Seidenstraßenzauber und staubige Rüttelpisten

Denov/ Usbekistan uzbekistan
141. Reisetag
4.500 km, 26.730 hm
(Bericht vom 18.08.2013)

P1110146 In Usbekistan folgen wir zwischen Buchara und Samarkand der Seidenstraße. Der Mythos dieser geschichtsträchtigen, sich vielfach verzweigenden alten Handelsroute zwischen Okzident und Orient hatte uns schon bei der Planung unserer Reise in den Bann gezogen. Über das weitverzweigte Netz von Karawanenstraßen wurden einst allerlei Waren transportiert. Gleichzeitig fanden Religionen, Kulturen und Wissenschaft auf diese Weise ihre Verbreitung.

Der landschaftliche Kontrast nach dem Grenzübergang bei Farap ist schon extrem. Nach Wüstenstaub und kargem Steppengras im Nordiran und Turkmenistan erstrecken sich nun großflächig künstlich bewässerte Baumwollplantagen links und rechts der Straße. Usbekistan ist einer der weltgrößten Baumwollexporteure.

Die alte Seidenstraßen-Stadt Buchara fasziniert uns mit ihrem Prunkbauten und Monumenten aus einer hart umkämpften Vergangenheit. Nicht zu Unrecht trägt sie den Namen „Die Edle“. Die Altstadt ist nahezu vollständig erhalten und wirkt wie ein Freilichtmuseum. Trotz der Sowjetherrschaft ist sie eine orientalische Stadt geblieben, die vom Islam geprägt ist. Auch Jahrhunderte nach ihrer Fertigstellung schimmern zahlreiche Kuppeln blau und glänzen die Fassaden der Medresen und Moscheen als ob sie gerade fertigstellt worden wären. Das Blau der Kacheln hat in Buchara eine besondere Bedeutung. Es ist das Blau des Himmels, die Farbe des Lichts und des Lebens. Am 50 m hohen Kalon Minarett (12. Jh.) im Herzen der Altstadt ruhen wir im Schatten aus und lassen die Atmosphäre auf uns wirken. Das Leben in den engen Gassen zwischen den Lehmhäusern nimmt während der Tageshitze eher einen gemächlichen Gang. Erst gegen Abend wird es lebhafter. Am Labi Xauz, einem der beliebtesten Plätze Bucharas, genießen Einheimische wie Touristen Abendstimmung und mildere Temperaturen. Der Platz und das Wasserbecken in der Mitte sind in buntes Licht getaucht. Fast wirkt das Treiben wie auf einem kleinen Jahrmarkt. Es gibt Eis, Zuckerwatte, Popcorn. Wie mag es wohl zu Zeiten Marco Polos, dem wohl berühmtesten Reisenden auf der Seidenstraße, hier ausgesehen haben, wenn die Karawanen nach den trockenen Wüsten- und Steppenlandschaften in der Oasenstadt ankamen?

Wie schon in Mashhad (Iran) treffen sich im Hotspot Buchara die Radreisenden von West und Ost kommend. Und so sitzen wir am Abend mit Marica (Holland), Norbert (Bonn), Heidi/Markus (Österreich) und Gergana/Michael (Magdeburg) vor der Ko‘kaldosh-Medrese und tauschen Erlebnisse und Geschichten aus. Nach 2 Tagen brechen wir mit Marica, der „fliegenden Holländerin“, nach Samarkand auf. Der Asphalt ist zunächst gut und so schaffen wir am ersten Tag 130 km mit einem Schnitt von 23 km/h. Beides neuer Rekord. An den darauffolgenden Tagen ist der Bodenbelag deutlich schlechter. Immer wieder fluchen wir über die vielen Schlaglöcher und hohe Bodenwellen. Obwohl auf der Hauptschlagader des Landes unterwegs, ist der Individualverkehr nicht übermäßig. Dennoch gibt es einige brenzlige Situationen. Die Usbeken fahren teilweise wie die Irren. Nicht nur einmal rutscht uns das „Herz in die Hose“… Neben alten Ladas und russischen Kamaz-Lkw’s tummeln sich vor allem lauter vollbesetzte Kleinwagen der Marke Daewoo auf den Straßen. Bei Bauern können wir abends unsere Zelte und werden am Abend noch mit Brot, Tee und Wassermelonen versorgt. Im Morgengrauen weckt uns das markerschütternde Geschrei der Esel, die hier immer noch vielfach als Lastentiere genutzt werden.

