„Sabaidee, Sabaidee!“

Pakxe / Laos laos
242. Reisetag
7.923 km, 55.750 hm

IMGP2819 Mühsam arbeiten wir uns eine der zahlreichen Steigungen in Nordlaos hinauf. Neben uns auf dem Asphalt ist das Klatschen dutzender Flip-Flops zu hören. Aufgeweckte, fröhliche Augenpaare schauen uns an. Lachend und schnaufend rennt eine Traube von Kindern mit uns den Berg hinauf.

Wenn Thailand das „Land des Lächelns“ ist dann ist Laos das „Land der Kinder“. In der Demokratischen Volksrepublik Laos, die nahezu die Größe von Großbritannien hat, leben nur 6,5 Millionen Menschen. Gefühlt sind für uns die Hälfte davon aber Kinder. Fahren wir durch eine Ortschaft werden wir stets mit einem strahlenden Lachen und dem langgezogenen „Sabaidee, Sabaidee!“ willkommen geheißen.

Das Leben in den Dörfern ist beschaulich und extrem einfach. Die Zeit scheint manchmal stehen geblieben zu sein. Bambushütten stehen auf Baumpfählen dicht nebeneinander. Oft leben 3 oder mehr Generationen unter einem Dach. 75 % der Laoten verdienen weniger als 2 $ am Tag. Viele Kinder müssen vorzeitig die Grundschule abbrechen, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Die meisten Laoten sind Bauern und produzieren zum überwiegenden Teil für den Eigenbedarf. Was übrig bleibt wird aus strohgedeckten Hütten am Straßenrand oder auf den regionalen Märkten verkauft. Stets liegt eine „Vitaminbombe“ auf unseren Hinterradtaschen. Eine Bananenstaude kostet 50 – 80 Cent, Pomelo oder Papaya bekommen wir manchmal schon für 50 Cent. Mandarinen sind da mit 1,50 € pro Kilo schon eher eine Delikatesse.

Die laotische Küche ist nicht so vielfältig wie die Thailändische und eher „robust“. Die Laoten lieben Kheuang ping – Gegrilltes. Allerlei Fleischiges landet auf dem Rost: Huhn, Fisch, Schweinebällchen aber auch Fledermäuse, Kröten, Schweineschnauze, Hühnerfüße, Ratten, Kuhzitzen und diverse Innereien… Uns macht der Anblick bereits „satt“ und so essen wir am liebsten gebratenes Gemüse mit Reis. Reis ist das vorherrschende Nahrungsmittel und für viele Mittellose „täglich Brot“. Besonders lecker ist der Khàow niaw, Klebereis, den man zu kleinen Bällchen rollt in Sauce dipt und dann in den Mund stopft. Zusammen mit Papaya, Mandarinen oder Gurke ergibt das für uns eine ideale Zwischenmahlzeit.

Auch sehr lecker sind Khào Pìak (Reissuppe) und Fôe (Reisnudelsuppe) zum Frühstück – zusammen mit allerlei Frischem (Bohnen, Minzblätter, Basilikum, Koriander, Ingwer, Zitronengras) und einem Schuss Limettensaft eine erfrischende Mahlzeit am Morgen.

Und wenn ich anschließend noch einen laotischen Kaffee trinken kann ist der Tagesbeginn perfekt. In Luang Prabang wird das cremige, starke, rabenschwarze Getränk mit gesüßter Kondensmilch und Zucker noch an jeder Ecke verkauft. Die ehemalige königliche Hauptstadt bildet für uns nach einer 2-tägigen Reise mit einem Langboot auf dem Mekong den Ausgangspunkt unserer „Tour de Laos“.

