Unterwegs im Norden Irans

Sarakhs / Iran iran
121. Reisetag
3.350 km, 21.130 hm
Bericht vom 31.07.2013

Mihad schenkte uns eine Flasche kühles Wasser und Nektrarinen

 „Hello! Hello! Welcome to Iran!“ Strahlend springt Mihad aus seinem Pkw und kommt über die Straße gerannt. In der einen Hand eine Tüte voll Nektarinen in der anderen kaltes Wasser. „You must be thirsty. Here drink an eat!“ Wir sind auf dem letzten Abschnitt unserer Iranroute, auf der Fernstraße von Mashad zur turkmenischen Grenze. Die Provinz Khorassan (übersetzt „Land der aufgehenden Sonne“) im Nordosten des Landes bildet den Übergang zu den Steppen Turkmenistans. Als uns Mihad stoppt zeigt unser Thermometer 42 °C in der Sonne. Unsere Kehlen sind staubtrocken, Salz und Sand brennen in den Augen. Durstig leeren wir ein Glas nach dem anderen. Mihad füllt eifrig unsere Gläser auf und lacht dabei vor Freude. Wieder einmal werden wir spontan beschenkt – wie so oft in den letzten Wochen im Land.

Die Iraner sind äußerst interessiert an uns. Stets fallen wir auf. Zum einen wegen unserer ,komischen’ Gefährte, zum anderen sind nur wenige Touristen im Land unterwegs. In den Gesprächen und Begegnungen spüren wir, wie groß die Sehnsucht vieler Menschen nach Austausch ist. Neugierig werden wir nach dem Woher, Wohin befragt und ob uns der Iran gefällt. Wenn wir bei Familien zu Gast sind kommen Nachbarn und Verwandte vorbei, um kurz die Deutschen zu sehen und ein paar Worte zu wechseln.

Zur „Feier des Tages“ werden leckere Köstlichkeiten „aufgetischt“ (gegessen wird jedoch auf dem Boden. Uns gefällt diese Art zu speisen, ist es doch irgendwie unverkrampfter und man kann sich anschließend mit der Familie gleich in die bereitliegenden Kissen lümmeln). Abgusht (Eintopf aus Schaffleisch, Kartoffeln, Tomaten und Kichererbsen), frisches samgak (Fladenbrot), gefülltes Hähnchen, selbstgemachte Torschi und Sabzi Chordan (rohe Kräuter zum Essen). Cay, Götterspeise, Obst und Gebäck runden das Mal ab.

Unser „tägliches Brot“ ist bescheidener. Meist essen wir Brot mit Honig, Tomaten, Gurken und Melone, im Lokal „Chicken-Kebap“ mit halb verkohlten Tomaten, sehr säuerlich schmeckende Gurken und Reis.

Um an frisches Brot aus dem Steinbackofen zu kommen fahren wir oft kleine Seitenstraßen ab. Wenn in den Gassen sich Warteschlangen ohne ersichtlichen Grund vor Hauswänden gebildet haben ist das für uns immer ein untrügliches Zeichen, dass hier frische lavash, samgak oder barbari verkauft werden, traditionelle iranische Fladenbrotsorten. Als Ausländer bekommen wir die dampfenden Laibe nicht selten geschenkt.

So freundlich und zuvorkommend die Iraner sind, an manchen Tagen sind wir mit der ständigen Aufmerksamkeit jedoch überfordert. Alle paar Kilometer werden wir auf der Straße gestoppt: hier ein Smaltalk mit der Familie, da ein paar Fotos mit den Kindern… kaum sind wir wieder richtig „im Tritt“ stoppt schon das nächste Auto vor uns…

Trotzdem versuchen wir allen „gerecht“ zu werden und auch beim 30. Mal die Fragen nach dem Woher und Wohin geduldig zu beantworten.

Erstaunlich offen sprechen die Menschen uns gegenüber die teilweise schlechten Lebensbedingungen, die eingeschränkten sozialen Entfaltungsmöglichkeiten und die Repression unter Präsident Ahmadineschad an.

