sary-Tash, dem ersten Bergdorf auf kirgisischer Seite, ist ein echter Genuss. Locker tretend rollen wir ins Tal, genießen noch einmal die eindrucksvolle Bergkulisse und die Abendsonne. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Sary-Tash. Der Ort selber ist leider noch genauso trostlos wie die letzten Ortschaften in Tadschikistan. Abseits der Hauptstraße finden wir ein Guesthouse. Das Werbeschild verspricht viel: moderne Dusche und Toilette, Essen satt und tolle Betten! Leider stimmt davon nichts. Dusche Fehlanzeige, Wasser ebenso… Das Essen macht nicht satt, die Betten sind dünne Matratzen, das Zimmer ist kalt und die Toilette ein Plumpsklo hinter’m Heuhaufen. Für den „Komfort“ möchte die missmutige Hausherrin schlappe 13 $/p.P. Nach einigem Hin und Her gibt sie uns das Zimmer für 10 $/p.P. Das Wasser müssen Christian und ich in der Dunkelheit vom 2 km entfernten Fluss holen. Als wir uns dann etwas erfrischt und ziemlich erschöpft zur Ruhe legen wollen, entdecken wir jede Menge Wanzen im Zimmer. In einem Glas sichern wir 20 Stück als „Corpus Delicti“ und bezahlen am nächsten Morgen noch 7 $ pro Person. Immer noch genug für das Gebotene.

Gleich hinter Sary-Tash geht es wieder in einen langen Anstieg. Wie auch Tadschikistan ist das Land von Bergen dominiert. Über den Pass „40 Jahre Kirgisistan“ (3.550 m) [die 40 Jahre sind uns schleierhaft. Am 31.08. feierte das Land 22 Jahre Unabhängigkeit], den Taldyk-Pass (3.615 m) und den Chrychryk-Pass (2.389 m) radeln wir 200 km auf gutem, chinesischem Asphalt. Die abwechslungsreiche Landschaft mit Hochgebirgen, Seen und weiten Bergwiesen mit frei herumlaufenden Pferden lässt keine Langeweile aufkommen. Unzählige Male passieren wir Schaf- und Kuhherden, die von den Hochweiden auf der Hauptverkehrsachse in die Täler getrieben werden. In den Abfahrten erreichen wir „60 Sachen“ und mehr und können mal wieder richtig „Tempo machen“. Sobald uns Kinder sehen, rennen sie „Hello, hello!“ rufend an den Straßenrand und wollen unsere Hände abklatschen. Nicht immer können wir einschlagen, da der Individualverkehr deutlich stärker ist als noch in Tadschikistan. Vor allem unzählige, völlig überladene Pritschenwagen mit Kohle für den Winter sind unsere ständigen Begleiter. Nicht wenige davon machen in den Steigungen schlapp. In den Minimärkten ist das Angebot noch immer dürftig. Nur die Ecke mit Alkoholika ist deutlich umfangreicher. An Abnehmern mangelt es nicht. Leider haben sich in Kirgistan die sowjetischen Trinkgewohnheiten stärker gehalten, als in seinen Nachbarländern. Schon mittags torkelt so mancher Zeitgenosse mit einer übel riechenden Fahne an uns vorbei.

In Osch ist es dann aber soweit. Endlich gibt es wieder Essen satt und sogar einen türkischen Bäcker. Wir schlagen uns nach Lust und Laune die Mägen voll, verspeisen die besten Schaschlicks der bisherigen Reise und verbringen 2 Nächte im ordentlichen Hotel „De Luxe“. Für die Weiterfahrt nach Bishkek organisieren wir uns mit Hilfe zweier hilfsbereiter, deutsch sprechender, Studentinnen ein Sammeltaxi. Pünktlich um 7 Uhr steht der Kastenwagen am Hotel. Wir sichern Gepäck und Räder im Laderaum mit Riemen und dann geht es auch schon los. 11 Stunden lang kachelt unser Fahrer im Formel 1-Stil über die M41. Wann immer es geht oder auch nicht, wird überholt. Auf selbst eingebauten Sitzen und ohne Gurt läuft uns nicht nur von der Hitze der Schweiß… Beeindruckende Landschaften „fliegen“ an uns vorbei. Nach 670 km erreichen wir müde und erschöpft die Hauptstadt Kirgistans. Bei Gulnara und Talant kommen wir für 10 Tage unter. Jeden Morgen gibt es leckere, selbstgemachte Marmelade mit Omelette und auch nach dem Abendbrot gehen wir nie hungrig ins Bett. Die Völlerei bleibt nicht ohne Folgen. Wir erreichen unser altes Kampfgewicht wieder :-)