Kulinarisch ist die Reise durch die Stan-Länder kein leichtes Unterfangen. Das Hauptnahrungsmittel in Zentralasien ist seit ewigen Zeiten Brot. Frisch gebacken schmeckt es lecker. Nach einem Tag beginnt es sich jedoch in Zwieback zu verwandeln. Am leckersten sind noch die Lepjoschki – runde aufgebackene Brotfladen, die überall am Straßenrand verkauft werden. Mit Sonnenblumenöl „glasiert“ glänzen sie in der Sonne. Ansonsten ist die zentralasiatische Küche sehr fettlastig. „Das“ Markenzeichen schlechthin ist Plow. Dieses traditionell orientalische Reisgericht aus Hammelfleisch, Zwiebel, Karotten und Reis wird an allen Ecken in großen Pfannen angeboten. Restaurants nach westeuropäischen Vorstellungen gibt es praktisch nicht. Da Brot allein nicht satt macht essen auch wir Plow. Die mangelhafte Sauberkeit beim Kochen und Spülen des Geschirrs setzt unseren Verdauungstrakten jedoch zu. In Samarkand erwischt uns schließlich „Montezumas Rache“. Zunächst liege ich mit Fieber, Erbrechen und Durchfall flach, kurz darauf hat auch Ria Magenprobleme. Alle anderen Radler und Reisenden die wir treffen, klagen über ähnliche Leiden und Ausfallzeiten. Mittlerweile kochen wir nur noch selbst. Bei dem dünnen Warenangebot der Miniläden nicht immer leicht was „Gescheites“ hinzubekommen. Neben den immer gleichen Bonbons, offenen Keksen und Limonaden gibt es meist nur Nudeln und Dosenware. Aus Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Öl lässt sich jedoch eine leckere Sauce kochen.

Auch sprachlich ist es nicht mehr so leicht sich zu verständigen. Russisch als Verwaltungs- und Verkehrssprache wird von vielen Usbeken zwar noch gesprochen, die Englischkenntnisse sind aber eher zufällig und reichen über ein „Hello“ oft nicht hinaus. Das schallt uns von Männern aber stets freundlich entgegen und wird meist mit einem lauten Kreischen oder Pfeifen begleitet. Usbekische Frauen sind da deutlich zurückhaltender. Besonders Ria schenken sie aber immer wieder ein herzliches Lächeln, das ihre goldenen Zähne zeigt. Auch die Hilfsbereitschaft erschließt sich oft erst auf den zweiten Blick, ist aber stets vorhanden. Dabei sind die Usbeken angenehm unaufdringlich und unkompliziert. Fragen wir nach einem Zeltplatz, werden wir nie abgewiesen. Was uns auch positiv auffällt: es ist viel sauberer als noch im Iran und Turkmenistan. Erstaunlich, gibt es doch praktisch keinen einzigen öffentlich Mülleimer. Unsere Wasserflaschen aus Turkmenistan können wir z.B. erst in Buchara nach 120 km entsorgen.