Viele, vor allem junge, gut ausgebildete, wollen ins Ausland gehen und träumen von einem besseren Leben in Amerika, Großbritannien oder Deutschland. Wir treffen kaum jemand, der seine berufliche Zukunft im Iran sieht. Auch die Wahl Rouhanis zum neuen Präsidenten macht nur wenigen Hoffnung. Bayram, den wir Esfahan treffen, ist jedoch überzeugt, dass es einen Wandel geben wird. Dass er seine Hoffnung trotzdem nur halblaut und nach mehrmaligen Um-sich-Blicken tut, macht auch ohne viele Worte klar, dass man ständig aufpassen muss. Angst vor Repressalien und die strengen Moralgesetze lassen nur wenig Raum für persönliche Entwicklung.

Anhand des Kopftuchzwanges erlebt Ria am eigenen Leib, was es bedeutet, wenn die persönliche Autonomie beschnitten wird. Gegen ihren Willen muss sie im Iran das Kopftuch und in Mashad gezwungenermaßen freiwillig den Tschador tragen. Das äußerst konservative Mashad („Märtyrerstätte“) ist mit 2,5 Millionen Einwohnern das Zentrum des Nordostens und jedes Jahr Pilgerstätte für Millionen Muslime. Hier liegt das Grab des Imam Reza, dem 8. Imam der Schiiten. Ohne Tschador auf der Straße wird Ria unentwegt und unverhohlen angestarrt, fast so als wäre sie nackt. Ein unangenehmes Gefühl. Mit Tschador werden die Blicke weniger intensiv. Die Hitze unter der Ganzkörperverhüllung ist aber nicht weniger anstrengend.

Die Einschränkung persönlicher Freiheiten scheinen die Iraner im Straßenverkehr zu kompensieren. Auf dem Asphalt herrscht die blanke Anarchie. Die Städte sind übervoll mit Individualverkehr. Jegliche Regeln werden ignoriert: Rechts vor Links gibt es nicht. Halten bei Rot? Wozu? Statt eines Schulterblicks wird „Gas“ gegeben. Und Geisterfahrer sind hier keine Meldung wert, denn Gegenverkehr auf unserer Spur ist ganz „normal“. Auch die Anwesenheit von Verkehrspolizisten ändert nichts an diesen Gepflogenheiten. Doch wir haben uns schnell an das Chaos gewöhnt und machen es wie die Iraner: sobald sich eine Lücke auftut einfach reinfahren. Irgendwie geht es immer ein Stück voran und jeder traktiert seine Hupe so gut und so oft er kann.

Leider habe ich (Oliver) im Iran aber auch ein unangenehmes Erlebnis auf der Straße. Zum ersten Mal in 12 Jahren Radreisen werde ich körperlich attackiert. In Talesh überholt uns ein Zweirad mit 2 jungen Männern. Beim Passieren schlägt mir der Beifahrer mit der Hand in den Nacken. Glücklicherweise behalte ich die Kontrolle über mein Rad. Dennoch ist der Fahrspaß in den nächsten Tagen getrübt. Dieser Vorfall ist jedoch der einzige negative. In positiver Erinnerung bleiben uns vor allem die vielen wunderbaren Abende bei unseren Gastfamilien, die Großzügigkeit und Herzlichkeit der Iraner und ein vielschichtiges Land, dass wir in 3 Wochen nur ansatzweise begreifen konnten.

 

Eingetaucht im Orient

Esfahan / Iran iran
112. Reisetag
(Bericht vom 18.07.2013)

IMGP8368 Gleißend scheint die Mittagssonne. Majestätisch erheben sich die blau-türkisfarbenen Moscheekuppeln über dem endlos wirkenden Dächermeer. Wir sind auf 1.500 m über N.N. Dennoch ist es drückend heiß. Bei 45 °C in der Sonne bläßt uns der Wind in den Straßen wie ein heißer Fön ins Gesicht. Isfahan liegt in Zentraliran in wüstenhafter Landschaft. Die 6-stündige Busfahrt von Teheran führte durch ausgetrocknetes, staubiges Hochland. Seit jeher ist der Fluss Zayandeh Rud Lebensader der 2 Millionen Einwohner zählenden Stadt, die wie eine Oase wirkt.

