Rumänische Gastfreundschaft

Rumänien

Valentins Lachen ist sofort ansteckend. Strahlend kommt er uns entgegen. Auf dem Rücken noch sein Rucksack vom letzten Backpacking-Trip. Gemeinsam mit seinen Eltern wohnt er in einem Plattenbau im Zentrum Curtea de Arges. Die Wohnung ist sehr einfach eingerichtet. Die Gastfreundschaft und Wärme der Familie Florin ist dafür um so größer. Eigentlich sind nicht genug Betten vorhanden. Aber alles kein Problem. Extra für uns ist die Mutter ausgezogen, damit wir und Valentin Schlafplätze haben. Wir bekommen sein Zimmer.

Nachdem wir unsere Räder und Packtaschen in den 4. Stock gewuchtet haben gibt es ein rumänisches Abendbrot, das traditionell mit einer Supa beginnt. Bei uns ist es eine Ciorba de Legume, eine Gemüsesuppe. Anschließend gibt es die berühmten Sarmale, Krautwickel aus sauer eingelegten Weißkohlblättern mit einer würzigen Hackfleischfüllung. Zum Abschluss bekommen wir jeder ein Stück leckere Cremetorte.

Während wir die letzten Stücke davon verspeisen füllt sich die Küche nach und nach mit Valentins Freunden. Herzlich werden wir begrüßt. Obwohl wir 80 anstrengende Kilometer in Beinen haben, verspüren wir keine Müdigkeit. Die ausgelassene Stimmung der jungen Leute ist ansteckend. Und so gehen wir gemeinsam mit Vladi, Adrian, Giggi, Klaus, Ioan und Andrei in ihr Stammlokal. Wir sind ihre Gäste und werden eingeladen. Es ist ihnen wichtig, dass wir eine gute Zeit in Rumänien haben. Und die haben wir heute Abend ganz besonders. Ausgelassen singen, tanzen und lachen wir bis in den Morgen. Als wir uns ins Bett legen, geht die Sonne gerade wieder über Curtea de Arges auf…

Auch der folgende Tag ist voll positiver Überraschungen. Zunächst besuchen wir das sehenswerte Kloster der ehemaligen Fürstenstadt. Anschließend wollen wir ein Stück der berühmtesten Passstraße Rumäniens – der Transfăgărășan – mit dem Auto fahren. Leider kann Andrei, der uns fahren wollte, nicht, da er einen Termin hat. Aber alles kein Problem. Valentin ruft einen anderen Freund an. 10 Minuten später holt uns Emilian mit seinem Auto ab. Gemeinsam fahren wir auf rumänische Art – sprich mit 100 Sachen und mehr – die Nationalstraße 7 C in Serpentinen zum Vidraru-Stausee hinauf. Die Talsperre ist beeindruckend, 166 hoch und 305 m lang. Sie wurde gebaut, um Strom aus Wasserkraft zu erzeugen. Im Sommer kann man von der Staumauer Bungee-Sprünge machen. Auf der Rückfahrt besichtigen wir das eingentlich nicht zugängliche Wasserkraftwert (alles kein Problem) und machen einen Kaffeestop bei Freunden Emilians. Zurück bei den Florins bringt uns Andrei selbstgemachte Waffeln vorbei. Den Abend lassen wir gemeinsam entspannt in einem Lokal ausklingen. Als wir am nächsten Morgen feststellen, dass wir noch keine Postkarten vom berühmten Kloster gekauft haben, werden wir spontan hingefahren. Alles kein Problem …

Damit enden 2 wunderschöne Tage mit Valentin. Der Abschied fällt uns schwer. Nach einer letzten herzlichen Umarmung steigen wir auf unsere Räder, bewegt von so viel Gastfreundschaft.