Auf Märkten und Basaren am Straßenrand herrscht stets ein buntes Treiben. Mindestens genauso faszinierend wie die Geschichte und Bauwerke Usbekistans ist hier die Vielfalt usbekischer Gesichter. Aus allen Himmelsrichtungen kommend scheinen die Menschen in Usbekistan heimisch geworden zu sein. Neben typisch russischen sehen wir viele Formen asiatischer Gesichtszüge. In ihrer Kleidung bevorzugen usbekische Männer dunkle Farben. Manch einer trägt auch im Sommer einen langen Steppmantel, der von einer bunten Schärpe zusammengehalten wird. Fest jeder hat eine schwarze, viereckige Kappe auf dem Kopf, die mit weißen Stickereien verziert ist. Frauen bevorzugen knielange Kleider in bunten Farben. Ein oder zwei geflochtene Zöpfe signalisieren, dass eine Frau verheiratet ist, ein kleine Krone dass sie gerade das “Ja-Wort” gegeben hat.

Der Weg von Samarkand nach Dushanbe ist für uns 4 Pedalisten kein leichter. Die Straßen sind oft im schlechtem Zustand, im Zerafson Gebirge müssen wir den Tahtaqaracha Pass (1.788 m) und einen weiteren Pass von 1.500 m Höhe überqueren. Beides keine „Riesen“ aber manche Passagen sind bis zu 12 % steil. Nach 6 Tagen in glühender Hitze (bis zu 46 °C in der Sonne), jeder Menge Staub und Katzenwäsche am Abend freuen wir uns nun auf eine Dusche und ein klimatisiertes Zimmer in Dushanbe.

In wenigen Tagen starten wir dann zu einem der Höhepunkte unserer Reise. Es geht auf den legendären Pamir-Highway. Eine grandiose Straße über das ‘Dach der Welt’ (Bam-i-Duna), wie der Pamir von den Einheimischen genannt wird. Tiefe Schluchten, weite Hochebenen, faszinierendes Hochgebirge mit Pässen jenseits der 4.000 m – eine der spektakulärsten und härtesten Hochgebirgsstraßen, die man mit dem Rad befahren kann.

Turkmenistan-Ralley


Turkmenabad/ Turkmenistan turkmenistan
124. Reisetag
3.590 km, 21.430 hm
(Bericht vom 03
.08.2013)

Tiefe Spurrillen im Asphalt

Ein Gauner, ein „6er im Lotto“, unerträgliche Hitze, Gegenwind und ein paranoider Staat – das ist in Kurzform unsere Reise durch Turkmenistan.

Wer von Iran weiter Richtung Zentralasien will, muss durch Turkmenistan. Die restriktive Visa-Politik ließ bei uns schon im Vorfeld wenig Begeisterung aufkommen. Ganze 5 Tage Transitvisum gewährt der einst südlichste Staat der Sowjetunion Reisenden. 5 Tage für 550 km bei über 50 °C in der Sonne! Kein Zuckerschlecken. Doch es kommt noch schlimmer. Lausige 3 Tage gewährt uns Ashgabad, um von Sarakhs nach Fahab durch die turkmenische Wüste zu kommen. Damit ist unser Plan, nur per Rad zu reisen, passé. Warum so kurz? Das wissen wohl nur die Pappnasen in Turkmenistan. De facto sind es dann gerade einmal 48 Stunden, die wir im Land sein können. Dafür knöpft uns der Staat 110 $ Visagebühr und 24 $ für die Registrierung ab. Wahrscheinlich fließen unsere Devisen in einen weiteren sinnlosen Prunkbau des Herrn Präsidenten. In die Straßen kann es jedenfalls nicht investiert werden, denn die sind oft miserabel.