Den „berauschenden Charme“, den Luang Prabang versprühen soll, können wir jedoch kaum spüren. Die Stadt im Kolonialstil ist hübsch und wie eine Halbinsel zwischen Mekong und Namkan eingebettet aber leider voller Touristen. Restaurants und Händler haben sich auf den „westlichen Geschmack“ eingestellt und dementsprechend ist das Angebot. Überall wird für aufregende Trekkingtouren, Elefanten-Reiten Wasserrafting geworben. Abends schallt aus den grell beleuchteten Lokalen und Karaoke-Bars laute Pop-Musik und die morgendliche Almosenprozession der Mönche gerät in der Thao Sakkarin zur „Tierfütterung“ für Touristenhorden. Außerhalb der Stoßzeiten tickt die Stadt jedoch noch im ursprünglichen Rhythmus und wir können erahnen, wie es hier noch vor wenigen Jahren gewesen sein muss, bevor die sozialistische Führung Anfang der 90er Jahre den „Bambusvorhang“ ein Stückchen zur Seite zog und Luang Prabang „entdeckt“ wurde. Abseits der „Hot Spots“ ist Laos von Touristenströmen jedoch noch weitgehend unberührt.

Und so entdecken wir auf unserer Reise ein unaufgeregtes Land, das zu den ärmsten der Welt zählt und zugleich so reich ist. Reich an entspannten, herzlichen Menschen.

Dabei hat dieses wunderbare Land schlimme Zeiten hinter sich. Im Vietnamkrieg warfen die Amerikaner 2,5 Millionen Tonnen Sprengsätze auf Laos ab und machten es damit zum meistbombardierten Land aller Zeiten. Mit den Folgen wird Laos noch lange leben müssen. Fast täglich gibt es Verletzte und Tote durch die Blindgänger im Boden. Deren Entsorgung ist aufwendig und kostspielig. Seit letztem Jahr beteiligen sich endlich auch die USA an der Räumung des explosiven Erbes…

Die Fahrt nach Vientane auf der Route 13, der Lebensader und einzigen durchgängig asphaltierten Straße des Landes, ist spektakulär. Schon kurz nach Luang Prabang windet sich die Straße in luftige Höhen. Wir „sammeln“ in den ersten Tagen ordentlich Höhenmeter und stellen mit 1.750 Hm einen neuen Tagesrekord auf. Doch die Anstrengungen lohnen. Immer wieder werden wir mit Panoramablicken über die gewundenen Täler belohnt. Die kurvenreiche, enge Straße windet sich durch grüne Berglandschaften und eindrucksvolle, zerklüftete Karst-Felsen.

Um wenigstens in den ersten Stunden bei erträglichen Temperaturen fahren zu können, starten wir bereits vor 6 Uhr. Sobald sich die Sonne durch den kühlenden Morgennebel gekämpft hat, wird es schwül-heiß. Auch in den Dörfern erwacht das Leben noch vor Sonnenaufgang. Wenn der erste Hahn kräht, sind viele Laoten schon auf ihren Feldern oder im Wald. Viele tragen zum Schutz gegen die Sonne die typischen konischen Bambushüte. Uns rinnt unter den Radhelmen der brennende Schweiß in der prallen Mittagssonne in Rinnsalen über’s Gesicht. Bei 32 – 38°C wird das Radfahren in diesen Stunden zu einem echten „Sauna-Erlebnis“.

Um noch den letzten Tag des That-Luang-Festes in Vientiane mitzuerleben, „spulen“ wir die 160 km von Vang Vieng in die Hauptstadt an einem Tag runter. Gegen 19 Uhr kommen wir erschöpft und am Ende noch regendurchnässt im Dunkeln an. Die Hauptstadt des Landes ist eher wie ein großes Dorf. Bereits 40 km vor dem Ortsschild reihen sich Wohnhäuser, Lokale und Werkstätten in endloser Abfolge aneinander. Am Straßenrand streifen Hühner, Kühe, Hunde und Schweine auf der Suche nach Fressbarem durch die Gegend. Im immer dichter werdenden Verkehr fällt uns das Atmen schwer. Jede Menge „Blei“ liegt in der Luft und wenn sich das Land weiter so motorisiert wird die Route 13 wohl bald aus allen Nähten platzen.