Ab in die Walachei

Oltenita / Rumänien
41. Reisetag
1192 km

Am vergangenen Sonntag verließen wir Sibiu auf der E81 und fuhren entlang des Flusses Olt Richtung Süden. Der 670 km lange Olt hat im Laufe der Zeit eine tiefe Schneise in die Südkarpaten gefressen und hierdurch eine der wenigen flacheren Nord-Süd-Passagen geschaffen. Auf den ersten Kilometern haben wir einen fantastischen Blick auf das gewaltige Massiv der schneebedeckten Karpaten, die auch die Transsylvanischen Alpen genannt werden. Im Zentrum des Fagaras-Gebirges erhebt sich der Muldoveanu, mit 2.544 m der höchste Berg Rumäniens. Das Gebirge ist schroff, felsig und hochalpin. Kristalliner Schiefer bestimmt das Bild. Die Fahrt durch das Tal ist zunächst wenig spektakulär. Bewaldete Hügel erheben sich links und rechts, der lehmige Olt fließt ruhig dahin. Schiffbar ist er nicht. Die Straße ist für eine Europastraße recht schmal und wir sind froh, dass heute Sonntag ist und nur wenige Lkw’s uns überholen. Erst zum Ende hin wird es spektakulärer. Das Tal verengt sich zunehmend, steile Felswände erheben sich jetzt zu beiden Seiten. Der Himmel erhöht noch die Dramatik. Dunkle Wolken verkünden ein drohendes Gewitter. Wir erreichen Brezoi jedoch im Trockenen.

Einen Tag darauf geht es durch das hügelige Karpatenvorland. Der 2. Teil des Streckenabschnitts ist anstrengend und schweißtreibend. Bei bis zu 13 % Steigungen müssen wir zum ersten Mal unsere Räder ein Stück weit schieben. Zusätzlich setzen uns die Hunde (wie schon am Vortag und in den darauffolgenden) immer wieder zu. In der Regel liegen sie friedlich am Straßenrand, viele in einem beklagenswerten Zustand. Einige jedoch, besonders im Rudel, haben es auf uns abgesehen. Urplötzlich tauchen sie neben den Rädern auf und jagen uns bellend hinterher. Da hilft nur wider dem eigenen „Fluchtinstinkt“ die Nerven bewahren, anhalten, die Meute anschreien, im Blick behalten und langsam weiterlaufen. Nicht immer leicht zu praktizieren, wenn neben einem der Verkehr vorbeirast oder man an einer Steigung aus den Klickpedalen kommen muss.

Am Abend erreichen wir schließlich Curtea de Arges. Die alte Fürstenstadt und einstige Hauptstadt der Walachei hat ein hervorragend erhaltenes Kloster, das zu den schönsten Sakralbauten Rumäniens gehört. Am Ende einer Kastanienallee liegt das Kloster in einem Park, der wie eine Oase in der trubeligen Stadt ist. Wie gestern erst fertig gestellt wirkt auf uns der Bau, der türkische und arabische Einflüsse an der Fassade miteinander verbindet. In der nahe gelegenen Fürstenkirche des Hl. Nikolaus, eine der ältesten Rumäniens (1352), können die Gläubigen auf Zetteln ihre Wünsche notieren und mit einer Geldspende dem Ganzen „Nachdruck“ verleihen.

Über die Industriestadt Pitesti (hier läuft der DACIA von den Bändern, das einzige Auto, das jemals in Rumänien hergestellt wurde) geht es am Mittwoch in die große Walachei (Muntenien), die die Rumänen auch „Tara Romaneasca“, „Das rumänische Land“ nennen. Das historische Stammland Rumäniens rund um die Hauptstadt Bukarest ist landschaftlich und kulturell nicht so abwechslungsreich. Dafür haben die ursprünglichen, bunten Dörfer ihren Reiz. Schon früh am Morgen erwachen sie zu Leben. Viele Einwohner machen sich mit Sichel und Harke gerade auf den Weg zu den Feldern. Die Dorfkinder schultern ihre Schulranzen und rufen laut „bicicleta“, wenn wir an ihnen vorbeifahren. Dorfpriester ziehen mit wehendem Gewand durch den Ort und segnen die Häuser. Der Duft von blühender Akazie liegt in der Luft. Alles mögliche „Federvieh“ ist auf den Beinen. Gänse, Perlhühner, Truthähne und Enten streifen durch die Straßen. Kühe, Ziegen, Esel und Pferde grasen das frische Grün am Wegesrand. Vor den Häusern sitzen die Alten auf ihren Bänken und schauen dem Treiben zu. Ein bischen kommen wir uns vor, wie aus der “Zeit gefallen”.

