„If you are going to San Francisco …“

San Francisco/ USA usa
573. Reisetag
19.000 km / 124.014 hm

IMGP4100Die letzten Etappen waren kräftezehrend. So schön, wild und ungezügelt der Küstenabschnitt in Nordkalifornien ist, so steigungsreich ist er auch. In 3 Tagen überwinden wir fast 3.500 Höhenmeter. Das mussten wir nicht mal in Südamerika absolvieren!

Dass die Region um San Francisco herum ein erdbebengefährdetes Gebiet ist bekommen wir erstmals in Half Moon Bay “zu spüren” (Nach dem Besuch der Stadt). Mitten in der Nacht entlädt sich die geologische Spannung in Form von kleinen Erdbeben. Der Boden unter unserem Zelt vibriert – zweimal für ca. 20 Sekunden innerhalb weniger Minuten. Es sind keine “Big Bangs” – wie die Amerikaner sagen – doch es ist schon ein irritierendes Gefühl, wenn die Erde, die sonst festen Halt bietet in Bewegung gerät.

Die letzte Nacht vor der Einfahrt nach San Francisco verbringen wir bei Doug in Sausalito. Der Ort ist hübsch und nobel. Ein Platz für Besserverdienende mit einer unglaublichen Yachthafenkonzentration. Doug ist begeisterter Radfahrer, ein feiner Mensch und ein fantastischer Gastgeber. Nach allen Regeln der Koch- und Backkunst verwöhnt er uns. Alles ist selber zubereitet: Lasagne, bunter Salat und Saucen Hollandaise, Coffe-Cakes und Apfelmus, Lemon- und Himbeer-Sorbet, Brownies mit Vanille-Eis und Schokosauce und nicht zu vergessen Black Bottom Pie (ein Traum von Eierschaum-Kuchen mit Schokoladenboden). Es ist wie im Schlaraffenland.

Am nächsten Morgen klettern wir ein letztes Mal einen 10%igen Anstieg hinauf, dann liegt sie uns „zu Füßen“: die Golden Gate Bridge. Am Viewpoint (Aussichtsbereich) legen wir einen ersten Stopp ein und genießen den Blick auf das Wahrzeichen der Stadt. Auf der Landzunge zwischen Pazifik und San Francisco Bay erhebt sich die Skyline mit den für amerikanische Städte typischen Hochhäusern. Zwischen all den Skyscrapers unübersehbar das 1972 errichtete pyramidenartige Transamerica Buildung (260 m), noch immer das höchste Gebäude der Stadt.
Dann fahren wir auf die Golden Gate Bridge. Die enge Einfahrt durch das „Goldene Tor“ in die Bucht von San Francisco ist ein bewegendes Erlebnis. Oft haben wir in den vergangenen Tagen diesem Moment entgegengefiebert. Und nun sind wir am Ziel. Wieder geht ein Kapitel unserer Reise damit zu Ende … und wir schlagen ein neues auf.
Sechsspurig fließt der endlose Verkehrsstrom über die sechsspurige Fahrbahn. Daneben der Fuß- und Radweg. Wir fahren ohne Hast. Die Zeit auf diesem filigranen Stahl-Koloss wollen wir in vollen Zügen genießen.
2.373 m ist die Brücke lang. Die Spannweite zwischen den 227 m hohen Pfeilern beträgt 1.280 m. Als wir am Spätnachmittag auf der anderen Seite ankommen taucht die Sonne die Golden Gate Bridge in gleißendes Rot und das umliegende Land erstrahlt in warmen Gelb- und Brauntönen.

San Francisco selber ist kein gutes Pflaster für Radler – zumindest für vollbepackte wie uns mit 35 kg Gepäck. Die hügelige Topographie und die Stadtplaner sind „schuld“. Zahlreiche schnurgerade Straßen mit steilem Gefälle verlaufen achterbahnähnlich auf und ab. Wir umgehen die schlimmsten Steigungen auf einem Stück des „49-Mile Scenic Drive“ und kommen bei Nick im Stadtteil Mission unter. Ein Hotelzimmer ist nicht bezahlbar. San Francisco ist das teuerste Hotelpflaster unter den großen Städten an der Westküste.
Mission dagegen ist das „alte Kreuzberg“ von San Francisco – etwas schmuddelig aber mit Charme und alternativem Leben. Viele skurrile Läden, Szene-Bars und mexikanische Minimärkte reihen sich aneinander. Auf den Bürgersteigen wird offen gedealt und konsumiert. Arme, Obdachlose und Kranke prägen genauso das Straßenbild wie die „bunten Vögel“. Uns schockiert der Anblick so vieler Menschen am sog. „Rand der Gesellschaft“. Obwohl wir aus vielen bereisten Ländern Armut „gewohnt sind“, schockiert uns das Schicksal dieser Menschen und die harte, reale Welt des amerikanischen Alltags fern des „American Dream“. Die „Traumfabrik“ Amerika hat nicht für jeden Happy Ends. „Hire and Fire“ ist gängige Praxis. Wer seinen Job verliert und nicht schnell einen neuen findet, für den ist der amerikanische Traum schnell ausgeträumt. Staatliche Unterstützung europäischer Prägung sind den USA fremd. So landen viele auf der Straße. Ihr aus eigener Kraft zu entkommen gelingt wohl nur im Einzelfall …