Am nächsten Tag besuchen wir den Phat That Luang und das Fest. Rund um den Tempel, Symbol des Buddhismus in Laos, ist ein riesiger, brodelnder Jahrmarkt. Zehntausende Besucher drängeln sich über das Gelände des wichtigsten nationalen Gebäudes. Zwischen dampfenden Garküchen, rauchgeschwängerten Grillständen und Volksfestspielen spenden Nonnen gegen einen kleinen Obolus ihren Segen, safran-gekleidete Mönche rufen lautstark und unablässig die Gläubigen zu Geld und anderen Gaben auf. Ihre knarzenden Megafone werden nur noch von den Verkaufsshows der Sponsoren übertönt. Und in all’ dem lauten Getöse laufen still und andächtig Gläubige mit Blumen und anderen Gaben in das Innerste des Heiligtums…

Erstaunt und staunend lassen wir uns durch die Kulisse treiben, lutschen Zuckerrohr, knabbern gegrillte Bananen und laotische Crepes, pulen süßen Klebereis aus Bambusrohren und lassen laotische „Donuts“ aus Kokosnussmilch und Reis im Mund zergehen. Alles sehr lecker!

Am späten Abend findet schließlich mit großem Tam-Tam eine Thai-Box-Veranstaltung statt. Die besten Kämpfer des Landes messen ihre Kampfkünste gegen eine bunte Auswahl ausländischer Kickboxer. Nach einer rituellen Zeremonie „geht es zur Sache“. Der Platz um die Boxarena ist brechend voll und jeder Treffer der laotischen Kämpfer wird lautstark von der Menge bejubelt. Und zur Freude des Publikums verlassen überwiegend die eigenen Landsleute als Sieger den Ring.

Nach 3 Tagen in Vientiane radeln wir weiter und folgen auf der 13 dem Lauf des Mekong gen Süden. Die Szenerie ist zwar nicht so spannend wie noch die Bergwelt im Norden aber auf der Nationalstraße kommen wir zügig voran und fahren täglich 100 km und mehr. Weitläufige Flusslandschaften und Reisfelder wechseln sich ab, wir queren zahlreiche Flüsse und unzählige Dörfer, die an und von der Route 13 leben.

So entspannt das Leben an der Straße verläuft so hektisch geht es auf ihr zu. Die Laoten fahren … na, nennen wir es mal „sehr beherzt“. Nach dem Motto „Vollgas und volles Risiko“ rasen besonders Busfahrer und Pick-Up Besitzer über die einspurige 13 und überholen in unmöglichsten Situationen. Mit „100 Sachen“ geht es durch Ortschaften, gebremst wird nicht, stattdessen hupt man sich den Weg frei …

Vielleicht leben die Laoten auf dem Asphalt die Freiheit aus, die ihnen die Laotisch Revolutionäre Volkspartei (LRVP) im Einparteienstaat seit 1975 versagt. Demokratische Reformen oder Grundrechte wie Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit gibt es in der Volksrepublik nicht. Und seitdem Chinas Einfluss auf das Land durch Großprojekte im Energiesektor und der Infrastruktur wächst, wird es wohl so schnell auch keine politische Wende geben.

Viele Steuereinnahmen, die durch Förderabgaben in die Staatskasse gespült werden, landen in den Taschen korrupter Beamten. Dabei wird das Geld dringend für das marode Bildungs- und Gesundheitswesen benötigt. Es gibt viel zu wenig Schulen und gut ausgebildetes Lehrpersonal, auf einen Arzt kommen über 5.000 Menschen und die durchschnittliche Lebenserwartung liegt gerade mal bei 54 Jahren…

Nachdem wir in Pakxe, Hauptstadt der Provinz Champasak, unseren Muskelkatern 2 Tage Ruhe gegönnt sowie Räder und Ausrüstung auf Vordermann gebracht haben, geht es morgen auf die Höhen des kühlen Bolaven-Plateaus zu Wasserfällen, Bergvölkern, Kaffeeplantagen und einem der meistbombardierten Schauplätze des Vietnamkriegs.