Außerhalb der Ortschaften ist der Blick über den Lenker stets derselbe: endlos wogende Getreidefelder so weit das Auge reicht. So flach, wie man geheim annimmt, ist die südliche Ebene aber nicht. Immer wieder haben wir kurze aber knackige Anstiege. In den letzten 3 Tagen sind wir 270 km fahren und dennoch nicht so schnell vorangekommen wie gedacht. Starker Ostwind und teilweise üble Sand- und Schlaglochpisten verhindern ein schnelleres Vorwärtskommen. Im Süden des Landes sind die Straßen oftmals ein einziges Überraschungsei und die Klassifizierung auf unserer Straßenkarte hilft nur wenig. So kann es durchaus passieren, das bester Asphaltbelag und Schotterpiste unvorhersehbar wechseln, selbst auf Hauptstraßen, die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdienen. Und so sitzen wir bis kurz vor Sonnenuntergang im Sattel um wenigstens halbwegs das Tagespensum zu schaffen. Immerhin werden wir in der letzten Nacht mit einem „Bett im Kornfeld“ belohnt. Abseits der Dörfer schlafen wir bestens und starten bereits um 8 Uhr morgens, um zumindest in den ersten Stunden bei angenehmen Temperaturen unterwegs zu sein. Das Wetter ist immer noch hochsommerlich und Mittags sind es 28 – 30 °C im Schatten. Von der bulgarischen Grenze sind wir in Oltenita nur noch einen „Steinwurf“ entfernt. Morgen fahren wir aber noch 70 km auf der rumänischen Seite, bevor wir die Donau bei Silistra passieren und damit auch die Grenze zu Bulgarien.

Osternacht in Sibiu

Sibiu / Rumänien 

Es ist kurz vor Mitternacht an diesem Samstag. Nach einem nächtlichen Besuch der Altstadt Sibius kommen wir genau zur richtigen Zeit an der Kathedrale „Heilige Dreifaltigkeit“ an, um den Beginn der Osternacht mitzuerleben. Über 85 % der Rumänen sind in der Orthodoxie verwurzelt.

Der Diözesanbischof des Bistums von Sibiu begibt sich gerade mit seinen Priestern und Diakonen feierlich in die Orthodoxe Kathedrale. Das Portal ist in ein warmes Licht gehüllt, von den Kirchtürmen erklingen die Glocken. Vor dem Eingangsportal und in der Straße haben sich hunderte Gläubige versammelt. Sie alle wollen dem Höhepunkt der orthodoxen Osterfeiern beiwohnen – der Zeremonie des „Heiligen Feuers“.

Dem Glauben nach entzünden sich Kerzen an einem Licht, das nur zu Ostern am Grabe Jesu Christi erscheint. Die Flammen sind ein Symbol dafür, dass Jesus noch immer unter den Menschen weilt.

Wenige Minuten nach dem Eintritt in das Gotteshaus erscheint der Diözesanbischof erneut – sichtbar hebt er das Feuer in die Höhe. Zusammen mit den anderen geistlichen Würdenträgern begibt er sich in einer Prozession um die Kathedrale. Viele Gläubige folgen. Man entzündet sich gegenseitig die Kerzen bis schließlich die Menge in ein Lichtermeer getaucht ist. Psalme werden gesangartig rezitiert und wann immer die Dreifaltigkeit (die Einheit von Gott, Vater und Sohn) erwähnt wird, bekreuzigt sich die Gemeinde. Schließlich erklingt von der Balustrade der achttönige Gesang des Chors “Christus ist auferstanden”. Die Gläubigen um uns herum stimmen leise ein.

Es ist eine besondere Atmosphäre – feierlich und doch entspannt. Der Gottesdienst wird erst in den Morgenstunden enden. Wir verlassen die Szenerie, berührt vom Lichterglanz und den Gesängen.

Nun fragt sich sicherlich der ein oder andere Leser, wieso erst jetzt Ostern bei den Orthodoxen gefeiert wird. Das liegt daran, dass die Anhänger der Ostkirche das Osterdatum noch nach dem julianischen Kalender berechnen, der dem gregorianischen „hinterherhinkt“. So kommt es, dass wir das dreitägige Osterfest „Paste“ – der höchste Feiertag des orthodoxen Kirchenjahres – in Siebenbürgen miterleben können. Schon die letzten Tage kündigten überdimensionale Eier in Parks und auf Plätzen der Städte vom bevorstehenden Fest. Und in den Supermärkten wurden palettenweise Eier, Mehl und jede Menge Hefe gekauft um in den Familien Osterbrote und Pasca (einen Hefekranz) zu backen, die in dieser Osternacht in die Kirchen mitgebracht werden, um sie segnen zu lassen.