Nachdem die Ausreise aus dem Iran recht problemlos und zügig verläuft stehen wir mit unserem gültigen 3-Tages-Visum an der turkmenischen Grenzkontrolle. Wie in einer Zeitmaschine fühlen wir uns 100 Jahre zurückversetzt. Den kahlen Raum bestimmen ein Schalter, ein riesiger Scanner und dahinter ein langer Tisch, an dem ordentlich aufgereiht 1 Grenzbeamtin und 3 Kollegen mit strengem Blick auf uns warten. Die überdimensionierten Mützen scheinen noch aus der Sowjet-Ära zu stammen. Während wir auf das „was da kommt“ warten, betreten unzählige Mitarbeiter den Raum …. und verlassen ihn wieder. Heidi und Markus aus Österreich (2 Langstreckenradler, die wir in Mashhad trafen) sind auch da. Ihren Gesichtern ist anzusehen, dass sie hier schon eine kleine Ewigkeit warten. Unser Glück scheint die anstehende Mittagspause des Beamtenstabes zu sein. Gleich nach Markus und Heidi werden auch wir „zolltechnisch bearbeitet“. Wir schieben unser gesamtes Gepäck durch den Scanner. Keine Ahnung, ob das Ding noch funktioniert. Da die Grenzbeamten der eigenen Technik wohl auch nicht vertrauen müssen wir anschließend noch alle Taschen öffnen. Nach einer guten Stunde haben wir den turkmenischen Einreisestempel im Pass. In Sarakhs fragen wir Bayram, einen Turkmenen auf einem russischem Kleintransporter, ob er nach Mary (ca. 170 km) fährt. Ja fährt er! Welch ein Glück, denken wir. Gemeinsam hieven wir die 65 kg schweren Räder auf den Transporter. 24 Liter Wasser lagern in und auf unseren Taschen. Doch anders als gedacht geht es nicht direkt nach Mary. Bayram bringt uns zu seiner Mutter, die gerade mit ihren Töchtern das Mittagessen auftischt. Es gibt Plov und Samsam (fettige, aber leckere mit Fleisch und Zwiebeln gefüllte Teigtaschen). Nach einer halben Stunde geht es los… aber nur bis zu seinem Haus. Na klar, denken wir, Bayram möchte uns auch noch seine Kinder vorstellen. Doch der Grund ist ein anderer: „Money!“ Es geht ums Geld. Bayram will 100 $ für die Fahrt haben. Eine Wahnsinnssumme! Wir bieten 6 $ bis Hauz Han (110 km). Nach vielem Hin und Her und weil uns schon zu viel Zeit verloren gegangen ist, „einigen“ wir uns auf 16 $. Wie ein Wilder rast Bayram über den brüchigen und löchrigen Straßenbelag. Wir hocken hinten und fliegen samt Rädern dutzende Male durch den Laderaum. Alle 7-10 km gibt es eine Zwangspause, damit der total überhitzte Motor nicht völlig den Geist aufgibt. Nach 3 endlosen Stunden ist die Höllenfahrt beendet. Doch vom Ort Hauz Han ist weit und breit nichts zu sehen. Angeblich, so Bayram, würden auf den letzten 5 km Polizeiposten sein. Das gäbe Probleme mit uns an Bord. Wir ziehen 1 $ von der vereinbarten Summe ab und nach einigem Gemotze saust Bayram davon. Wie sich später herausstellt, hat uns der Gauner angeschwindelt. Ganze 20 km fahren wir noch bis Hauz Han. Mittlerweile ist es kurz vor Sonnenuntergang. Da wir nicht wissen, wann (und ob) ein Zug morgen von Mary Richtung turkmenisch-usbekische Grenze fährt, radeln wir in die Nacht hinein. Die kleinen Lichtkegel unserer Radlampen reichen gerade aus, um uns vor den größten Schlaglöchern und Bodenwellen zu warnen. Der Fernverkehr ist zu dieser Zeit noch stärker als am Tag. Nachts gibt es keine Radarkontrollen und die Motoren der Trucks überhitzen nicht so schnell. Nach 4 Stunden Schlaf geht es kurz nach 6 Uhr am nächsten Morgen weiter. Zum Glück ist der Wind in den ersten beiden Stunden nicht so stark, so dass wir zunächst gut vorankommen. Ab 8 Uhr wird es dann zunehmend schwieriger. Der Wind bläst aus nordöstlicher Richtung zunehmend stärker und trotz kräftigem Treten fahren wir nicht mehr schneller als 12 km/h. Die Straße schneidet sich durch mit Büschen bewachsene Sanddünen. Rund um die kleinen Ortschaften fahren wir an bewirtschafteten Feldern vorbei. Die Turkmenen am Straßenrand sind durchweg freundlich. Besonders die schönen turkmenischen Frauen in ihren bunten Kleidern gefallen uns. Im Iran hatten wir zuletzt nur „schwarze Zwerge“ gesehen.

