Wundertüte Mexiko

 Guadalajara/Mexiko mexico

Tropische Früchte nach Herzenslust (Markt in Guanajuato)

Mexiko ist eine wahre Wundertüte! Immer für eine Überraschungen gut und bis zum Rand gefüllt mit Tortillas, Mariachi-Musik, Azteken- und Maya-Ruinen, quirligen Märkten, bunten Kolonialstädten und Bilderbuchstränden. Ihrer Einzigartigkeit bewusst sagen die Mexikaner gerne selbst von sich „Mexico es otro mundo – Mexiko ist eine andere Welt!“

Und ganz so falsch ist das nicht. Auch nach über 3 Monaten im Land stehen wir gelegentlich noch mit Fragezeichen in den Augen auf der Straße und staunen über so manche Begebenheit …

Besonders zu Beginn unserer Reise auf der Baja California wirkt Mexiko nach der Zeit in den USA wie eine „andere Welt“. Als wir am 30.11.2014 die Grenze passieren, fühlen wir uns nicht wohl in unserer Haut. Während wir relativ zügig die martialische Sicherheitsbarrikade (schwerbewaffnete Soldaten, Stacheldraht und meterhohe Stahlstreben) passieren, staut sich auf mexikanischer Seite der Strom der Grenzgänger in die andere Richtung. Wer ins „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ will, muss diese demütigende „Grenzerfahrung“ auf sich nehmen. Die Geringschätzung in dieser „besonderen Freundschaft“ zwischen den beiden Nachbarstaaten fängt schon bei der Einreise an.

2.600 km ist die Grenze lang – die einzige direkte auf der Erde zwischen der industrialisierten und der sogenannten „Dritten Welt“. Das sehen wir auf den ersten Metern in Mexiko überdeutlich. Nie zuvor war das „Wohlstandsgefälle“ so drastisch. In den ersten Tagen für uns ein echter Kulturschock. Von der Armut an Überfluss in den Überfluss an Armut.

Unsere erste Nacht in der Grenzstadt Tichuana scheint unsere Sorge vor Kriminalität und Gewalt im Land zu bestätigen. Schüsse reißen uns aus dem Schlaf … Doch das war’s dann auch mit beängstigenden Situationen (abgesehen vom Straßenverkehr). Seitdem rummst es zwar täglich immer irgendwo „mächtig gewaltig“ (frei nach Benny von der Olsenbande) … aber das sind Feuerwerkskörper, die zu jeder sich bieten Gelegenheit von den Mexikanern abgefeuert werden … gerne auch um 5 Uhr morgens.

Schon nach wenigen Tagen im Land fühlen wir uns hier genauso sicher wie anderswo. Lediglich das omnipräsente Militär und die martialisch auftretenden Sondereinheiten machen uns bewusst, dass in Mexiko seit Jahren ein erbittert geführter Drogenkrieg tobt. Mehr als 150.000 Menschen sind bisher in diesem schmutzigen „guerra“ ums Leben gekommen. Wer in diesem Kampf die „Guten“ und die „Bösen“ sind, lässt sich nur schwer sagen. Denn die Profiteure des illegalen Drogenhandels sind nicht allein die kriminellen Drogenkartelle. Auch Politiker, Geschäftsmänner, Militärs und allerlei andere Gestalten haben ihre Finger im Spiel bzw. am Stoff.

Korruption ist weit verbreitet und so wundert es uns nicht, dass man auch die „Pappe“ – also den Führerschein – nicht in der Fahrschule sondern mit Peso-Scheinen „erwirbt“. Was das für die „Fahrkünste“ bedeutet, dazu später mehr.

Zunächst geht es auf der Baja California immer Richtung Süden. Die Landschaft ist teilweise großartig. Malerische Buchten mit schlohweißem Sandstrand und türkisfarbenem Wasser wechseln sich mit riesigen Kakteenwäldern und bizarren Felslandschaften ab. Mit dem Wildzelten ist es nicht immer so einfach. Die Baja präsentiert sich leider oftmals als eingezäuntes Naturparadies.

Die Straßen sind gut asphaltiert aber schmal. Doch der Verkehr hält sich in Grenzen. Dafür haben es die Anstiege in sich. Die bis zu 3.000 m hohe Gebirgskette Sierra de San Pedro Martir sorgt dafür, dass wir Oberschenkel und Waden kräftig spüren. Schnaubend, schnaufend und triefend vor Schweiß kämpfen wir uns in der glühenden Sonne unzählige Höhenmeter hinauf, um gleich darauf in rasanter Abfahrt an den nächsten Anstieg heranzurollen.