Im Herzen Rumäniens

Sibiu / Rumänien
35. Reisetag
780 km

 Eine Woche nach dem Passieren der Grenze sind wir in der Mitte Rumäniens – in Transsilvanien (Siebenbürgen) – angekommen. Das hügelige Hochland im südlichen Karpatenraum hat viel mehr zu bieten als das gängige Dracula-Klischee.

Die Region ist vor allem durch Landwirtschaft, Holzverarbeitung, Abbau von Eisenerz und Steinen geprägt. Abseits der Städte leben die Menschen noch im Rhythmus und Einklang mit der Natur. Agro-Industrie gibt es nicht, Flurbereinigung wie in Deutschland hat hier nie stattgefunden. Überall werden kleine zerstreute Flächen von Bauern bewirtschaftet. Schon früh am Morgen grüßen sie uns mit einem freundlichen „Buna Ziua!“ („Guten Morgen“) vom Feld. Pferdefuhrwerke sind hier noch täglich zu sehen und auch auf den Feldern helfen die Pferde beim Pflügen der Erde. In den Dörfern haben die Hühner noch allen Auslauf den ihr Hühnerherz begehrt. Schweine, Kühe und Truthähne wandern munter durchs Dorf. Die meisten Hunde dösen zum Glück in der Sonne und sind zu müde, um uns hinterher zu jagen.

Das Leben in den Städten dagegen ist hektischer, der Verkehr deutlich stärker, überall wird irgendwie irgendwo gebuddelt oder gebaut. So kann es einem schon mal passieren, dass mitten im Zentrum von Sebis die Straße aufgebrochen ist, neu geteert wird und der Verkehr sich links und rechts der ungesicherten Baustelle in Eigenregie vorbeiquält. Große, graue Plattenbausiedlungen und verfallene Industrieanlagen zeugen vom Versuch Caucescus bürgerliche Wohnstrukturen zu beseitigen und aus dem bäuerlichen Rumänien mit aller Macht einen sozialistischen Industriestaat zu formen. Die Stadtkerne sind zum Glück oft noch erhalten geblieben und kommen einem in Siebenbürgen vertraut vor. Der Einfluss der sächsischen Siedler ist überall im Stadtbild und den doppelten Namensbezeichnungen (Deva [Diemrich], Sebes [Mühlbach], Sibiu [Hermannstadt]) noch erkennbar. Dieser krasse Gegensatz von Alt und Neu hat seinen Reiz und es gibt viel vom Rad aus zu sehen. Insgesamt ist Rumänien für uns schon exotischer als noch Ungarn aber nicht befremdlicher. Die Menschen sind hier weniger reserviert, viele grüßen freundlich und wünschen „Drum bun!“ eine „Gute Reise“.

Und die haben wir. Erster Höhepunkt war eine Zeltnacht in den Westkarpaten mit Blick auf das markante Bihor-Gebirge und den schneebedeckten 1.849 m hohen Curcubáta Mare. Nach der flachen pannonische Tiefebene ließen uns der erste Pass (461 m) und zahlreiche kurze aber kräftige Anstiege bei hochsommerlichen 36 °C in der Sonne mächtig ins Schwitzen kommen. Nach einem heftigen Gewitter an der Mures, dass uns erwischte, als wir gerade vor unserem Zelt unser Abendbrot essen wollten, ist die Luft etwas klarer, aber immer noch heiß.

Die Straßen im Land sind bisher meist besser als befürchtet. Zwar wechselt die Qualität häufig, aber insgesamt lässt es sich ganz gut fahren. Lediglich die Strecke von Sebes nach Sibiu auf der E68/81 war kein Vergnügen und nervenaufreibend. Ein Anstieg nach dem anderen (7 – 8 %) mussten wir uns auf dem verdreckten und ausgefahren Straßenrand hochkämpfen, während neben uns die Lkw’s teilweise mit Minimalabstand vorbeisausten. Als wir spät am Abend nach über 90 km Sibiu erreichten waren wir fix und fertig. Und wie zur Belohnung dürften wir die letzten 3 km auf dem ersten Radweg in Rumäniens fahren. Welche Wohltat! In der Stadt haben wir uns für 2 Tage ein Zimmer in einer Pension genommen, um etwas von den  Osterfeierlichkeiten mitzubekommen.