Um 10 Uhr erreichen wir Mary und „ziehen den Hauptgewinn“. Marat begleitet uns mit seinem BMW zum Bahnhof und hilft uns auch am Schalter. Ohne seine Hilfe wäre der Ticketkauf wahrscheinlich zu einem stundenlangen Alptraum geworden. Als sich die kleine Glasscheibe in der überdimensionierten Bahnhofshalle das erste Mal öffnet, steht eine riesige Menschentraube davor. Ria und Marat mittendrin. Zuvor musste sich jeder in eine Namensliste eintragen. Warum bleibt das Geheimnis der staatlichen Bahngesellschaft. Nachdem einige wenige Tickets glückliche Besitzer finden, schließt die Beamtin erst mal wieder den Schalter. Draußen ist es in der Sonne mittlerweile irre heiß (über 50 °C). 2 Stunden später öffnet sich das Türchen erneut. Die Menschentraube ist mittlerweile ziemlich träge. Marat reagiert jedoch blitzschnell und kauft die beiden angebotenen Tickets für ein Schlafabteil. Der Preis ist für uns spottbillig. Ganze 26 Manat (keine 10 €) inklusive Gepäck kostet die Fahrt. Anschließend geht es zur Gepäckaufgabe. Auch hier schlägt die Bürokratie voll zu. Wir müssen unsere Räder wiegen lassen, anschließend werden eifrig jede Menge Formulare ausgefüllt. Da uns bis zur Abfahrt um 2 Uhr nachts noch einige Stunden bleiben, fährt Marat durch das nächtliche Mary und lädt uns zum Essen ein. Zum Abschluss wollen auf einer Bank ein wenig ausruhen. Wir sitzen keine 2 Minuten da taucht auch schon die Polizei auf. Über Lautsprecher werden wir zum Verlassen aufgefordert. Nachts soll sich niemand draußen „rumtreiben“. Wie paranoid, denken wir. Mit 1 Stunde Verspätung setzt sich gegen 3 Uhr der Zug endlich Richtung Turkmenabad in Bewegung. Völlig übermüdet schlafen wir in einem 4er-Abteil schnell ein. Nach 3 Stunden weckt uns der diensthabende Schaffner bereits wieder. Obwohl unser Zug erst um 8 Uhr sein Ziel erreicht, müssen wir Betten und Kopfkissen abziehen und abgeben… Zur Erinnerung will ich (Oliver) ein Foto vom Abteil machen. Das bekommt einer der zahlreichen Schaffner mit. Umgehend habe ich das Foto zu löschen. Doch einmal in Fahrt, reicht ihm das nicht. Er will nunmehr alle Fotos aus Turkmenistan sehen und fast alle gelöscht haben. Das sehe ich nicht ein. Nach ein paar Löschungen schalte ich die Kamera einfach aus. Kurz darauf erscheint das Zugpersonal in Mannschaftsstärke. Ich bin gerade auf der Toilette. Ria muss unsere Pässe vorzeigen. Als ich zurückkomme verlangt der Chef der Truppe mein Handy und die Kamera. Ich insistiere, mache ihm klar, dass wir inzwischen alle Bilder gelöscht haben. Geistesgegenwärtig hat Ria kurz zuvor noch eine leere Speicherkarte eingesetzt. Dennoch sind uns eindrucksvolle Bilder von Menschen Turkmenistans durch diesen Vorfall abhanden gekommen.