Mit der Marschrutka, Bishkeks Minibussen, die man einfach per Handzeichen anhalten kann, fahren wir für 10 Somoni (ca. 23 Cent) ins Zentrum. Die Hauptstraßen sind chronisch verstopft. Und wenn für dunkel getönte Luxuslimousinen hunderte Polizisten alles absperren, liegt der Verkehr minutenlang lahm… Jeden Tag sind die umliegenden Berge nur im Dunst zu sehen. Die Architektur der Innenstadt ist eindeutig sowjetisch und von Beton dominiert. Dennoch ist Bishkek im Gegensatz zu anderen Städten mit ähnlicher Vorgeschichte nicht gesichtslos und trist. Zahllose Alleen und Parks verleihen der Stadt ein grünes Gewandt und im Zentrum laden breite schattige Boulevards zum Flanieren ein. Wir genießen das entspannte Treiben in der Metropole und die hochsommerlichen Temperaturen von 30 °C. Bishkek wirkt auf uns jung und modern. Viele Studenten leben hier. Erstaunlich oft werden wir auf Deutsch angesprochen. Die meisten haben die Sprache in der Schule oder Uni gelernt und fast jeder möchte in Deutschland einmal arbeiten oder studieren.

Waren wir auf dem Pamir-Highway im wahrsten Sinne des Wortes nur einen „Steinwurf“ von China entfernt (manchmal kein 20 m) so bleibt uns unser nächstes geplantes Reiseland dennoch leider verschlossen. Das „Reich der Mitte“ vergibt seit 13. August in Zentralasien keine Visa an Individualreisende mehr.

Gezwungenermaßen verlassen wir am 09. Oktober mit dem Flieger Kirgistan. Einen Tag lang haben wir Verpackungsmaterial für unsere Räder gesucht, alles bestens verpackt und – um ja nicht in Zeitdruck zu geraten – sind wir bereits 4 Stunden vor dem Abflug am Airport. Allerdings haben wir nicht den „verschärften“ Sicherheitscheck in unsere Zeitkalkulation mit eingerechnet. Das Personal will die Räder nicht in den Kartons durch die Scanner schieben und besteht darauf, dass wir alles noch mal auspacken. Geschlagene 90 min. diskutieren wir. Ein Scanner scannt, ob mit oder ohne Karton! … Man versteht uns nicht oder will es nicht. Letztendlich rennt uns die Zeit davon. Wir geben nach. Unter den amüsierten Blicken des Personals packen wir alles wieder aus und ein. Zum Glück haben wir den Rest Folie und Klebeband noch mitgenommen, so dass wir unsere Drahtesel wieder halbwegs gut verpackt kriegen. 5 Minuten vor Ende des Check-Ins sind wir fertig – fix und fertig. Den Abschied aus Zentralasien hatten wir uns entspannter vorgestellt. Nach einem Zwischenstopp in Almaty hebt unser Flieger um 01:00 Uhr nachts Richtung Thailand ab. Prächtig Tempelbauten, lächelnde Menschen, gutes Essen und subtropische Temperaturen. Das sind die ersten Bilder und Vorstellungen, die wir von unserem 10. Reiseland haben. In nicht einmal 7 Stunden werden wir in Bangkok sein. Irgendwie irreal, nach 6 Monaten auf dem Rad gen Osten so beschleunigt zu werden.

 

Über das “Dach der Welt”

Pamir-Highway / Tadschikistan tajikistan
. 183. Reisetag
5929 km, 43.160 hm
(Bericht vom 29.09.2013)

P1120240 (Mittel) Auf über dreieinhalbtausend Metern windet sich die Piste über das Hochplateau. Zur Linken und Rechten erheben sich gewaltige Gebirgsmassive. Berauschende Landschaften in einem prächtigen Farbenspiel ziehen an uns vorbei. Hier oben atmet alles Ewigkeit.

Wir sind am südlichsten Zipfel Tadschikistans angelangt, unterwegs auf dem legendären Pamir-Highway. Die zweithöchste Fernstraße der Welt, 1932 fertiggestellt, ist bis heute Lebensader der Region. Das Pamir-Gebirge, dass die Tadschiken “Bam-I-Danja”, das “Dach der Welt”, nennen, verbindet einige der größten Gebirgszüge Asiens: Karakorum (Süden), Tianshan (Norden), Kunlun Shan (Südosten) und Hindukusch (Südwesten). Im Osten des Pamir schließt das Hochland von Tibet an.

