Altiplano

La Paz / Bolivien bolivia
444. Reisetag
14.438 km / 86.431 hm
(Bericht vom 18.06.2014)

P1030918“¿Que desea?” – „Was darf’s sein?”

„ El chupe e una porcion almuerzo con arroz, camote, pasta y pollo, por favor. – Eine Suppe und ein Mittagessen mit Reis, Süßkartoffeln, Nudeln und Huhn, bitte.“

Behend aber ohne Hast schwingt Maria ihre große, silberne Schöpfkelle in die verschiedenen dampfenden Messingtöpfe. Im handumdrehen sind Schüssel und Teller randvoll gefüllt.

„Buen provecho! – Guten Appetit!“

„Gracias Maria. – Danke Maria“.

Die kleine, zierliche indigene Frau mit der sanften Stimme und den wachen Augen ist sicherlich schon an die 70 Jahre alt. Ihr feines Gesicht ist von Wind und Wetter gegerbt. Die schlohweißen Haare sind akurat unter dem Melonenhut gebunden. Maria sprüht vor Vitalität. Die mobile Garküche an der Plaza ist ihr Reich. Wer weiß, wie viele Jahrzehnte sie hier schon Tag für Tag die Einwohner von Machacamarca mit ihrer bodenständigen Küche satt macht? Verschmitzt lächelt sie uns an und als Ria ihre Suppe lobt strahlt „Dona Maria“, wie sie von allen im Ort genannt wird – und die vielen Fältchen graben sich noch etwas tiefer in ihr schönes Gesicht.

Ein Foto gestattet sie uns aber nicht. Viele indigene Frauen im Hochland glauben, dass jedes Foto ein Stück ihrer Seele raubt. Und so akzeptieren wir Marias „Nein“.

Das einfache aber durchaus schmackhafte Essen nehmen wir zusammen mit Locals auf kleinen zusammengezimmerten Bänken direkt an der Straße zu uns. Die Atmosphäre ist locker. Ganz selbstverständlich bietet man uns Plätze an. Wir fühlen uns willkommen.

„Que mas? – Darf’s noch was sein?“ „Bueno Maria! – Danke Maria!“ Wir sind satt und gewärmt und und machen uns auf die Weiterfahrt.

Graubraun und unwirtlich erstreckt sich das Altiplano im Südwesten Boliviens.

Auf fast 4.000 m wächst nicht mehr viel. Nur noch das harte, spitze Büschelgras „ichu“ und „yareta“, eine winderstandsfähige Moosart, bedeckt die Hochebene. Dazwischen jede Menge kleiner und kleinster Kakteen auf deren Stacheln wir bei unserer täglichen Zeltplatzsuche abseits der Straße immer höllisch aufpassen, um nicht bei -10°C Löcher in den Reifen flicken zu müssen.

In der andinen Höhe werde vor allem papas – Kartoffeln (die hier ihren Ursprung haben) und Getreide angebaut. In den letzten Jahren wurden wieder verstärkt die alten, aus der Inkazeit stammenden genügsamen Nahrungspflanzen Amarant und Quinoa angebaut.

Auf kleinen Parzellen ringen die Bauern in mühsamer Arbeit dem harten, trockenen Boden das Notwendigste ab. Fast alles wird von Hand gemacht. Maschinen gibt es kaum. Auch das reife Korn wird händisch geerntet. Beim Worfeln wird in stundenlanger Arbeit die Spreu vom Weizen getrennt.

Ob die Ernte gut ausfällt, das Vieh sich vermehrt, alle gesund bleiben, hängt vom Segen Pachamamas, der Mutter Erde, ab. Dieser Glaube ist in der andinen Bevölkerung bis heute lebendig und hat sich mit dem Katholizismus (der gewaltsam von den spanischen Konquistadoren eingeführt wurde) zu einem ganz speziellen Mischglauben verbunden, in dem die alten Götter und Jesu-Mutter gleichermaßen verehrt werden.

Viele Einwohner des Altiplanos leben auch heute noch in einfachen kleinen Hütte, die aus Adobeziegeln gefertigt sind und in denen es oft weder Strom noch fließend Wasser gibt.

