Rumänische Gastfreundschaft

Rumänien

Valentins Lachen ist sofort ansteckend. Strahlend kommt er uns entgegen. Auf dem Rücken noch sein Rucksack vom letzten Backpacking-Trip. Gemeinsam mit seinen Eltern wohnt er in einem Plattenbau im Zentrum Curtea de Arges. Die Wohnung ist sehr einfach eingerichtet. Die Gastfreundschaft und Wärme der Familie Florin ist dafür um so größer. Eigentlich sind nicht genug Betten vorhanden. Aber alles kein Problem. Extra für uns ist die Mutter ausgezogen, damit wir und Valentin Schlafplätze haben. Wir bekommen sein Zimmer.

Nachdem wir unsere Räder und Packtaschen in den 4. Stock gewuchtet haben gibt es ein rumänisches Abendbrot, das traditionell mit einer Supa beginnt. Bei uns ist es eine Ciorba de Legume, eine Gemüsesuppe. Anschließend gibt es die berühmten Sarmale, Krautwickel aus sauer eingelegten Weißkohlblättern mit einer würzigen Hackfleischfüllung. Zum Abschluss bekommen wir jeder ein Stück leckere Cremetorte.

Während wir die letzten Stücke davon verspeisen füllt sich die Küche nach und nach mit Valentins Freunden. Herzlich werden wir begrüßt. Obwohl wir 80 anstrengende Kilometer in Beinen haben, verspüren wir keine Müdigkeit. Die ausgelassene Stimmung der jungen Leute ist ansteckend. Und so gehen wir gemeinsam mit Vladi, Adrian, Giggi, Klaus, Ioan und Andrei in ihr Stammlokal. Wir sind ihre Gäste und werden eingeladen. Es ist ihnen wichtig, dass wir eine gute Zeit in Rumänien haben. Und die haben wir heute Abend ganz besonders. Ausgelassen singen, tanzen und lachen wir bis in den Morgen. Als wir uns ins Bett legen, geht die Sonne gerade wieder über Curtea de Arges auf…

Auch der folgende Tag ist voll positiver Überraschungen. Zunächst besuchen wir das sehenswerte Kloster der ehemaligen Fürstenstadt. Anschließend wollen wir ein Stück der berühmtesten Passstraße Rumäniens – der Transfăgărășan – mit dem Auto fahren. Leider kann Andrei, der uns fahren wollte, nicht, da er einen Termin hat. Aber alles kein Problem. Valentin ruft einen anderen Freund an. 10 Minuten später holt uns Emilian mit seinem Auto ab. Gemeinsam fahren wir auf rumänische Art – sprich mit 100 Sachen und mehr – die Nationalstraße 7 C in Serpentinen zum Vidraru-Stausee hinauf. Die Talsperre ist beeindruckend, 166 hoch und 305 m lang. Sie wurde gebaut, um Strom aus Wasserkraft zu erzeugen. Im Sommer kann man von der Staumauer Bungee-Sprünge machen. Auf der Rückfahrt besichtigen wir das eingentlich nicht zugängliche Wasserkraftwert (alles kein Problem) und machen einen Kaffeestop bei Freunden Emilians. Zurück bei den Florins bringt uns Andrei selbstgemachte Waffeln vorbei. Den Abend lassen wir gemeinsam entspannt in einem Lokal ausklingen. Als wir am nächsten Morgen feststellen, dass wir noch keine Postkarten vom berühmten Kloster gekauft haben, werden wir spontan hingefahren. Alles kein Problem …

Damit enden 2 wunderschöne Tage mit Valentin. Der Abschied fällt uns schwer. Nach einer letzten herzlichen Umarmung steigen wir auf unsere Räder, bewegt von so viel Gastfreundschaft.

Ab in die Walachei

Oltenita / Rumänien
41. Reisetag
1192 km

Am vergangenen Sonntag verließen wir Sibiu auf der E81 und fuhren entlang des Flusses Olt Richtung Süden. Der 670 km lange Olt hat im Laufe der Zeit eine tiefe Schneise in die Südkarpaten gefressen und hierdurch eine der wenigen flacheren Nord-Süd-Passagen geschaffen. Auf den ersten Kilometern haben wir einen fantastischen Blick auf das gewaltige Massiv der schneebedeckten Karpaten, die auch die Transsylvanischen Alpen genannt werden. Im Zentrum des Fagaras-Gebirges erhebt sich der Muldoveanu, mit 2.544 m der höchste Berg Rumäniens. Das Gebirge ist schroff, felsig und hochalpin. Kristalliner Schiefer bestimmt das Bild. Die Fahrt durch das Tal ist zunächst wenig spektakulär. Bewaldete Hügel erheben sich links und rechts, der lehmige Olt fließt ruhig dahin. Schiffbar ist er nicht. Die Straße ist für eine Europastraße recht schmal und wir sind froh, dass heute Sonntag ist und nur wenige Lkw’s uns überholen. Erst zum Ende hin wird es spektakulärer. Das Tal verengt sich zunehmend, steile Felswände erheben sich jetzt zu beiden Seiten. Der Himmel erhöht noch die Dramatik. Dunkle Wolken verkünden ein drohendes Gewitter. Wir erreichen Brezoi jedoch im Trockenen.

