Am Thron der Götter

Malatya / Türkei turkey

IMGP8072

Staunend stehen wir am Gipfel des Nemrut Dağı (2.150 m) und bewundern die riesigen Köpfe aus Stein. Sie bewachen den gigantischen Grabhügel (Tumulus) des kommagenischen Königs Antiochus I., der 50 m x 150 m misst.

An der Südflanke des Taurusgebirges, nicht weit vom Euphrat entfernt, ließ der sagenumwobene Herrscher über das Reich Kommagene sich hier aus Götterverehrung und wohl auch Selbstvergötterung 34 v. Chr. eine gigantische Grabstätte errichten, die einzigartig in der Welt ist. Um das Plateau zu schaffen, auf dem das Heiligtum steht, mussten über 200.000 m³ Geröll und Felsgestein von Hand abgetragen werden.

Um den größten Grabhügel der Welt zu besichtigen, sind wir um 12 Uhr von Malatya aus zusammen mit 2 Südkoreanern und einem australischen Paar zu einer abenteuerlichen Fahrt durch das Taurus-Gebirge aufgebrochen. Unsere kleine Reisegruppe versteht sich auf Anhieb blendend und die nächsten 22 Stunden haben wir eine Menge Spaß zusammen und unvergessliche Momente auf dem Nemrut Dağı. In einem atemberaubenden Tempo fährt der Dolmus die endlos erscheinende, abschnittsweise extrem steile Serpentinenstraße zum Motel unterhalb des Gipfels hinauf. Teilweise ist die Straße so schmal, dass man beim Blick aus dem Fenster meint, man säße im Flugzeug. Nichts für schwache Nerven und sensible Mägen. Nach 3 Stunden erreichen wir – ordentlich durchgerüttelt – das Motel Gunes (türk. = Sonne).

Am Abend geht es zur Westterrasse, dem heiligsten Platz am Gipfel. Von dort oben haben wir einen fantastischen Blick auf das Taurusgebirge und den Atatürk-Stausee. Während langsam die Sonne über Südostanatolien untergeht, werden die 5 Götter in ein zauberhaftes Farbenspiel getaucht. Die menschengroßen Köpfe wirken im Licht der Abendsonne noch plastischer und eindrucksvoller. Begeistert von diesem Erlebnis sitzt unsere kleine Reisegruppe nach dem Abendessen noch lange zusammen, redet über Götter und die Welt, gutes Essen und unsere kulturellen Eigenheiten.

Die Nacht ist dafür umso kürzer. Bereits um 04:00 Uhr werden wir vom Fahrer geweckt. Müde und etwas benommen steigen wir 15 min. später alle in den Bus. Durch die Nacht geht es erneut zum Gipfel, dieses Mal zur Ostterrasse. Draußen ist es kalt und windig. Zum Glück haben wir unsere Fleece- und Regenjacken dabei. Auf dem Feueraltar – einer großen Plattform gegenüber den Figuren – sitzen schon einige Dutzend „Sonnenhungrige“. Gemeinsam warten wir alle auf das erste Licht des Tages. Was sich dann abspielt ist wohl das faszinierende und bewegendste Erlebnis, dass wir erlebt haben.

Gegen 05:30 beginnt das Naturschauspiel hoch oben auf dem windumtosten Berg Nemrut. Langsam breitet sich das erste Licht der Sonne über die faszinierende Gebirgslandschaft aus. Immer plastischer zeichnen sich die umliegenden Berge ab, während die Täler noch im Dunkel der Nacht liegen. Schließlich fallen die ersten Sonnenstrahlen auch auf die über 2000 Jahre alten steinernen Skulpturen. Der Sitz der Götter taucht aus seinem „Schattenreich“ auf.

Das rot-braune Leuchten der ursprünglich 8 – 9 m hohen Kalkstein-Statuen wird immer intensiver, als die Sonne ganz am Himmel steht und ihre Kraft zu entfalten beginnt. Die Steinhäupter, die einst auf den dahinter sitzenden Figuren thronten, blicken in die umliegende Gebirgslandschaft. Ihr Antlitz gibt einem das Gefühl, dass sie noch immer Anspruch auf den Berg als Sitz der Götter erheben. Dieser Ort hat etwas Magisches.