Die Kinder von Tipar

Rumänien
Tipar

 

Neugierige Augenpaare sehen uns an. Interessiert werden unsere Fahrräder begutachtet, vor Rias Kamera posieren die Jungs. Mit einem strahlenden Lächeln und freundlichen „Tschau!“ geben uns die Kinder zur Begrüßung die Hand. Wir sind in Tipar angekommen – ein 1000-Seelendorf nördlich von Timisoara.

Stefanie und Ramon nehmen uns für eine Nacht bei sich auf. Im Garten verbringen wir, zusammen mit Hühnern, einem Hahn und 2 Ziegen, einen entspannten Abend bei Pasta, den nur die zahlreichen Mücken stören.

Stefanie lebt in Tipar seit 7 Jahren. Zusammen mit einem Freund hat sie 2006 den gemeinnützigen Verein Satul Nostru e.V. gegründet und wenig später im Dorf das Jugendhaus “Casa Tineretului” ins Leben gerufen, das allen Kindern von Tipar offen steht – auch den Roma-Kindern, was in Rumänien keine Selbstverständlichkeit ist.

Die Roma sind nach den Ungarn die zweitgrößte Minderheit im Land, ihre alltägliche Benachteiligung ist aber weitaus größer als die anderer Ethnien. Von weiten Teilen der rumänischen Öffentlichkeit werden Roma nach wie vor ausgegrenzt. Ein Großteil von ihnen ist arbeitslos, Diskriminierungen bei der Arbeitsplatzsuche sind an der Tagesordnung. Auch 24 Jahre nach dem Sturz Ceausescus bezahlen viele Roma für den Plan des Diktators, aus dem Agrarland Rumänien mit allen Mitteln eine sozialistische Industrienation zu formen. Man verweigerte ihnen die Gewerbeerlaubnis, verbot privaten Kleinhandel und das für die Saisonarbeiter grundlegende Nomadentum. zusammengepfercht in verslumten Wohnsilos am Rande der Dörfer und Städte, konnten sie ihre traditionellen Berufe in der Landwirtschaft und im Kleingewerbe nicht mehr ausüben. So entstand ein verhängnisvoller Kreislauf aus Ausgrenzung, Verwahrlosung und Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge, der bis heute vielerorts anhält.

Auch die Roma von Tipar leben am Ende des Ortes, separiert von den anderen Einwohnern (im Dorf leben 5 Ethnien – Rumänen, Roma, Ungarn, Slowaken und Deutsche), in einem Slum ohne fließend Wasser. Ablehnung und Ausgrenzung sind auch hier noch immer spürbar. Ihre eigene Aussichtslosigkeit, mangelnde Chancen und schulische Möglichkeiten haben bei den Roma Spuren hinterlassen. Lethargie und Gleichmut bestimmen den Alltag.

Als wir zusammen mit Stefanie und Ramon das Viertel besuchen sind wir geschockt von den Lebensumständen, in denen die Kinder aufwachsen. Nur 3 Autostunden von Wien entfernt scheinen wir – mitten in Europa – in einer anderen Welt zu sein. Bittere Armut und katastrophale hygienische Zustände herrschen im Viertel. Unser Besuch ist nur kurz und doch vermittelt er uns eine Ahnung vom Leben der Roma an Rande der Gesellschaft.

Mit ihrem Jugendhaus, das ausdrücklich allen Kindern von Tipar offen steht, hat Stefanie einen Platz geschaffen, an dem Ausgrenzung keinen Platz hat, wo die Kinder gegenseitigen Respekt und Achtsamkeit lernen können und wo die Kinder von Tipar einfach nur „Kindsein“ dürfen und mit ihren Bedürfnissen ernst genommen werden. Der unaufhörliche Zirkel von Ausgrenzung und Diskriminierung wird hier durchbrochen. Die Kinder und Jugendlichen können Tischtennis und Kicker spielen, Einrad fahren, sich in Akrobatik üben und kreativ sein. Wichtige Erfahrungen, um das Gespür für ihre Fähigkeiten, ihren Wert und ihre Würde zu stärken.

