Cusco/Peru
474. Reisetag
Um 03:30 Uhr klingelt uns unsanft der Wecker aus dem kurzen Schlaf. Ein knappe Stunde später tasten wir uns mit Stirnlampen auf dem Kopf aus der kleinen Touristen-Stadt Aguas Calientes in die Dunkelheit hinein. Wir wollen hinauf zur Inkastadt Machu Picchu, dem sagenumwobenen Ort, der tief im Herzen Perus auf 2.400 m über den Wolken thront. Nur wenige Stunden zuvor sind wir mit dem „Inca Trail“ in Aguas Calientes eingetroffen.
Den Tag zuvor sind wir durch das „Valle Sagrado de los Incas“ (Heiliges Tal der Inka) gefahren, das mit seinen fruchtbaren Böden und dem milden Klima heute wie schon zu Inkazeiten eine wichtige landwirtschaftliche Anbaugegend ist. Dem Lauf des Urubambaflusses folgend fahren wir durch ein tief in die Berge eingeschnittenes Tal und besichtigen die Ruinen von Pisaq und die Festung Ollantaytambo.
Wie eine Schöpfung von Titanen erscheinen uns die mächtigen Mauern und Terrassen der beiden Anlagen. In der Umgebung ziehen sich die Feldbauterrassen aus der Inkazeit die Berghänge bis in 4.500 m Höhe hinauf, um jeden Fleck der ertragreichen Erde zu nutzen.
Von Ollantaytambo geht es am Abend schließlich mit dem Inca Rail nach Aguas Calientes. Die kleine Schmalspurbahn folgt dem Lauf des Rio Urubamba. Mit jeder Windung des Flusses geht es immer weiter hinab in das tropisch-üppige Grün des Bergregenwaldes der von mächtigen schneebedeckten Gipfeln überragt wird. Als wir schließlich in Aguas Calientes eintreffen ist es schon dunkel. Um noch ein paar Stunden Schlaf vor der „Entdeckung Machu Picchus“ zu bekommen, nehmen wir das nächstbeste Hostal … bis um 3:30 Uhr schließlich der Wecker klingelt.
Sternenklar breitet sich in dieser Nacht der Himmel über dem Urubambatal aus. Die steilen Felsformationen links und rechts von unserem Weg ragen wie schwarze Wände empor. Eine Weile begleitet uns das Rauschen des Flusses bis wir diesen schließlich über eine Hängebrücke queren. Nun geht es gut 1 Stunde durch dichten Urwald. Über einen schmalen, steilen Pfad mit oftmals kniehohen Trittstufen geht es 300 m hinauf zur Ruinenstadt. In der Dämmerung erreichen wir schließlich den Eingang zur sagenumwobenen Stadt und sind unter den ersten, der täglich 2.500 Besucher des Weltkulturerbes.
Vom Mirador, einem rekonstruierten Haus oberhalb der Stadt, genießen wir den Ausblick auf den Grundriss von Machu Picchu, das einst bis zu 1.000 Menschen Platz bot. Der Anblick ist beeindruckend. Die Atmosphäre bei Sonnenaufgang lässt sich nur schwer in Worte fassen.
Umgeben von Abgründen, am Ufer des Fluss Urubamba, sticht die Anlage auf einem Bergrücken aus dem dichten Wald heraus. Der gesamte Ort ist von terrassierten Hängen umgeben, die an 3 Seiten von schroffen, steilen, fast senkrecht abfallenden Felsen umgeben sind. Im Hintergrund ragt zuckerhutförmig der Waynapicchu auf. Die unüberwindbar wirkenden Berge der Umgebung sind von üppigem Grün überzogen. Direkt unter unserem Aussichtspunkt liegt die Oberstadt mit dem Palastviertel und dem Sonnentempel, gebaut aus geradlinigen fein polierten Steinen, die sich kissenartig hervorwölben. Dahinter erstrecken sich der „Heilige Platz“ mit weiteren Tempelanlagen, die aus tonnenschweren Steinquadern gebildet werden. Getrennt durch das „Sonnenfeld“ – eine große Grasfläche – liegt gegenüber die Unterstadt mit ihren einfachen Bürgerhäusern.
Wie auf “Bestellung” läuft ein Lama auf der Terrasse unterhalb von uns herum und blickt auf die Inkastadt. Wir haben das “perfekte Postkartenmotiv” bzw. Artikelbild.
Bis heute ist unklar, warum die Inkas 1450 die riesige Steinstadt erbauten. Vieles liegt im Dunkeln, es gibt keine Aufzeichnungen oder Dokumente. Selbst der ursprüngliche Name ist nicht bekannt. Um so zahlreicher sind die Spekulationen und Theorien. Wahrscheinlich diente die Festung mit ihrem milden Klima den Inkaherrschern in den kalten Wintermonaten als Rückzugsort. Fest steht, dass die Inkas die Stadt im 15. Jahrhundert erbauten. Nach ihrer Erbauung nutzten sie die Stadt jedoch nur 100 Jahre lang, bevor sie sie aus ebenfalls ungeklärten Gründen für immer verließen. Jahrhundertelang lag sie danach in den Wäldern Perus versteckt, überwuchert von dichtem Urwald…
Beim Streunen durch die alten Gemäuer und steinernen Außentreppen entdeckt man überall trapezförmige Türen, Steinbolzen und -zapfen an Mauern, mächtige Türsturze, Nischen sowie kissenartig vorgewölbte Granitsteine. Besonders beeindruckend sind die Amanahuasi, 16 aufeinander folgende steinerne Becken, die durch ein ausgefeiltes Wasserleistungssystem miteinander verbunden sind. Noch heute stürzt das Wasser in die Wannen aus Granit. Mit dem imposanten Bewässerungssystem konnten die Inkas selbst in dieser Höhe Mais und Kartoffeln anbauen. Mit Hilfe der Leitungen wurde das Quellwasser zu den an Berghänge gebauten Terrassenfeldern gebracht.
Nach 4 Stunden verlassen wir diese Perle der Inka-Archtitektur während sich die Terrassen und Treppen langsam mit Touristenströmen füllen. Machu Picchu ist längst nicht mehr nur Wahrzeichen, sondern vor allem Wirtschaftsfaktor für Peru geworden. 90 Prozent ihrer Einnahmen schöpft die peruanische Tourismusindustrie aus der Inka-Stadt.