Uns haben die Geschichte Isfahans und seine zahlreichen Prachtbauten angelockt.

Die Stadt ist seit Jahrhunderten wichtiges Handelszentrum, in dem Religiosität und Handel die tragenden Säulen sind.

Gemeinsam mit Veronique und Julien aus Paris, die wir an der turkmenischen Botschaft in Teheran kennengelernt haben, streifen wir durch das Gassengewirr. Alle Bauwerke der Stadt überragt die Freitags-Moschee. Im 11. Jahrhundert erbaut besitzt sie die größte Moschee-Anlage Irans. In die gewaltige Südkuppel können wir leider nicht, doch auch die andere Teile des riesigen Areals sind faszinierend.

Der Königsplatz „Meydan-e Emam“ im Zentrum beeindruckt allein schon durch seine schiere Größe. Mit über 500 m Länge ist er der größte der Welt. Den Platz umsäumen doppelstöckige Arkaden. In den Untergeschossen befinden sich Arbeitsstätten und Geschäfte der Kunsthandwerker. Jede der 4 Seiten des „Großen Platzes“ beherrscht ein herausragendes Bauwerk.

Als erstes besuchen wir den Palast „Ali Quapu“. Von dessen offener Vorhalle, getragen von 18 Holzsäulen, haben wir einen imposanten Blick auf den Platz. Das Klacken der Pferdehufe, die fußlahme Besucher in Kutschen ziehen, hallt über den Platz. Leider trübt ein Baugerüst die Sicht etwas.

In der Imam-Moschee erhalten wir eine private Führung. 20 Jahre dauerte ihr Bau. Das hoch aufstrebende Eingangsportal mit Doppelminarett wirkt erhaben. Die Moschee gilt als eine der schönsten aus der Safaviden-Zeit. Im Inneren sehen wir warum. Wunderschöne Fliesen in tiefblauem Grundton und mit feinen Musterelementen schmücken den riesigen Innenhof. Die 54 m hohe Kuppel überstrahlt jedoch alles. Der Blick hinauf zum Strahlenkranz-Medaillon macht uns sprachlos, so meisterhaft und vollendet wirken die Ornamente.

Die 2. Moschee am Platz, die Lotfollah-Moschee von 1616, wirkt in ihren Ausmaßen dagegen bescheiden. Im Inneren ist sie jedoch nicht weniger faszinierend. Der Kuppelsaal ist der bisher schönste, den wir gesehen haben. Alles wirkt elegant, leicht – fast schwerelos. Die blau-gelben Fayencen erzeugen im gebrochenen Tageslicht eine warme, harmonische Stimmung. Lange sitzen wir am Boden auf den Perser-Teppichen und lassen die Atmosphäre auf uns wirken.

Anschließend streifen wir durch den Bazar Isfahans. Ein dichtes, schier unüberschaubares Netz aus Gassen, Kuppeln und kleinen Innenhöfen bildet das geschäftige Herz der Stadt. Wir genießen die angenehme Kühle in den alten Gemäuern und lassen uns vom Menschenstrom treiben. Alles mögliche wird feilgeboten: Teppiche, Kunsthandwerk, Antiquitäten, Stoffdrucke, Wolle, Obst und Gemüse, Farben, Kleider, Schuhe … es riecht nach orientalischen Gewürzen und Rosenblättern. Lastenträger verrichten ihre schwere Arbeit. Überall wird gehandelt. Obwohl es voll ist, können wir ungestört durch die Gassen streifen. Niemand preist lauthals seine Waren an. Auf der Brücke Pol-e-Khadjou lassen wir das Erlebte auf uns wirken und ruhen im Schatten ein wenig aus. Die Brücke wurde 1630 erbaut. 23 Bögen aus Steinen und Ziegeln überspannen den Zayandeh-Rud an dieser Stelle. Auf beiden Seiten der Brücke befinden sich überwölbte Galerien. Die Brückenköpfe und den Mittelteil zieren kleine Pavillons. Nach einer Stunden sausen wir mit dem Taxi zurück zum Platz „Meydan-e Emam“. Taxen gibt es in jeder iranischen Stadt wie Sand am Meer. Sie sind günstig, fahren schnell von A nach B und ersparen einem lange Suchereien nach der richtigen Buslinie. So oft wie in Teheran und Isfahan haben wir in unserem gesamten bisherigen Leben noch nicht Taxen gesessen.