Einen Tag darauf geht es durch das hügelige Karpatenvorland. Der 2. Teil des Streckenabschnitts ist anstrengend und schweißtreibend. Bei bis zu 13 % Steigungen müssen wir zum ersten Mal unsere Räder ein Stück weit schieben. Zusätzlich setzen uns die Hunde (wie schon am Vortag und in den darauffolgenden) immer wieder zu. In der Regel liegen sie friedlich am Straßenrand, viele in einem beklagenswerten Zustand. Einige jedoch, besonders im Rudel, haben es auf uns abgesehen. Urplötzlich tauchen sie neben den Rädern auf und jagen uns bellend hinterher. Da hilft nur wider dem eigenen „Fluchtinstinkt“ die Nerven bewahren, anhalten, die Meute anschreien, im Blick behalten und langsam weiterlaufen. Nicht immer leicht zu praktizieren, wenn neben einem der Verkehr vorbeirast oder man an einer Steigung aus den Klickpedalen kommen muss.

Am Abend erreichen wir schließlich Curtea de Arges. Die alte Fürstenstadt und einstige Hauptstadt der Walachei hat ein hervorragend erhaltenes Kloster, das zu den schönsten Sakralbauten Rumäniens gehört. Am Ende einer Kastanienallee liegt das Kloster in einem Park, der wie eine Oase in der trubeligen Stadt ist. Wie gestern erst fertig gestellt wirkt auf uns der Bau, der türkische und arabische Einflüsse an der Fassade miteinander verbindet. In der nahe gelegenen Fürstenkirche des Hl. Nikolaus, eine der ältesten Rumäniens (1352), können die Gläubigen auf Zetteln ihre Wünsche notieren und mit einer Geldspende dem Ganzen „Nachdruck“ verleihen.

Über die Industriestadt Pitesti (hier läuft der DACIA von den Bändern, das einzige Auto, das jemals in Rumänien hergestellt wurde) geht es am Mittwoch in die große Walachei (Muntenien), die die Rumänen auch „Tara Romaneasca“, „Das rumänische Land“ nennen. Das historische Stammland Rumäniens rund um die Hauptstadt Bukarest ist landschaftlich und kulturell nicht so abwechslungsreich. Dafür haben die ursprünglichen, bunten Dörfer ihren Reiz. Schon früh am Morgen erwachen sie zu Leben. Viele Einwohner machen sich mit Sichel und Harke gerade auf den Weg zu den Feldern. Die Dorfkinder schultern ihre Schulranzen und rufen laut „bicicleta“, wenn wir an ihnen vorbeifahren. Dorfpriester ziehen mit wehendem Gewand durch den Ort und segnen die Häuser. Der Duft von blühender Akazie liegt in der Luft. Alles mögliche „Federvieh“ ist auf den Beinen. Gänse, Perlhühner, Truthähne und Enten streifen durch die Straßen. Kühe, Ziegen, Esel und Pferde grasen das frische Grün am Wegesrand. Vor den Häusern sitzen die Alten auf ihren Bänken und schauen dem Treiben zu. Ein bischen kommen wir uns vor, wie aus der “Zeit gefallen”.

Außerhalb der Ortschaften ist der Blick über den Lenker stets derselbe: endlos wogende Getreidefelder so weit das Auge reicht. So flach, wie man geheim annimmt, ist die südliche Ebene aber nicht. Immer wieder haben wir kurze aber knackige Anstiege. In den letzten 3 Tagen sind wir 270 km fahren und dennoch nicht so schnell vorangekommen wie gedacht. Starker Ostwind und teilweise üble Sand- und Schlaglochpisten verhindern ein schnelleres Vorwärtskommen. Im Süden des Landes sind die Straßen oftmals ein einziges Überraschungsei und die Klassifizierung auf unserer Straßenkarte hilft nur wenig. So kann es durchaus passieren, das bester Asphaltbelag und Schotterpiste unvorhersehbar wechseln, selbst auf Hauptstraßen, die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdienen. Und so sitzen wir bis kurz vor Sonnenuntergang im Sattel um wenigstens halbwegs das Tagespensum zu schaffen. Immerhin werden wir in der letzten Nacht mit einem „Bett im Kornfeld“ belohnt. Abseits der Dörfer schlafen wir bestens und starten bereits um 8 Uhr morgens, um zumindest in den ersten Stunden bei angenehmen Temperaturen unterwegs zu sein. Das Wetter ist immer noch hochsommerlich und Mittags sind es 28 – 30 °C im Schatten. Von der bulgarischen Grenze sind wir in Oltenita nur noch einen „Steinwurf“ entfernt. Morgen fahren wir aber noch 70 km auf der rumänischen Seite, bevor wir die Donau bei Silistra passieren und damit auch die Grenze zu Bulgarien.