Von Chorug aus folgen wir dem Lauf des Gunt. Der Fluss und das enge Tal lassen nur wenig Platz zum Ackerbau. Hockend und in mühsamer Handarbeit bewirtschaften die Menschen auf schmalen Feldern den harten Boden. Das Blätterwerk der Bäume verfärbt sich langsam in herbstliche Farben. Zu Beginn passieren wir noch mehrere Dörfer. Es werden die letzten für längere Zeit sein. Auf den Hochplateaus des Pamir gibt es nur ganz wenige, weit entfernt liegende Orte, der Rest ist pure Einsamkeit. Die Strecke steigt von 2.000 m ü.d.M kontinuierlich an. Gut, um uns an die extreme Höhe zu gewöhnen.

Mit zunehmender Fahrtdauer werden die Berge schroffer und höher. Immer öfter sind die Bergkuppen mit Schnee bedeckt. An den Hängen entdecken wir Gletscher. Kurz vor dem ersten Pass zelten wir auf 3.850 m. Wir schlafen gut. Mit der Höhe haben wir nie ernsthafte Probleme.

Am nächsten Morgen ist es empfindlich kalt. Warm eingepackt steigen wir auf unsere Räder. Nach 5 km endet der Asphalt. Eine grobe Sand- und Schotterpiste führt uns auf den ersten 4.000er Pass. In steilen Spitzkehren geht’s mächtig zur Sache. Auf einigen Passagen müssen wir unsere Räder schieben, so steil ist die Piste in den Hang gebaut. Unser Atem geht schnell und kurz. Zum ersten Mal spüren wir den geringeren Sauerstoffgehalt. Zur dünnen Luft kommt noch der hohe Temperaturunterschied zwischen Sonne und Schatten. Sobald sich der Himmel bewölkt fällt das Thermometer um 10 °C. Quietschend und polternd hüllen uns die großen, chinesischen Sattelschlepper in dicke Staubwolken ein. Gegen 11 Uhr sind wir auf dem Koi Tezek Pass – 4.272 m Seehöhe. Die Vegetation hat deutlich abgenommen. Die Baumgrenze liegt hier bei 3.700 m. An die Stelle enger Schluchten treten weite Hochebenen. Steinadler und riesige Schneegeier kreisen am stahlblauen Himmel, elegant die Thermik nutzend. Scheue Murmeltiere nehmen pfeifend Reißaus vor uns. Gegen den schneidend kalten Wind und die stechende Sonne schützen wir uns mit Mütze und Buff. Gesicht, Hände und Lippen cremen wir mit starken Sonnenschutzmitteln ein. Nach einer ruppigen Abfahrt und etwas Asphalt geht es in den 2. Anstieg zum Tagarkak Pass (4.180 m). Erneut wird die Strecke sandig und schlecht. Die Steigungen sind jedoch moderater und besser zu fahren.

Ein paar Kilometer weiter taucht auf dem Hochplateau der Yashikul-See auf. Smaragdgrün erstreckt er sich in einer Senke, 3.700 m ü.d.M. Das Atmen fällt uns schwer, doch die majestätische Landschaft entschädigt für die Mühsal. Zum ersten Mal sehen wir die weißen Gipfel des Pamirs. Unweit des schön gelegenen Sees zelten wir in der kargen Hochgebirgswüste. Außer kleinem gelben Büschelgras wächst hier nicht viel. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen des Tages, die Einsamkeit und den Zauber der Berge. Gegen Abend peitschten Böen jede Menge Sand in unser Vorzelt. Die Nacht ist dann windstill und sternenklar.

In Alichur, einem kleinen Dorf aus Lehmhütten, versorgen wir uns mit Keksen, Wasser und Instantnudeln. Wie überall gibt es auch hier nur einfachste Läden. Nach dem Ort lässt uns kräftiger Rückenwind förmlich über die Hochebene fliegen.

Immer wieder bleiben wir stehen, um den Blick auf die teilweise vergletscherte Alichur-Kette (5.000 m) zu genießen. In der Ebene liegen weit verstreut Jurten der Pamiris. Yak- und riesige Schafherden ziehen entlang der Hänge und begrasen das karge Grün. Die Sedimentgesteine schimmern in allen möglichen Erdtönen – von Gelb über Ocker ins Braune. Leuchtendes Rot wechselt sich ab mit grauen, teilweise fast schwarzen Gesteinsschichten und steht in scharfem Kontrast zu den in schneeweiß endenden Berggipfeln. Dort, wo Wasser Leben spendet, mäandert ein grünes Band durch wüstenartiges Gelände . Wir nutzen die wenigen Wasserstellen, um unsere Flaschen aufzufüllen. Am Himmel vollziehen sich immer wieder Wetterwechsel von atemberaubender Geschwindigkeit. Sind wir eben noch in gleißendes Sonnenlicht getaucht, lassen kurz darauf drohende Gewitterwolken am Horizont Schlimmeres erwarten, um sich ebenso schnell im Nichts aufzulösen.