Als es zu dämmern beginnt, versammeln sich die Isfahaner auf dem Großen Platz und warten auf das Fastenende. Kurz nach 21 Uhr picknicken schließlich überall Familien vor sich hin. Wir genießen die entspannte Atmosphäre und den Blick auf die erleuchteten Prachtbauten. Unsern Hunger stillen wir mit einem Kebab und gebackenen Tomaten. Zum Abschluss gönnen wir uns mit Veronique und Julien unsere erste Wasserpfeife. Versteckt in den dunklen Gassen der Stadt finden wir eine düster anmutende Kaschemme, gefüllt mit rauchenden jungen Männern. In einer Ecke lassen wir uns nieder. Verschwörerisch geht die Pfeife in unserer kleinen Reisegruppe reihum. Langsam füllen dichte Nebelschwaden den Raum. Etwas benebelt und nach Apfelduft riechend taumeln wir gegen 2 Uhr in unser Hotel.

Die knapp 30 Stunden in Isfahan waren prall gefüllt und unvergesslich. Ein Spruch sagt, „Hast Du Isfahan gesehen, hast Du die halbe Welt gesehen.“ Das ist sicherlich etwas übertrieben, aber eine Reise wert ist diese orientalische Stadt allemal. Die 28 Stunden Busfahrt (hin- und zurück) waren es wert. Gerne wären wir länger geblieben. Doch die Zeit rennt. Morgen geht es zurück zu Eslam und seiner Familie. Von Marand aus geht es nun mit dem Rad ans Kaspische Meer. Sicherlich wird auch dieser Abschnitt unserer Reise im Iran wieder jede Menge Überraschungen und Begegnungen bereithalten.

Auch zu diesem Bericht müssen die Bilder leider noch auf sich warten lassen. Alle Versuche eine Galerie hochzuladen wurden bisher geblockt. Immerhin ist ein Titelbild möglich und wir kommen noch auf unsere Homepage. Seiten anderer Reiseradler sind komplett blockiert…

Andere Länder andere Regeln und ein Blick hinter die Kulissen des Gottesstaates

Marand / Iran iran
105. Reisetag
2.990 km / hm

Schatten ist rar gesät Als wir am Donnerstag die türkisch-iranische Grenze erreichen, schlägt unser Puls doch deutlich schneller als bei den bisherigen Grenzübertritten. Vor einem mächtigen Eisentor, umgeben von hohen Zäunen mit Stacheldraht warten wir auf unseren Eintritt in die Islamische Republik. Übergroß blicken die „Revolutionsführer“ des Landes, Ayatollah Khomeini und Ayatollah Khamenei, von einem Plakat auf uns herab. Der Iran ist das einzige Land der Welt, in dem der schiitische Islam laut Verfassung Staatsreligion ist.

Nach wenigen Minuten öffnet sich das Tor und ein „aufmerksamer“ Guide begleitet uns durch die Grenzformalitäten. Nachdem unsere Pässe kontrolliert und abgestempelt sind, will man zunächst unser Gepäck sehen, verzichtet dann jedoch darauf. Ohne größere Probleme passieren wir nach weniger als 1 Stunde die letzte Schleuse. Vor wenigen Tagen kaum denkbar , fahren wir nun unsere ersten Kilometer auf iranischem Asphalt.

In der Stadt Maku wollen wir übernachten. Uns spricht ein freundlicher Deutsch-Dolmetscher aus Teheran an. Wieder einmal kommt unverhofft Hilfe, wenn wir sie benötigen. Gerade hatten wir vergeblich nach einer Wechselstube und einem Hotel Ausschau gehalten. Mit Pouryas Hilfe geht alles im Handumdrehen.