Zu Fuß erkunden wir die Stadt. Welch Kontrast am Union Square! Alles ist blitze-blank, fein und edel. Hier ist der Mittelpunkt der Geschäftswelt San Franciscos. Man trägt edlen Zwirn, High Heels und shoppt nach Herzenslust in den Edelboutiquen. Gleich daneben liegt Chinatown. Mehr auf Touris eingestellt als uns lieb ist, aber dennoch sehenswert. Die sagenhaften Angebotssammlungen in den Apotheken und die farbenprächtigen Auslagen faszinieren. Und die exotischen Wohlgerüche aus den Restaurants lassen uns von den heißgeliebten Garküchen in Südostasien träumen …
Unweit der gewaltigen doppelstöckigen San-Francisco-Oakland Bridge (8.300 m!) liegt die Heimstätte der San Francisco Giants. Das Baseball-Team spielt gerade gegen die Kansas City Royals in den World-Series – das Finale der us-amerikanischen Baseball-Profiligen. Tausende Fans pilgern zum Stadion, fantasievoll in den Vereinsfarben gekleidet. Tickets sind heißbegehrt (bis zu 1.000 $) und die Spiele ein echter Straßenfeger. Vor den vollbesetzten Bars der Stadt stehen die Leute auf der Straße und schauen durch die Fensterscheiben gebannt auf die Bildschirme. Wenige Tage später gewinnen die Giants die World-Series und ganz San Francisco trägt schwarz-orange. Wir werfen an diesem Abend nur kurz einen Blick auf dieses amerikanischste Spiel in der Welt des US-Sports und laufen weiter.
Kurz bevor uns unsere Füße den „Dienst versagen“ klettern wir noch zur Hyde Street hinauf. Hier leben die Besserverdienenden. Das Wohnviertel ist gediegen, voller viktorianischer Holzhäuser und Edelappartments. Der Blick auf den Hafen und die Bucht mit „Alcatraz Island“ (ehemaliges Hochsicherheitsgefängnis) ist noch einmal ein Highlight.
Während wir den Ausblick genießen kommt gerade eines der berühmten Cable Cars mit einer Traube Touristen hinaufgefahren. Zwischen all’ den Hochglanzkarossen wirkt die Kabelbahn mit ihrer Großmechanik aus der industriellen Frühzeit wie aus der Zeit gefallen.

Am nächsten Tag fahren wir vollbepackt zum Ferry Building an der Hafenpromenade. Während uns die Fähre schnell und komfortabel wieder nach Sausalito bringt, genießen wir den Blick auf die Skyline. In 14 Tagen werden wir die Stadt ein 2. Mal auf unserem Weg nach L.A. passieren.

Doch zuvor wollen wir den Südwesten Amerikas mit dem Auto erkunden und Doug’s fantastische Kochkünste ein weiteres Mal genießen.

Vancouver

Vancouver/ Kanada canada
539. Reisetag
17.184 km / 106.652 hm

Science World mit dem kreisrunden Geodesic Dome am False Creek Von Bellingham in den USA radeln wir noch einmal ein Stück nach Norden. Es geht erneut nach Kanada. Auf dem „Programm“ steht Vancouver. Mehrere Reiseradler hatten von der Stadt geschwärmt und so wollen wir uns Metropole an der Westküste Kanadas nicht entgehen lassen.

 Und in der Tat: Vancouver ist die bisher attraktivste Großstadt, die wir unter „die Räder genommen“ haben. Die Lage am Ufer des Burrard Inlet ist einmalig. Einige Reiseführer bezeichnen die Skyline sogar als die schönste Nordamerikas. Übertreibung oder nicht, in jedem Fall bildet die „City of Vancouver“ zwischen Coast Mountains, Fraser River und dem Meer eine prächtige Szenerie. Doch die Schönheit hat auch ihren Preis. Einfache Hotel-DZ fangen bei 80 CAD an … für uns nicht finanzierbar. Um so schöner, dass uns Samantha von warmshowers 4 Tage bei sich aufnimmt. Ihr Appartment ist klein, doch klein sind wir ja gewöhnt. Gewöhnlich wohnen wir auf 2,20 x 1,40 m. Da ist das halbe Wohnzimmer schon Luxus.