Die Schere zwischen Arm und Reich ist gewaltig. Zwei Drittel der Bevölkerung (UN-Angaben) – praktisch alle Indigenas – leben unterhalb der Armutsgrenze, ein Viertel sogar in extremer Armut und damit von weniger als 1 USD am Tag! Die fast ausschließlich weiße Oberschicht – das dritte Drittel – führt dagegen einen am Westen ausgerichteten Lebensstil. Für die Urbevölkerung ist das Leben auch nach 9 Jahren unter Evo Morales, erster indigener Präsident und Hoffnungsträger der verarmten Urbevölkerung, ausgesprochen hart. Die Lebensverhältnisse für die verarmten Indigenas verbessern sich nur langsam. Viele schuften in Bergwerken, schlagen sich mit Gelegenheitsjobs, als Hilfsarbeiter oder fliegende Händler durch. Der Lohn reicht gerade mal zum Überleben. In den größeren Städten sehen wir viele Ältere um Almosen betteln.

Ab Challapata fahren wir gut 400 km auf der zunächst gut asphaltierten Nationalstraße N 1 über Oruro nach La Paz. Bis Oruro ist die Lebensader des Landes relativ wenig befahren. Meist haben wir einen markierten Seitenstreifen für uns. Hauptsächlich sind klapprige Linienbusse und oft überfüllte Kleinbusse, die sog. Micros, unterwegs. Private Pkw’s gibt es kaum und wenn, dann sind auch sie bis auf den letzten Platz gefüllt. Längst ist noch nicht jeder in dem armen Land motorisiert. Wer nicht mehr ins Auto passt, nimmt auf der Ladefläche der Pick Up’s und Lkw’s Platz und schützt sich mit Decken gegen den eisigen Fahrtwind. In einer Höhe von 3.500 – 4.000 m ist es zu dieser Jahreszeit bitter kalt. Stets fahren wir mit tauben Füßen und Händen los. Oft müssen wir eine feine Eisschicht von unserem Zelt abkratzen. Dazu kommt ein beständiger Wind aus Norden, der gegen Nachmittag stets zunimmt und unsere Kilometerleistung ordentlich drückt.

In Oruro (3.700 m) gönnen wir uns einen radfreien Tag und nach 1 Woche wieder mal eine heiße Dusche. Die Einfahrt gleicht einer Fahrt durch einen Wüstensturm. Von allen Seiten blässt uns der Wind Sand ins Gesicht und Getriebe. Im Zentrum herrscht dann endlich „Windstille“ und Verkehrschaos. Wir checken für 2 Nächte im Hotel „Residencia 21. Febrero“ ein. Mit der Dunkelheit erwacht der verschlafene 240.000 Einwohner-Ort zu Leben. Auf den schmalen, hohen Bordsteinen flanieren die Einwohner. Überall bauen fliegende Händler ihre Stände auf. Das Leben auf dem Mercado – dem zentralen Markt Oruros – flirrt dagegen tagsüber. Seit Asien haben wir keinen lebendigeren, reichhaltigeren, pulsierenden Markt erlebt. Es gibt praktisch nichts was es nicht gibt. Wir sind von der Angebotsvielfalt förmlich erschlagen. Schwer bepackt mit Obst, Gemüse, Nudeln, Nüssen, Haferflocken usw. kehren wir unser Hotel mit dem Charme der 60er Jahre zurück.

Der Abschnitt von Oruro bis La Paz ist dann nur noch ein einziges Ärgernis. Das erste Hindernis ist dabei noch recht unterhaltsam. 190 km südlich von La Paz zweigt in Caracollo von der Nationalstraße 1 die N 4 nach Cochabamba ab. Na und was ist daran so besonders? Besonders ist daran, dass Caracollo „strategisch“ äußerst wichtig ist. Immer wenn es im Land brodelt – und das tut es gerade wieder – ist der Ort der erste Punkt an dem Straßenblockaden errichtet werden. Und genau das geschieht als wir am 10.06.14 den Ortseingang erreichen. Nichts geht mehr. Kein Fahrzeug wird durchgelassen. Frustriert stehen die Fahrer an ihren Fahrzeugen. Reisende setzen zu Fuß mir Rolleys ihren Weg fort. Die Weggabelung ist mit Gesteinsbrocken und Ölfässern blockiert. Autoreifen brennen. Mit einem Streich ist der größte Teil des Landes blockiert. Doch so martialisch die Szenerie anmutet so locker sind die Blockierer drauf. Es wird diskutiert, Fußball gespielt, gelacht. Man grüßt uns freundlich.