Von Turkmenabad nehmen wir noch einen Regionalzug nach Farab und fahren die letzten 20 km zur Grenze. Die Bürokratie schlägt auch hier wieder voll zu. Je 5 x werden unsere Pässe auf turkmenischer und usbekischer Seite kontrolliert. Wir schalten auf Alpha-Zustand und lächeln milde. Nach 3 Stunden (dieses Mal ohne Gepäckkontrolle) haben wir endlich usbekischen Asphalt unter den Reifen.

 

 

Unterwegs im Norden Irans

Sarakhs / Iran iran
121. Reisetag
3.350 km, 21.130 hm
Bericht vom 31.07.2013

Mihad schenkte uns eine Flasche kühles Wasser und Nektrarinen

 „Hello! Hello! Welcome to Iran!“ Strahlend springt Mihad aus seinem Pkw und kommt über die Straße gerannt. In der einen Hand eine Tüte voll Nektarinen in der anderen kaltes Wasser. „You must be thirsty. Here drink an eat!“ Wir sind auf dem letzten Abschnitt unserer Iranroute, auf der Fernstraße von Mashad zur turkmenischen Grenze. Die Provinz Khorassan (übersetzt „Land der aufgehenden Sonne“) im Nordosten des Landes bildet den Übergang zu den Steppen Turkmenistans. Als uns Mihad stoppt zeigt unser Thermometer 42 °C in der Sonne. Unsere Kehlen sind staubtrocken, Salz und Sand brennen in den Augen. Durstig leeren wir ein Glas nach dem anderen. Mihad füllt eifrig unsere Gläser auf und lacht dabei vor Freude. Wieder einmal werden wir spontan beschenkt – wie so oft in den letzten Wochen im Land.

Die Iraner sind äußerst interessiert an uns. Stets fallen wir auf. Zum einen wegen unserer ,komischen’ Gefährte, zum anderen sind nur wenige Touristen im Land unterwegs. In den Gesprächen und Begegnungen spüren wir, wie groß die Sehnsucht vieler Menschen nach Austausch ist. Neugierig werden wir nach dem Woher, Wohin befragt und ob uns der Iran gefällt. Wenn wir bei Familien zu Gast sind kommen Nachbarn und Verwandte vorbei, um kurz die Deutschen zu sehen und ein paar Worte zu wechseln.

Zur „Feier des Tages“ werden leckere Köstlichkeiten „aufgetischt“ (gegessen wird jedoch auf dem Boden. Uns gefällt diese Art zu speisen, ist es doch irgendwie unverkrampfter und man kann sich anschließend mit der Familie gleich in die bereitliegenden Kissen lümmeln). Abgusht (Eintopf aus Schaffleisch, Kartoffeln, Tomaten und Kichererbsen), frisches samgak (Fladenbrot), gefülltes Hähnchen, selbstgemachte Torschi und Sabzi Chordan (rohe Kräuter zum Essen). Cay, Götterspeise, Obst und Gebäck runden das Mal ab.

Unser „tägliches Brot“ ist bescheidener. Meist essen wir Brot mit Honig, Tomaten, Gurken und Melone, im Lokal „Chicken-Kebap“ mit halb verkohlten Tomaten, sehr säuerlich schmeckende Gurken und Reis.

Um an frisches Brot aus dem Steinbackofen zu kommen fahren wir oft kleine Seitenstraßen ab. Wenn in den Gassen sich Warteschlangen ohne ersichtlichen Grund vor Hauswänden gebildet haben ist das für uns immer ein untrügliches Zeichen, dass hier frische lavash, samgak oder barbari verkauft werden, traditionelle iranische Fladenbrotsorten. Als Ausländer bekommen wir die dampfenden Laibe nicht selten geschenkt.