In den folgenden 2 Tagen fahren wir auf glattem Asphalt durch die Provinzen West- und Ost-Azerbeijan. Die wirtschaftliche Grundlage ist hier noch weitgehend die Land- und Viehwirtschaft. In ausgedehnte Becken und Tälern werden vor allem Sonnenblumen gepflanzt. Zahlreiche Schaf- und Kuhherden grasen die ausgetrockenen Weiden ab. Die Hochebenen sind steppenartig. Sandhosen wirbeln die staubtrockene Erde auf. Alle Flüsse sind ausgetrocknet, die Erdkruste ist in der Hitze aufgebrochen.

Der Lkw-Verkehr hat gegenüber den letzten Kilometern in der Türkei wieder deutlich zugenommen. Meist haben wir jedoch ein gut befahrbaren Seitenstreifen. Lediglich die waghalsigen Überholmanöver und das lautstarke, enthusiastische Hupen der Iraner lassen uns gelegentlich zusammenzucken. Nahezu jeder zweite Fahrer grüßt uns mit Licht- oder Signalhupe oder einem langgezogenen „Hellou!“. Wir fühlen uns von Anfang an im Land willkommen. Das in den Medien oft gezeichnete Bild eines sich abschottenden radikal-islamischen, „mittelalterlichen“ Staates können wir in den ersten Tagen nicht sehen. Freundlich winkend rufen uns die Menschen „Salam!“ (Hallo!) zu, immer wieder werden wir aufgefordert doch kurz anzuhalten.

Dennoch ist das Reisen im Iran für uns nicht so unbeschwert wie noch in der Türkei. Zwar erwartet der iranische Staat nicht (und erst recht nicht die Iraner), dass wir (Touristen) uns komplett dem koranischen Moralkodex unterwerfen. Einige „Benimmregeln“ müssen wir dennoch einhalten. Ab sofort hat Ria in der Öffentlichkeit ihr Haar mit einem Kopftuch zu bedecken und Oberbekleidung zu tragen, die die Körperformen nicht betont. Diese Regel ist nicht nur gewöhnungsbedürftig, bei 45°C in der Sonne ist sie auch lästig. Für mich (Oliver) ist die Kleiderordnung weniger restriktiv. Ärmellose Hemden oder T-Shirts werden nicht so gerne gesehen, aber ich kann sie tragen. Kurze Hosen sind tabu. Bei der intensiven Sonne sowieso keine gute Idee.

Hinzu kommt, dass wir mitten im Ramadan das Land bereisen. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang ist den Muslimen jegliche Nahrungsaufnahme und Trinken verboten. Für Touristen und Reisende gilt diese Vorschrift nicht. Um die religiösen Gefühle der Iraner nicht zu verletzen, nehmen wir „Festes“ jedoch nur noch abseits der Hauptstraße und sichtgeschützt ein. Die Flüssigkeitszufuhr regeln wir diskret am Straßenrand.

Auch sprachlich müssen wir uns „umstellen“. Die offizielle Staats- und Verwaltungssprache Irans ist Persisch (Farsi). Bis auf die Zahlen sind die Zeichen für uns ein „Buch mit 7 Siegeln“. Glücklicherweise stehen alle Ortsangaben auch in Englisch auf den Straßenschildern. Und auch unsere Türkisch-Kenntnisse können wir noch anwenden. Im Nordwesten Irans (Azerbeijan), wird Azeri-Türkisch gesprochen, das dem Türkischen ähnlich ist.

Kurz vor Marand treffen wir Akbar, Sportsmann durch und durch und immerzu lächelnd. In seiner Freizeit wartet er am Straßenrand auf Reiseradler, schenkt ihnen Erfrischungsgetränke und macht zur Erinnerung Fotos, die er in sein Album klebt. Gemeinsam fahren wir durch den chaotischen Stadtverkehr Marands zu Akbars Freund Eslam. Im Haus seiner Eltern verbringen wir 2 wunderbare Tage und Abende.

Was uns als erstes auffällt: das große Interesse, die Unbefangenheit und die überwältigende Freundlichkeit, die uns von allen Familienmitgliedern entgegengebracht wird. Wie schon in der Türkei beschenkt man uns mit Herzlichkeit, die uns tief berührt und nur schwer in Worte zu fassen ist.