Evo Morales selber hat diese Form des Protestes effektiv vor seiner Wahl genutzt. Nun muss er mit den Nachahmungen leben. Dorfbewohner, die ein neues Gesundheitszentrum oder einen Sportplatz für ihre Schule wollen, sperren eine Hauptstraße und isolieren ganze Landesteile, bis die Forderung erfüllt wird. Wir dagegen können die Blockade problemlos passieren. Und so haben wir den restlichen Tag freie Fahrt auf einer leeren N 1. Am nächsten Tag donnert der Verkehr wieder. Die Forderung (welcher Art auch immer) scheint erfüllt worden zu sein. Zu den nervenden, stinkenden Blechmonstern gesellt sich bei mir leider eine schwächende „Magen-Darm-Geschichte“. Die nächsten Tage können wir nicht mehr als 50 km am Tag fahren.

Das 2. Hindernis ist dann schon nicht mehr so amüsant wie die Blockade. Die N 1 ist hinter Oruro praktisch eine durchgehende Großbaustelle. In beiden Fahrtrichtungen soll sie in Zukunft zweispurig sein. Ein Prestigeprojekt des Präsidenten. Doch statt Stück für Stück die Fernstraße auszubauen wird an allen Stellen gleichzeitig „gewurschtelt“. Planlos und ziellos werkeln alle paar Kilometer ein paar rot gekleidete Männchen bruchstückhaft herum. Immer wieder ist die Straße für Kanäle aufgebrochen, wird der Schwerlastverkehr mitten durch schmale, kleine Ortsgassen geleitet, liegen umgestürzte Betonpolder auf der Fahrbahn, ist der Seitenstreifen durch Sandaufschüttungen für uns unbefahrbar. Hinzu kommen unzählige Umleitungen auf mit Gesteinsbrocken durchsetzten, staubigen Schlaglochpisten. Während wird alle Konzentration darauf verwenden, diese Buckelpisten materialschonend zu durchfahren, schneiden uns rücksichtslose Lkw- und Pkw-Fahrer. Unverantwortliche Überholmanöver werden riskiert als gäbe es uns gar nicht. Wie viele derartige Situationen unterschätzen und ihr Können überschätzen, davon zeugen hunderte Kreuze links und rechts der N 1. Doch scheinbar schrecken diese Mahnmale niemanden. Selbst bei dichtestem Nebel fahren viele ohne Licht und mit überhöhter Geschwindigkeit. So entspannt und zurückhaltend wir „die Bolivianer“ im Alltag erleben, so kopflos und hektisch verhalten sich viele auf der Straße. Als Ria in El Alto schließlich von einem Taxi abgedrängt wird platzt mir der Kragen. Ich brülle den Typen hinterm Steuer so lautstark zusammen, dass sich alle Augen auf uns richten. Konsterniert und wortlos starrt mich der Fahrer an. Die umstehenden Männer pflichten mir bei. Man deutet mir an ich solle den Vorfall der Polizei melden. Doch wir wollen El Alto – 30 Jahre erst alt, über 1 Million Einwohner und eine riesige Baustelle, so schnell wie möglich durchfahren und endlich in La Paz ankommen.

Und kurz darauf ist es endlich so weit. Vor uns breitet sich ein schier endloses Häusermeer in einer bizarren Landschaft aus. Von den Hängen des tief eingeschnitten Tales des Rio Choqueyapu ziehen sich unverputzte Backsteinhäuser mit Wellblechdächern in des Talkessel hinab. Mit jedem Meter weiter nach unten werden die Häuser ansehnlicher, im Zentrum ragen neben der mächtigen Basilika San Francisco Hochhäuser und Glaspaläste aus der Altstadt.

La Paz ist die am höchsten gelegene Regierungsstadt der Welt (4.100 m). Zwischen dem tiefsten und höchsten Punkt liegen 1.000 m und bis zu 10°C Temperaturdifferenz. Selbst im Sommer werden es in dieser Höhe kaum mehr als 20°C. Sobald die Dämmerung einsetzt wird es empfindlich kalt. Wo sich die Stadt noch nicht in das Tal gefressen hat ragen abstrakt anmutende, zerklüftete Säulen und Türme aus dem rötlich schimmernden Gestein, die der Regen aus dem Erdreich gewaschen hat. In der Ferne leuchten die 3 schneebedeckten Gipfel des mächtigen, 6.439 m hohen Illimani. In einer kurvenreichen Abfahrt brausen wir ins Tal des Rio Choqueyapu und durch die Vororte von La Paz … bis wir mitten in im größten Fest Boliviens – der Festividad de Nuestro Senor Jesus del Gran Poder – landen. Dieses Fest dachten wir eigentlich schon verpasst zu haben, da in unserem Reiseführer das letzte Mai- bzw. erste Juni-Wochende aufgeführt sind. Abrupt endet „El Prado“, die Hauptstraße und Lebensader der Stadt in der Festmeile und nach wenigen hundert Meter Schieben durch dichtes Gedränge ist unsere Einfahrt nach La Paz endgültig gestoppt.