Die Stadt ist jung, keine 170 Jahre alt. Und in dieser Zeit hat sich Vancouver rasant entwickelt. Dabei war der Anfang wenig erfolgreich. Die erste Siedlung am heutigen Platz gründeten erfolglose Goldsucher während des „Fraser Goldrush“ im Jahr 1858. Doch als Ende des 19. Jahrhunderts die Zugstrecke von der Ost- an die Westküste fertiggestellt wurde, waren die Weichen für den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes gestellt.

Heute leben im Großraum Vancouver fast 2,5 Millionen Menschen, mehr als 1/3 davon sind Asiaten. Doch großstädtische Hektik spüren wir nicht. Die Leute sind relaxt, freundlich und äußerst hilfsbereit. Wann immer wir zur Orientierung auf unsere Karte schauen werden wir sofort angesprochen, ob man uns helfen könne.

Bei fantastischen, hochsommerlichen 28°C erradeln wir uns 3 Tage lang die Stadt und ihre Umgebung. Auch das ein Novum auf unserer Reise. Während wir in anderen Großstädten in Stau und Abgasen „erstickten“ oder genervt vom Wirrwarr der Straßen und Gassen lieber zu Fuß gingen, können wir uns die City ganz entspannt vom Rad ansehen. Auf perfekt ausgebauten und ausgeschilderten Radwegen geht es durch Grünanlagen und tolle Parks Richtung Downtown. Die Autofahrer sind dermaßen rücksichtsvoll mit uns Zweirädern, dass wir aus dem Staunen nicht mehr rauskommen. So was kannten wir in Südamerika und auch in Alaska nicht.

Gastown, der ursprüngliche Ortskern gefällt nach seiner Restaurierung mit den nostalgischen Fassaden und die „World of Sciene“ mit dem futuristischem Geodesic Dome. Im lebhaften Chinatown fühlen wir uns schließlich ein Stück nach Asien zurückversetzt. Rote Farbenpracht dominiert die Straßen, durch die Wohlgerüche aus Garküchen zieht. Die Auslagen der Lebensmittelläden sind ein Fest für die Augen und in den verwinkelten chinesischen Läden lässt es sich stöbern.

Doch der Höhepunkt – im wahrsten Sinne des Wortes – ist die „City of Glass“. Während man in den Straßenschluchten bei entsprechendem Kleingeld in Einkaufsparadiesen ohne Ende shoppen kann, verändern die 65 türkisfarbenen, gläsernen Hochhäuser mit wechselndem Tageslicht kostenlos ihre Farbe. Kurz vor Sonnenuntergang funkeln die Wolkenkratzer diamanten. Edler Schmuck muss nicht immer teuer sein ;-)

Die Rundtour um den Stanley Park ist ein weiteres Highlight. Die von dichter Regenwaldvegetation bedeckte Landzunge zwischen English Bay und Burrard Inlet ist Naherholungsgebiet und „grüne Lunge“ Vancouvers und war einst von Haida-Indianern besiedelt. Von der Seawall Promenade aus genießen wir radelnd die wunderbaren Ausblicke auf Coal Harbour, City, Coast Mountains über die English Bay. Das Dach des segelähnlich konstruierten Canada Place strahlt glänzend weiß in der Mittagssonne. Am „Third Beach“, einem der schönen Stadtstrände Vancouvers ruhen wir aus und tun es den Kormoranen auf den Uferfelsen gleich – wir halten unsere Nasen in die Sonne, schließen die Augen und genießen die Wärme und das sanfte Rauschen der Brandung.

Vancouver tut gut. Die Atmosphäre, das entspannte aber spannende Leben hat es uns angetan. Hier könnten wir auch sesshaft werden und wären gerne noch länger geblieben. Doch nach 3 Tagen wollen wir weiter. Wir sind mit Sabrina und Robert verabredet. Die beiden hatten wir auf der Columbia kennengelernt und da wir den gleichen Weg Richtung Süden einschlagen, wollen wir ein Stück gemeinsam durch die Staaten reisen. Wir freuen uns auf das Wiedersehen und wollen Roberts Geburtstag gebührend feiern.