Die Kinder von Tipar

Rumänien
Tipar

 

Neugierige Augenpaare sehen uns an. Interessiert werden unsere Fahrräder begutachtet, vor Rias Kamera posieren die Jungs. Mit einem strahlenden Lächeln und freundlichen „Tschau!“ geben uns die Kinder zur Begrüßung die Hand. Wir sind in Tipar angekommen – ein 1000-Seelendorf nördlich von Timisoara.

Stefanie und Ramon nehmen uns für eine Nacht bei sich auf. Im Garten verbringen wir, zusammen mit Hühnern, einem Hahn und 2 Ziegen, einen entspannten Abend bei Pasta, den nur die zahlreichen Mücken stören.

Stefanie lebt in Tipar seit 7 Jahren. Zusammen mit einem Freund hat sie 2006 den gemeinnützigen Verein Satul Nostru e.V. gegründet und wenig später im Dorf das Jugendhaus “Casa Tineretului” ins Leben gerufen, das allen Kindern von Tipar offen steht – auch den Roma-Kindern, was in Rumänien keine Selbstverständlichkeit ist.

Die Roma sind nach den Ungarn die zweitgrößte Minderheit im Land, ihre alltägliche Benachteiligung ist aber weitaus größer als die anderer Ethnien. Von weiten Teilen der rumänischen Öffentlichkeit werden Roma nach wie vor ausgegrenzt. Ein Großteil von ihnen ist arbeitslos, Diskriminierungen bei der Arbeitsplatzsuche sind an der Tagesordnung. Auch 24 Jahre nach dem Sturz Ceausescus bezahlen viele Roma für den Plan des Diktators, aus dem Agrarland Rumänien mit allen Mitteln eine sozialistische Industrienation zu formen. Man verweigerte ihnen die Gewerbeerlaubnis, verbot privaten Kleinhandel und das für die Saisonarbeiter grundlegende Nomadentum. zusammengepfercht in verslumten Wohnsilos am Rande der Dörfer und Städte, konnten sie ihre traditionellen Berufe in der Landwirtschaft und im Kleingewerbe nicht mehr ausüben. So entstand ein verhängnisvoller Kreislauf aus Ausgrenzung, Verwahrlosung und Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge, der bis heute vielerorts anhält.

Auch die Roma von Tipar leben am Ende des Ortes, separiert von den anderen Einwohnern (im Dorf leben 5 Ethnien – Rumänen, Roma, Ungarn, Slowaken und Deutsche), in einem Slum ohne fließend Wasser. Ablehnung und Ausgrenzung sind auch hier noch immer spürbar. Ihre eigene Aussichtslosigkeit, mangelnde Chancen und schulische Möglichkeiten haben bei den Roma Spuren hinterlassen. Lethargie und Gleichmut bestimmen den Alltag.

Als wir zusammen mit Stefanie und Ramon das Viertel besuchen sind wir geschockt von den Lebensumständen, in denen die Kinder aufwachsen. Nur 3 Autostunden von Wien entfernt scheinen wir – mitten in Europa – in einer anderen Welt zu sein. Bittere Armut und katastrophale hygienische Zustände herrschen im Viertel. Unser Besuch ist nur kurz und doch vermittelt er uns eine Ahnung vom Leben der Roma an Rande der Gesellschaft.

Mit ihrem Jugendhaus, das ausdrücklich allen Kindern von Tipar offen steht, hat Stefanie einen Platz geschaffen, an dem Ausgrenzung keinen Platz hat, wo die Kinder gegenseitigen Respekt und Achtsamkeit lernen können und wo die Kinder von Tipar einfach nur „Kindsein“ dürfen und mit ihren Bedürfnissen ernst genommen werden. Der unaufhörliche Zirkel von Ausgrenzung und Diskriminierung wird hier durchbrochen. Die Kinder und Jugendlichen können Tischtennis und Kicker spielen, Einrad fahren, sich in Akrobatik üben und kreativ sein. Wichtige Erfahrungen, um das Gespür für ihre Fähigkeiten, ihren Wert und ihre Würde zu stärken.

Diese wichtige Arbeit von Satul Nostru Deutschland e.V. und von Stefanie in Tipar wollen wir unterstützen. Gerne würden die Kinder einmal ein Ferienlager im Sommer erleben, am offenen Feuer kochen, in der Natur zelten, ein paar unbeschwerte Tage erleben. Um diesen Wunsch erfüllen zu können, fehlen noch finanzielle Mittel. Wir wollen daher für das Projekt 500 € an Spendengeldern sammeln. Den Anfang machen wir mit einem Sockelbetrag in der Hoffnung das viele kleine und große Spenden folgen und so der Traum der Kinder von Tipar noch diesen Sommer in Erfüllung geht.

Spenden können direkt auf das Konto des Vereins Satul Nostru Deutschland e.V.

Konto-Nr.: 12503241

BLZ: 68050101

Sparkasse Freiburg

überwiesen werden. Bitte gebt das Stichwort „Zeltlager“ an. Auch Sachspenden (Zelte, Matten o.ä.) werden vom Satul Nostru Deutschland e.V. gern entgegen genommen. Auf unserer Homepage informieren wir über den jeweils aktuellen Spendenstand.

Wer sich genauer über den Verein und seine Arbeit informieren möchte, kann dies auf www.satulnostru.de tun.