Eben noch im staubig-grauen El Alto finden wir uns nun im ausgelassen-bunten La Paz wieder. 25.000 farbenfroh gekleidete Tänzer in prächtigen Kostümen ziehen durch die Straßen der Stadt. Begleitet werden sie von den „bandas“, Blechbläsergruppen mit jeder Menge cool gestylten, sonnenbebrillten Trommlern. Dem Publikum wird im mitreißenden Zweivierteltakt kräftig eingeheizt. Nicht jeder Ton sitzt, aber die Lautstärke stimmt. Jede Tanzgruppe präsentiert ihre eigene Choreographie. Manch einer hat sich in Ekstase getanzt. Dicht gedrängt stehen die Menschen in den engen Gassen. Ganz La Paz ist auf den Beinen und die Altstadt dicht. So werden die letzten Kilometer zu unserer Unterkunft noch einmal zu einem ganz besonderen „Vergnügen“. Über steile und steilste – von Menschenmassen bevölkerte Straßen – schieben wir unsere 50 kg-“Boliden“ auf und ab und mobilisieren die letzten Kräfte. Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir schließlich den oberhalb der Altstadt gelegenen Stadtteil Sopocachi und irgendwann auch unsere private Unterkunft. Was in den ersten 5 Stunden in La Paz sonst noch geschah würde noch einmal für einen weiteren Artikel Stoff bieten … Völlig erschöpft genießen wir die heiße Dusche und fallen todmüde auf unsere Matratzen während sich vor unserem Fenster ein eindrucksvolles Lichtermeer ausbreitet und die La Pazer noch lange in die Nacht feiern.

Grandioses Meer aus Salz – Auf dem Salar de Uyuni

Oruro/ Bolivien bolivia
435. Reisetag
14.205 km / 85.188 hm

IMGP9793Eisig bläst uns der Wind ins Gesicht. Das Atmen fällt schwerer als gewohnt. Auch wegen der Höhe. Wir sind 3.700 m über dem Meeresspiegel. Um uns herum nur Weiß. Endlos breitet es sich bis zum Horizont aus. Dazwischen ein paar Inseln, die zu schweben scheinen. Gleißend grell blenden die winzigen Salzkristalle in der flirrenden Mittagssonne. Unsere Gesichter sind dick mit Sonnencreme (Faktor 50+) und Buffs gegen die intensive Sonneneinstrahlung geschützt.

So weit das Auge reicht haben sich auf der Oberfläche große Sechsecke gebildet. Mit einem Knirschen gibt die salzig-weiße Oberfläche ganz leicht unter dem Gewicht unserer Räder nach. Über uns spannt sich ein tiefblauer Himmel. Zarte Wolkenbänder in allen Spektralfarben schweben über uns. Immer wieder bleiben wir stehen und saugen die faszinierende Szenerie in uns auf. Eine fast unheimliche Stille liegt über allem.

Wir sind auf dem Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt. Umgeben von 12.000 km² Salz fahren wir vom östlichen Ufer 3 Tage lang durch eine fantastische Landschaft. 10 Milliarden Tonnen Salz liegen hier auf „dem Grunde“. Einst gehörte der Salar zum riesigen Anden-Binnenmeer Lago Minchins. Als dieses vor Jahrmillionen austrocknete blieb die salzige Schönheit zurück.

Ganz so weiß wie gewohnt erleben wir den Salar allerdings nicht. Vor 1 Woche tobte ein mächtiger Sandsturm auf dem Altiplano (dessen Ausläufer wir bei Humuaca zu spüren bekamen). Die feinen Sandkörner sind an den Rändern der Sechsecke hängen geblieben. Schaut man nach Südwesten ähnelt der Salar eher einer Wüste. Blickt man nach Nordosten erscheint er weiß.