Am ersten Abend sitzen wir gemeinsam mit Delara und Ghorban, Eslams Eltern, auf Perserteppichen im Wohnzimmer und machen es uns zwischen zahlreichen Kissen gemütlich. In der Mitte stehen bereits Essen und Trinken. Wie bei uns an Silvester blicken wir gespannt auf die eingeblendete Uhr im iranischen Fernsehen, die die letzten Minuten bis Sonnenuntergang anzeigt. Kurz nach 21 Uhr ist es endlich soweit. Das Fasten darf gebrochen werden. Über 16 Stunden haben Delara und Ghorban keinen Schluck getrunken und nichts gegessen. Nach einem kurzen Gebet beginnt das gemeinsame Abendmahl. Als es bereits nach Mitternacht ist machen wir uns alle auf den Weg in einen Art Vergnügungspark. Wie viele andere Familien breiten wir unsere Decke auf dem Rasen aus und essen zum Abschluss des Tages eine große Wassermelone.

Nach einer Mütze Schlaf fahren wir am nächsten Tag mit Eslam nach Jolfa nördlich von Marand. Extra für uns hat er sich einen Tag frei genommen. Die Grenzstadt zwischen Iran und Aserbaidschan ist eine Sonderwirtschaftszone in der Armenier, Aserbaidschaner, Russen und Iraner günstig einkaufen können. Wir schlendern ein wenig über den Markt und kaufen Süßigkeiten für die Kinder und Obst für uns. Von Jolfa aus fahren wir entlang des Flusses Aras, der hier die aserbaidschanisch-iranische Grenze bildet. Durch ein beeindruckendes Tal geht es zum Kloster des heiligen Stephanos. Die Straße windet sich entlang schroffer rötlicher Felsen, vorbei an Überresten einer alten Karawanserei und einer Kirche. In der malerischen Umgebung, an einem Berghang gelegen, beeindruckt die Klosteranlage schon von weitem. Eingefasst von einer mächtigen Wehrmauer aus Bruchsteinen verbirgt sich im Innenhof ein armenische Kirche mit schönen Reiterbildern und Ornamenten an der Außenfassade. Wir streifen zu Dritt durch die Anlage und ruhen uns anschließend im Schatten alter Bäume aus.

Am Abend sind wir zu Gast bei Sarah, Sinar, Hamide und Mohammed. Der Kontakt hatte sich spontan am Abend zuvor ergeben. Kaum schließt sich die Tür des Hauses fliegen die Kopftücher von den Köpfen. Das ist das zweite was uns auffällt: der deutliche Unterschied zwischen öffentlicher und private Sphäre. In der Öffentlichkeit – und das meint im Iran außerhalb der eigenen 4 Wände – gilt die Kopftuchpflicht. Innerhalb der eigenen Wohnung ist man jedoch frei. Ausgelassen und ungezwungen sprechen wir über alles, was uns interessiert und bewegt und essen gemeinsam im Innenhof Abendbrot. Als Vorspeise gibt es orientalisch schmeckende Suppe mit Graupen und getrockneten süßen Beeren. Anschließend essen wir gekochten Reis (polo) mit Bohnen und zartem Schaffleisch in einer Fleischsoße (khoresht). Dazu gibt es eine minzeartige Limonade und selbstgemachten Kirschsaft, jede Menge frisches Obst und Tee. Die wenigen Stunden vergehen wie im Flug. Zu gerne würde uns die Familie über Nacht bei sich behalten. Da wir jedoch unseren Ausflug nach Teheran vorbereiten wollen müssen wir leider ablehnen. Herzlich verabschieden wir uns voneinander.

Den heutigen Tag haben wir mit Vorbereitungen, Ticket kaufen und Ruhen verbracht. In gut 2 Stunden besteigen wir den Nachtbus nach Teheran. Knapp 800 km sind es in die Hauptstadt Irans. Dort bekommen wir hoffentlich problemlos unser Visum für Turkmenistan. Unsere Räder und unser Gepäck lassen wir solange bei Eslam in Marand. Nach unserer Rückkehr geht es weiter Richtung Kaspisches Meer.