In der ärgsten Mittagshitze lassen wir uns im Schatten der Imbissstände die mexikanische Küche aus „T-Vitaminen“ schmecken. Tacos, tortillas, tortas und tamales sind in den ersten Wochen neu und spannend und v.a. „mucho picante“ – sehr scharf :-) Doch mit der Zeit werden uns die Maisfladen mit Fleisch in allen Bezeichnungen etwas fad. Und so freuen wir uns jedes Mal wie kleine Kinder auf die Märkte in den Dörfern und Städten. Hier gibt es alles, was unser Herz begehrt: tropische Früchte, alle erdenklichen Gemüsesorten, Nüsse, Trockenobst und Hülsenfrüchte – und alles stets frisch, schmackhaft und für wenige Pesos. Es riecht nach Erde, frischen Kräutern und Backwaren und dem süßen Duft von Mango, Papaya und Ananas.

Indigenas in bunten Röcken, Blusen und dem rebozo – einem langen, breiten Schulterschal aus Wolle – bieten ihre Waren liebevoll drapiert an. Männer stehen in Gruppen zusammen. Viele tragen die typisch karierten Hemden – gerne weit aufgeknöpft – dazu Jeans, Ledergürtel mit großer Schnalle, Cowboystiefel und den obligatorischen Hut. Der Mann verkörpert noch immer die Autorität, lässt sich nach der Arbeit gerne bedienen, trägt vom Einkauf meist die kleineren Tüten ins Auto und geht lieber cervezas oder posh trinken statt mit den Kindern spielen. Die Ehefrauen sind vollbepackt mit Einkauf und Arbeit und in feste Rollen gezwängt. Ihnen fällt der Haushalt und die Kindererziehung zu.

Dieses klischeehafte, nach außen zur Schau getragene Bild stimmt natürlich nicht immer, aber so sehen wir es doch oft im Alltag. Der Machismo ist noch sehr ausgeprägt.

Von La Paz fahren wir mit der Nachtfähre über den Golf von Kalifornien nach Mazatlan. An Deck bekommen wir keinen Schlaf im Schlafsaal – dafür aber 3 Hollywood-Filme auf Spanisch und in voller Lautstärke :-\

Die Altstadt von Mazatlan mit ihrem karibischen Flair gefällt uns gut. Die bunten Häuserwände, Palmen und Oldtimer erinnern ein wenig an Havanna. Aus den quirligen Gassen ragt im Zentrum die doppeltürmige Kathedrale in den Himmel. Auf der Plazuela Machado proben Studenten der Kunstakademie unter freiem Himmel. Im über 100 Jahre alten „Centro Mercado“ lassen wir uns bei „Claudia“ – einem ganz einfachen Lokal – fantastischen Fisch schmecken (gedünstet in Alufolie und gewürzt mit Zwiebeln, Tomaten, Kapern, Pfeffer und Käse).

Von Mazatlan geht es über das entspannt-verschlafene Fischerdorf San Blas nach Guadalajara.

Das Reisen in Mexiko ist einfach. Die Menschen sind freundlich aber distanziert und zumindest auf der Cuota lässt es sich auch ganz entspannt fahren, weil wir den Seitenstreifen für uns haben. Auf den schmalen, mit Verkehr vollgestopften Nebenstraßen (oftmals in schlechtem Zustand), wird das Radeln dagegen zum Thriller und die Einfahrt in größere Städte mit katastrophal zerfledderten Seitenrädern zum „Mega-Thriller“. Aus dem „handbreiten“ Abstand der Argentinier machen die Mexikaner „haarbreit“. Regelmäßig rutscht uns das Herz in die Hose und nur mit Mühe und unter lautstarkem Fluchen können wir es wieder hervorholen. Natürlich sind nicht alle Autofahrer hier so, aber ein „Depperter“ reicht ja für’s Unglück!

So beschließen wir nach Puebla wieder die Cuota zu nutzen – auch wenn hier Radfahren verboten ist. Auf der Mautstraße kommen wir uns teilweise vor wie die Sonntagsradler zu Zeiten der Ölkrise 1973. Kaum ein Pkw oder Bus nutzen die fein asphaltierte, aber teure Straße. Und so genießen wir die freie Fahrt für freie Radnomaden.

A propos “Freie Fahrt für Radfahrer”. Die gibt es sonntags in einigen mexikanischen Großstädten tatsächlich. Dann sind die Straßen voller Radfahrer, Skater und Läufer. So schlängeln wir uns in Mexiko-City (im Großraum leben 25 Millionen Menschen!!) mit unseren vollbepackten Rädern zwischen tausenden Freizeitsportlern relativ entspannt in die größte Metropolregion der Welt. Auf einem Tausendstel der gesamten Landesfläche! verkehren hier 60% aller Verkehrs- und Transportmittel Mexikos … aber das ist eine andere Geschichte und vielleicht Thema im nächsten Artikel.