Die Fahrt vom Ort Uyuni an den See war ein Vorgeschmack auf die bolivianischen Pisten. Über grobe Schotter- und tiefe Sandstrecken fahren wir 30 km durch die graubraune, bitterkalte und unwirtlich scheinende Hochlandeinöde im Südwesten Boliviens. Passieren uns allradgetriebene Pickup’s oder Lkw’s stehen wir in einer dicken Sandwolke. Mit jeder Ladung verlieren unsere Kleidung und Taschen mehr von ihrer ursprünglichen Farbe.

Wie eine Fata-Morgana taucht am 2. Tag unserer Salarfahrt am Horizont eine schwarze Erhebung aus dem weißen Meer auf. Die Insel „Isla Incahuasi“. Das Eiland besteht praktisch nur aus versteinerten Korallen. Dazwischen wachsen trockene Grasbüschel und unzählige Kakteen. Bis zu 10 m hoch ragen sie in den Abendhimmel, bewehrt mit zentimeterlangen spitzen Stacheln. Könnten sie sprechen hätten sie sicherlich viel zu erzählen. Diese Kakteenart wächst jedes Jahr nur einen Zentimeter. Manche von Ihnen sind über 1.200 Jahre alt.

Am Eingang zur Insel stehen mehrere dutzend Jeeps. Touristen aus aller Welt klettern für 35 Bolivianos (~ 4 €) auf den Felsen herum und posieren für’s Fotoalbum vor den stacheligen Riesen. Wir füllen lediglich unsere Wasservorräte auf und genießen den Anblick vom See aus.

Auf der Südseite der Insel suchen wir Schutz vor dem eiskalten Wind, der mit Untergang der Sonne stürmische Formen annimmt. Doch auch hier finden wir keinen Schutz. Es windet von allen Seiten. Wir haben Mühe unser Zelt aufzustellen. Mit Einbruch der Dunkelheit kommt nicht nur der Wind. Sobald die letzten wärmenden Strahlen hinter den Anden verschwunden sind, sinkt auch die Quecksilbersäule rasant. Beißend dringt die eisige Kälte bis in die Knochen. Jetzt ist der Schlafsack der einzige Ort an dem einem noch warm wird. Mit – 17°C (-10°C im Zelt) erleben wir auf dem Altiplano die bisher kälteste Nacht unserer Reise.

Gleichzeitig breitet sich ein Sternenhimmel über unserem kleinen Zelt aus, wie wir ihn zuvor noch nie gesehen haben. Kein Umgebungslicht schluckt die funkelnden Sterne. In einem riesigen Bogen spannt sich die Milchstraße über das nächtliche Altiplano.

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um 6:00 Uhr. Es kostet einige Überwindung sich bei den Minusgraden aus den warmen Schlafsäcken zu schälen. Unsere Hände und Füße spüren wir nach wenigen Minuten nicht mehr bzw. nur noch einen beißenden Schmerz. Doch der Gang in die Kälte wird belohnt: Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, da erleben wir ein Farbenspiel, das mit Worten nur unzureichend zu beschreiben ist. Die salzige Einöde, Inseln und Bergketten sind in schönste Pastellfarben getaucht. Alles scheint wie von „Meisterhand“ gemalt – vollkommen, wunderschön, einzigartig. Atemlos, berührt, schauen wir dem Farbenspiel zu.

Später am Tag, mit den wärmenden Strahlen der Sonne, kommt auch wieder Leben in unsere Glieder. Vor allem die Füße brauchen lange bis wir sie wieder spüren können.

Den 5.400 m hohen Vulkan Tunupa in Blick fahren wir gen Norden. Immer wieder passieren wir kleinere Wasserlöcher. Es sind die sogenannten „Ojos – Augen des Salars“, blubbernde Salzquellen, die sich in der 3 – 5 m dicken Salzkruste auftun. Hier brechen unterirdische Wasserläufe und Gase durch die Salzdecke.

Den Abend verbringen wir wieder auf dem „Festland“. Im winzigen Ort Coqueza bekommen wir zwar kein Zimmer mehr im einzigen Hotel. Dafür lässt uns der Besitzer auf seinem Grundstück kostenlos zelten. Noch einmal genießen wir das abendliche Schauspiel. In der Ferne heben sich rötlich schimmernd die Bergketten vom Salzsee ab. Direkt vor uns an den Ufern des Salars stelzen rosafarbene Andenflamingos auf der Suche nach Plankton durch das Wasser. In der untergehenden Sonne leuchtet der Himmel noch einmal in dunklem Orange auf, bevor eine weitere eiskalte Nacht über dem Altiplano hereinbricht.