Die Welt ist freundlich

Gesichter

Als wir in Berlin verkündeten, dass wir für 2 Jahre mit dem Rad um die Welt fahren wollen, gab es Zuspruch und Ermutigung aber auch Unverständnis und Bedenken. Viele Fragen bezogen sich auf Verständigungsprobleme, gesundheitliche Risiken, mögliche Krankheiten, unsere Sicherheit und die Gefahren in fremden Ländern.

Seit 1 Jahr sind wir nun unterwegs. Fast 12.000 km haben wir im Sattel verbracht. Erst in Europa und Asien und nun auf dem amerikanischen Kontinent. In diesen 365 Tagen haben wir uns nicht nur körperlich von „A nach B“ bewegt. Auch in uns hat sich vieles in Bewegung gesetzt. Wir sind durchlässiger, nachdenklicher, offener geworden. Zeit, ein paar persönliche Worte zu unseren Erfahrungen zu schreiben, zur Welt, wie wir sie sehen und erleben dürfen.

In allen bisher bereisten Ländern wurden wir respektvoll behandelt, erfuhren wir Vertrauen und Gastfreundschaft, wenn wir sie annehmen konnten und Hilfe, wenn wir sie benötigten. In Ungarn arrangierten Tünde und Jozsef für mich einen Termin beim Orthopäden des örtlichen Krankenhauses. Völlig unentgeltlich wurde ich dann untersucht. In der Türkei, als wir partout keinen Platz für unser Zelt finden konnten und völlig erschöpft im Dunkeln an einer Papierfabrik klingelten, ließ man uns ohne Zögern auf dem Grundstück des Unternehmens zelten. Von den Nachtwächtern bekamen wir Obst und Getränke gebracht. Im Iran beschenkten uns Eslam und seine Familie mit großer Herzlichkeit und Wärme, nahmen uns auf, als wären wir schon immer ein Teil der Familie. Jafar lieh uns sein Smartphone 3 Tage lang aus ohne uns auch nur 2 Minuten zu kennen. In Turkmenistan besorgte uns Marat Tickets für die dringend benötigte Zugfahrt, an die wir ohne ihn niemals gekommen wären. Auch um 3:00 Uhr nachts half er uns noch am Bahnhof. In Thailand lud uns Bae von der Straße weg zu sich nach Hause ein. Gemeinsam mit der Familie kochten und aßen wir. Anschließend überließen sie uns Ihr Haus, wünschten uns eine Gute Nacht und fuhren davon. In Kambodscha räumten die Mönchsnovizen des Wat „Svay Teab“ ihren Schlafraum für uns und kauften uns auf dem Markt Essen.

Das sind nur einige, wenige Erlebnisse. Nicht zu vergessen die vielen kleinen, fast alltäglichen Hilfen und Geschenke. Wenn wir nach dem Weg fragen, nehmen sich die Menschen Zeit. Man übersetzt für uns, transportiert uns kostenlos im Auto, schenkt uns Essen und Getränke, Benzin, Glücksbringer, ein freundliches „Salaam!“, „Strastje!“, „Sabaidee!“, ein Lächeln, eine Geste.

Überall sind uns Menschen mit Neugier und Offenheit begegnet, haben uns zu sich nach Hause, zum Essen, zum Gespräch, zum Austausch von Gedanken und Erfahrungen eingeladen. Und dabei haben sie uns ein Stück ihrer Welt, ihrer Realität, ihres Reichtums gezeigt. Auch wenn wir nicht alles, was wir hören und sehen, verstehen oder mit unseren Werten und Überzeugungen teilen können, so konnten wir doch oft Freundschaft mit fremden Gedanken schließen. Dabei sind wir uns selbst, unserem Eigenen näher gekommen, weil wir durch die persönlichen Begegnungen begonnen haben, über das Fremde anders zu denken.

Natürlich gab es auch mal negative Erfahrungen, eine unangenehme Begegnung. Doch gibt es die nicht auch zu Hause? Viel betroffener als manch’ unfreundlicher Zeitgenosse oder überzogener Preis haben uns die Armut, die Ungleichverteilung der Lebenschancen und die Art und Weise gemacht, mit der wir – die Menschheit – die Erde behandeln.

Fast alle Naturschönheiten, die wir bestaunten, sind in Gefahr. Nur noch auf den ersten Blick sieht vieles intakt und unberührt aus. Was davon wird in 20, 30 Jahren noch erhalten geblieben sein? Was unwiederbringlich verloren?

Der Homo sapiens war und ist intelligent genug, eigene Kulturen und den Planeten zu zerstören. Also muss es doch auch Wege geben, die Erde zu erhalten? Den einen Masterplan, die Lösung wird es nicht geben. Aber klar ist, wenn die Welt von morgen noch halbwegs so lebenswert sein soll wie die von heute, wird nicht alles so bleiben können, wie es ist. Ein Umdenken im Großen wie im Kleinen und ein Verzicht auf eigene Vorteile muss eintreten.

Am Ende mündet unser Dreck in dasselbe Meer, verbrennen wir gemeinsam die verbliebenen Energieressourcen, atmen wir dieselbe Luft. Alles was passiert ist global.

Wenn viele Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.
(Afrikanisches Sprichwort)

Ein Stück vom Himmel (Herbert Grönemeyer)