Vom Naizatash Pass (4.137 m) sausen wir in einer langen, kurvenreichen Abfahrt ins Tal des Murgab-Flusses. Direkt an der Straße finden wir eine halbwegs windgeschützte Stelle und stellen nach 103 Tageskilometern unser Zelt in einem ausgetrockneten Flußbett auf.

Kurz vor Murgab, dem wichtigsten Ort der Region, wird zum 2. Mal unser GBAO Permit geprüft. Ein sinnloses Stück “Papier”, das Präsident Rahmon ein paar zusätzliche Somoni in die Schatulle spült. Murgab selber strahlt eine eigentümliche Atmosphäre aus. Die geduckten, kleinen weißen Häuser wirken in der weiten Ebene wie ein Hafen ohne Meer. Doch das Panorama ist schön. Im Hintergrund erhebt sich auf chinesischer Seite der Mutztagata (7.509 m) – “Vater der Eisberge” und dritthöchster im Pamir-Gebirge.

Die Haut der Einwohner ist von der Höhensonne gegerbt und dunkel geworden. Kirgisen, die hier die Mehrzahl der 7.000 Einwohner bilden, laufen in ihren typischen Filzhüten durch die staubigen Gassen. Das Klima ist rau und die Stimmung triest. Immerhin gibt es einen kleinen Basar und damit etwas mehr Auswahl an Essbarem als die letzten Tage. In Frachtcontainern werden ein wenig Gemüse, viel Alkoholisches, Süßes und jede Menge Haushaltswaren “Made in China” verkauft. Die Cafés am Markt versprühen einen spröden Charme. Ein Blick in die Küchen lässt für unsere Mägen nichts Gutes erahnen. Doch wir sind zu hungrig, um “Vernunft” walten zu lassen. Mutig bestellen wir Kartoschka, Bortsch und Lagman. Und – oh Wunder – alles bleibt drin. Nur die Fettschwanzschaf-Suppe ist zu fettig und schafig und will nicht runter. Im Pamir-Hotel verbringen wir 2 Nächte und genießen warme Dusche und ordentliches Frühstück in kalten Räumen. Auch die örtlichen Militär- und Milizbonzen fühlen sich hier wohl und lassen sich abends vollaufen…

Der “freie Tag” geht fast vollständig für eine erneute Registrierung drauf. Ein Stück “Absurdistan” as it’s best. Obwohl wir ein 60-Tage Visum haben, müssen wir uns nach 30 Tagen erneut registrieren. Sicher wieder eine “großartige” Geschäftsidee von Mr. Rahmon. Das Ganze kostet 140 Somoni (ca. 24 €)/p.P. und erfolgt auf Formularen, die ausschließlich auf Tadschikisch sind… Nachdem wir diese Hürde nach 2 Std. mit Hilfe Einheimischer genommen haben. folgt der Besuch bei der Registrierungs”behörde”. Auch hier muss wieder jede Menge Papierkram ausgefüllt werden, dieses Mal von der Angestellten. Allerdings sind gerade die Bögen ausgegangen …. Also noch einmal am Nachmittag hin, viel Geduld mitbringen und auf Tiefenentspannung umschalten. Gegen 17 Uhr sind wir endlich – wo auch immer – registriert und halten erleichtert ein kleines Zettelchen in unseren Händen. Unsere Reise kann weitergehen.

Von Murghab fahren wir mit Danjela und Christian (Wien) weiter. Beide hatten wir schon in Dushanbe und Chorug getroffen. Gemeinsam beginnen wir den mühsamsten Anstieg der Hochgebirgsstraße. Es geht auf den Akbaital-Pass. Leider hat der Wind gedreht und bläst uns allen ordentlich ins Gesicht. Und es wird noch einmal kälter. Auch die Zeltplatzsuche wird nun schwieriger. Es gilt, einen halbwegs windgeschützten Platz zu finden. So schieben wir unsere Räder steinige Hänge hinab, um gute Plätze an Wasserläufen zu finden. Nachts sinken die Temperaturen über 4.000 m auf – 10°C. Im Zelt messe ich lauschige – 3°C… Am Morgen sind die Wasserflaschen komplett gefroren. Ausgerechnet in dieser Zeit delaminiert sich eine unserer Matten in der Mitte fast vollständig und bietet nur noch wenig Isolation gegen die Bodenkälte.