So freundlich und zuvorkommend die Iraner sind, an manchen Tagen sind wir mit der ständigen Aufmerksamkeit jedoch überfordert. Alle paar Kilometer werden wir auf der Straße gestoppt: hier ein Smaltalk mit der Familie, da ein paar Fotos mit den Kindern… kaum sind wir wieder richtig „im Tritt“ stoppt schon das nächste Auto vor uns…

Trotzdem versuchen wir allen „gerecht“ zu werden und auch beim 30. Mal die Fragen nach dem Woher und Wohin geduldig zu beantworten.

Erstaunlich offen sprechen die Menschen uns gegenüber die teilweise schlechten Lebensbedingungen, die eingeschränkten sozialen Entfaltungsmöglichkeiten und die Repression unter Präsident Ahmadineschad an.

Viele, vor allem junge, gut ausgebildete, wollen ins Ausland gehen und träumen von einem besseren Leben in Amerika, Großbritannien oder Deutschland. Wir treffen kaum jemand, der seine berufliche Zukunft im Iran sieht. Auch die Wahl Rouhanis zum neuen Präsidenten macht nur wenigen Hoffnung. Bayram, den wir Esfahan treffen, ist jedoch überzeugt, dass es einen Wandel geben wird. Dass er seine Hoffnung trotzdem nur halblaut und nach mehrmaligen Um-sich-Blicken tut, macht auch ohne viele Worte klar, dass man ständig aufpassen muss. Angst vor Repressalien und die strengen Moralgesetze lassen nur wenig Raum für persönliche Entwicklung.

Anhand des Kopftuchzwanges erlebt Ria am eigenen Leib, was es bedeutet, wenn die persönliche Autonomie beschnitten wird. Gegen ihren Willen muss sie im Iran das Kopftuch und in Mashad gezwungenermaßen freiwillig den Tschador tragen. Das äußerst konservative Mashad („Märtyrerstätte“) ist mit 2,5 Millionen Einwohnern das Zentrum des Nordostens und jedes Jahr Pilgerstätte für Millionen Muslime. Hier liegt das Grab des Imam Reza, dem 8. Imam der Schiiten. Ohne Tschador auf der Straße wird Ria unentwegt und unverhohlen angestarrt, fast so als wäre sie nackt. Ein unangenehmes Gefühl. Mit Tschador werden die Blicke weniger intensiv. Die Hitze unter der Ganzkörperverhüllung ist aber nicht weniger anstrengend.

Die Einschränkung persönlicher Freiheiten scheinen die Iraner im Straßenverkehr zu kompensieren. Auf dem Asphalt herrscht die blanke Anarchie. Die Städte sind übervoll mit Individualverkehr. Jegliche Regeln werden ignoriert: Rechts vor Links gibt es nicht. Halten bei Rot? Wozu? Statt eines Schulterblicks wird „Gas“ gegeben. Und Geisterfahrer sind hier keine Meldung wert, denn Gegenverkehr auf unserer Spur ist ganz „normal“. Auch die Anwesenheit von Verkehrspolizisten ändert nichts an diesen Gepflogenheiten. Doch wir haben uns schnell an das Chaos gewöhnt und machen es wie die Iraner: sobald sich eine Lücke auftut einfach reinfahren. Irgendwie geht es immer ein Stück voran und jeder traktiert seine Hupe so gut und so oft er kann.

Leider habe ich (Oliver) im Iran aber auch ein unangenehmes Erlebnis auf der Straße. Zum ersten Mal in 12 Jahren Radreisen werde ich körperlich attackiert. In Talesh überholt uns ein Zweirad mit 2 jungen Männern. Beim Passieren schlägt mir der Beifahrer mit der Hand in den Nacken. Glücklicherweise behalte ich die Kontrolle über mein Rad. Dennoch ist der Fahrspaß in den nächsten Tagen getrübt. Dieser Vorfall ist jedoch der einzige negative. In positiver Erinnerung bleiben uns vor allem die vielen wunderbaren Abende bei unseren Gastfamilien, die Großzügigkeit und Herzlichkeit der Iraner und ein vielschichtiges Land, dass wir in 3 Wochen nur ansatzweise begreifen konnten.