Diese wichtige Arbeit von Satul Nostru Deutschland e.V. und von Stefanie in Tipar wollen wir unterstützen. Gerne würden die Kinder einmal ein Ferienlager im Sommer erleben, am offenen Feuer kochen, in der Natur zelten, ein paar unbeschwerte Tage erleben. Um diesen Wunsch erfüllen zu können, fehlen noch finanzielle Mittel. Wir wollen daher für das Projekt 500 € an Spendengeldern sammeln. Den Anfang machen wir mit einem Sockelbetrag in der Hoffnung das viele kleine und große Spenden folgen und so der Traum der Kinder von Tipar noch diesen Sommer in Erfüllung geht.

Spenden können direkt auf das Konto des Vereins Satul Nostru Deutschland e.V.

Konto-Nr.: 12503241

BLZ: 68050101

Sparkasse Freiburg

überwiesen werden. Bitte gebt das Stichwort „Zeltlager“ an. Auch Sachspenden (Zelte, Matten o.ä.) werden vom Satul Nostru Deutschland e.V. gern entgegen genommen. Auf unserer Homepage informieren wir über den jeweils aktuellen Spendenstand.

Wer sich genauer über den Verein und seine Arbeit informieren möchte, kann dies auf www.satulnostru.de tun.

Nasskalter Start

Szolnok  / Ungarn
6. Reisetag
127 km

Der Weg aus Budapest war nicht so leicht wie erhofft. Mit dem Rad aus der Metropole Ungarns herauszufinden war ein anstrengender Auftakt und mit einigen Irrungen und zusätzlichen Kilometern verbunden. Was gleich auffiel: der harte Kontrast zwischen Zentrum und Peripherie. In den Außenbezirken und Vororten Budapests dreht sich das Rad der Zeit nur langsam. Die Orte sind meist schmucklos, an vielen Häusern steht „ÉLADO!“ „Zu verkaufen!“. Die Straßen sind meist in schlechtem Zustand, besonders jetzt nach dem Winter. In Budapest wollte ein junger Ungare sein Rad nebst 2 Platten gegen Olivers eintauschen. Wir lehnten dankend ab und verabschiedeten uns mit einem freundschaftlichen Handschlag.

Die erste Nacht im Zelt in der Pester Heide war ruhig. Lediglich die Hähne der umliegenden Gehöfte veranstalteten gegen 3 Uhr einen „Gesangswettstreit“, der uns kurze Zeit aus dem Schlaf riss.

Nachdem es am Mittwoch bei trockenen 6 °C noch angenehm zu fahren war, haben uns heute Regen und Wind kräftig erwischt. Völlig durchgekühlt und ziemlich erschöpft sind wir in Szolnok angekommen. Im Gästehaus des Trojka Hotels (die einstigen SPD-Granden der 70er und 90er Jahre werden wohl nicht die Namensgeber gewesen sein) haben wir für 8.000 HUF eine Nacht ein Zimmer gemietet . Unsere Räder dürfen wir im Party-Raum des Hotels unterstellen. Das Gästehaus ist einfach aber sauber und nachdem Ria den Hotelier darauf aufmerksam machte, dass es recht kalt im Zimmer ist, bollert auch die Heizung und trocknet hoffentlich bis morgen unsere durchnässte Kleidung.

38°Celsius

Budapest / Ungarn
3. Reisetag
8 km

Nein, in Budapest ist nicht der Hochsommer ausgebrochen. Wir haben unseren letzten Tag in der Stadt u.a für einen ausgiebigen Besuch im Széchenyi Heilbad genutzt. Die monumentale Anlage aus dem Jahr 1913 ist eine der größten Badkomplexe Europas und versprüht den Charme vergangener Zeiten. Ein letztes Mal legen wir die Beine (im mineralreichen Wasser) hoch bevor es morgen endlich auf die erste Etappe geht…

Auf Schienen ins Land der Magyaren

Budapest – Ungarn
2. Reisetag
8 km


 Végállomás! Kérés Kiszáll!