Der Akbaital Pass, höchster Punkt des Pamir-Highway, ist eine echte Herausforderung. Jeder Tritt scheint das dreifache an Kraft zu kosten. Alle 100 m müssen wir schwer atmend stehen bleiben, den Puls beruhigen. Reden tun wir kaum noch. Wir brauchen die gesamte Luft zum Gehen oder Pedalen. Gegen 14 Uhr haben wir den Pass endlich bezwungen und stehen auf 4.655 m. Nie waren wir den Sternen näher! Ewigkeit und blauer Himmel um uns herum. Das Gefühl – unbeschreiblich. Schnell machen wir ein Foto und wechseln die nassen Sachen. Ein Snickers und viel Wasser, dann müssen wir auch schon weiter. Im kalten Wind ist man trotz Sonnenschein nach wenigen Minuten ohne Bewegung durchgefroren.

Die anschließende Abfahrt (erst 25 km üble Wellblechpiste dann Asphalt) nach Karakul ist landschaftlich einmalig. Vor Jahrmillionen schuf hier ein Meteoriteneinschlag einen abflusslosen Endsee. Tiefblau schimmert der Karakul auf 4.000 m in der Sonne. In der Ferne glänzen die schneebedeckten Gipfel der Transalai-Kette. Ein gigantisches Panorama!

Der gleichnamige Ort wirkt fast schon surreal. Ein paar Flachbauten liegen verstreut auf einer vegetationsfreien Ebene. Neben einem kleinen Magazin gibt es hier sogenannte Homestays, einfachste Unterkünfte bei Gastfamilien. Wir verbringen 2 Nächte für 7 $ p.P. und Nacht, um uns von den Strapazen zu erholen. Im sogenannten “Simovka”, dem Winterzimmer, schlafen wir mit Matten der Gastgeber auf dem Boden. Das Zimmer ist mit einem kleinen Ofen ausgestattet. Allerdings gibt es nur wenig Heizmaterial. Nach 1 Stunde ist alles verbrannt, die wohlige Wärme verflogen und der Raum wieder 8°C kalt. Der Halbstrauch Teresken, der zum Heizen verwendet wird, ist in der Umgebung ausgerottet. Von weit her wird er aus den Bergen herangeschafft und ist entsprechend teuer. Wir fragen uns, womit die Menschen wohl in 10 Jahren gegen die -40°C im Winter anheizen werden…

Wasser holen sich die Einwohner mit Eiseneimern aus dem Dorfbrunnen. Elektrizität gibt es nicht. Wir haben am Abend immerhin 2 Stunden Licht dank eines Generators. Die Toilette, ein eingemauertes Plumpsklo mit “Himmelsdach”, ist 50 m vom Haus entfernt. Frühstück und Abendbrot nehmen wir im ungeheizten Vorraum ein. Im Schneidersitz hocken wir um eine erhöhte Tafel, löffeln dünne Suppe mit einer Kartoffel und träumen von heimischen Köstlichkeiten…

Gern hätten wir mehr über unsere Gastgeber, ihre Lebensumstände und Wünsche erfahren. Doch die Sprachbarriere lässt keine ausführlichere Kommunikation zu. Was wissen sie von der „Welt da draußen“, den „Segnungen“ unserer Zivilisation? Wie empfinden sie das Leben hier oben?

Auch der letzte Abschnitt zur tadschikisch-kirgischen Grenze hat es noch einmal in sich. Ein weiterer Pass bringt uns wieder auf 4.300 m. Staub wirbelt durch die Luft. Der Wind nimmt mitunter sturmartige Formen an und blässt uns eisig in die Gesichter. Selbst bergab müssen wir teilweise kräftig zutreten, um überhaupt vorwärts zu kommen. Konversation ist nur noch schreiend möglich. Die menschenleere Mondlandschaft wirkt im diffusen Tageslicht fast schon mystisch. Nach einem letzten heftigen Anstieg haben wir den tadschikischen Grenzposten erreicht. Der Empfang durch die Soldaten ist schroff und militärisch, die Verabschiedung dann fast schon herzlich. Mit Bitten und Betteln und viel Freundlichkeit haben wir es sogar noch fertig bekommen, unseren teuren Registrierungszettel als Souvenir zu behalten…

Das schönste “Souvenir” war aber die Fahrt über das “Dach der Welt”. Ein unvergessliches Abenteuer, dessen Bilder und Erlebnisse uns noch lange in Erinnerung bleiben werden.

Wer noch mehr über den Pamir und seine Bewohner erfahren will, sollte sich die nachfolgende Dokumentation ansehen, die Anfang des Jahres auf Phoenix ausgestrahlt wurde.