“Endstation! Bitte Aussteigen” knarzt es aus dem Lautsprecher. Es ist kurz vor 23:00 Uhr. Nach über 12 Stunden Bahnfahrt durch monotone verschneite Landschaften haben wir Budapest – Ungarns Hauptstadt – erreicht.

Unsere Weltreise beginnt also anders als geplant. Nicht mit dem Rad von der Haustür aus, sondern per Zug. Der hartnäckige Winter hat uns einen weißen Strich durch die Planung gemacht. Der Abschied von unseren Familien am Berliner Hauptbahnhof war emotional. Eine letzte Umarmung dann setzte sich gegen 10:45 Uhr der Eurocity 175 in Bewegung.

Wir sind in einer einfachen aber sehr netten Pension südlich der Budapester Altstadt untergekommen. Bis Mittwoch lassen wir uns noch durch die sehenswerte 1,7 Millionen Einwohner zählende Metropole Ungarns treiben.

Die Stadt ist quirlig aber keineswegs hektisch. Ein bunter Stilmix verschiedenster Perioden ihrer Geschichte bildet einen interessanten Kontrast. Historisches steht neben Modernem, imposante, teils ergraut-abblätternde Jugendstilfassaden neben grellen Konsumtempeln. Im Zentrum Buda mit seinen barocken Palästen, der königlichen Burg mit dem majestätischen Blick auf die unten fließende Duna (Donau) und dem gewaltigen Parlamentsgebäude. Das abendlich beleuchtete Burgviertel mit der Matthiaskirche war Abschluss und Höhepunkt des ersten Tages.

Morgen gönnen wir uns einen Besuch in einem der zahlreichen Badehäuser. Da die Stadt geotektonisch gesehen auf einer Bruchstelle liegt, ist Budapest reich an Thermalquellen und das einzige Kurbad, das zugleich Hauptstadt ist.

 

 

 

Rodeln statt Radeln

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!

Kaum sind Infekt und Erkältung überstanden und die Räder bepackt, bricht der Winter noch einmal über Deutschland herein.

Die zusätzliche Winterauszeit nutzen wir, um neben unserem Iran-Visum auch gleich jene für Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan zu beantragen. Das Ausfüllen der Formulare verlangt uns 2 Tage und einiges an Geduld ab, wenn, wie beim usbekischen Visa-Antrag, dieser nur online ausfüllbar ist, der usbekische Server aber regelmäßig nach Eingabe aller Daten abstürzt … Ansonsten versuchen wir mit kleinen Radtouren unsere Hintern „weltreisetauglich“ zu machen. Da kann ein harter Ritt auf dem Schlitten nicht schaden :-)

Allen, die einen kompetenten Fahrradladen in Berlin suchen, können wir die Fahrradfritzen in der Eisenacher Str. 63 in Berlin-Schöneberg empfehlen. Jan-Ole und Robby haben unsere Räder noch einmal kritisch geprüft und ihnen den letzten „Schliff“ gegeben.

Letzte Tage in Berlin

Pünktlich zu unserem geplanten Reisestart hält in Berlin der Frühling Einzug. Leider ist die Berliner Erkältungswelle auch an uns nicht vorbeigegangen. Und so nehmen wir uns noch ein paar Tage Zeit zum Auskurieren. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. In ca. einer Woche starten wir zu unserer Weltreise.

In den letzten Wochen haben wir Kisten gepackt, Möbel zerlegt und schließlich all unser Hab und Gut eingelagert. Nun heißt es die Ausrüstung in die Taschen zu packen, die letzten Besorgungen zu erledigen, das Fahrrad für die Abreise fit zu machen, Visaangelegenheiten einzufädeln und zu guter Letzt auch die eigenen Gedanken und Gefühle auf die Reise einzustellen.

Das Abschied nehmen von Familie und Freunden stand und steht im Mittelpunkt der letzten Tage. Die Abschiedfeier  in unserer fast leeren Wohnung hat viel Spaß gemacht und die Zeichen auf Anfang gestellt. Nun geht es also wirklich los. Gestern hat Bettina uns den Weltreise- “Staffelstab” übergeben. Sie ist nach ihrer zweijährigen Weltreise wieder zu Hause angekommen. Alles Gute in Berlin Bettina.