Von Königlichen Tempeln, viel Schweiß sowie „Risiken und Nebenwirkungen“

Chiang Khong / Thailand thailand
221. Reisetag
6.718 km, 49.000 hm
(Bericht vom 07.11.2013)

P1120816 Auf unserer Fahrt durch Nordwest-Thailand ist der Buddhismus überall gegenwärtig:

glänzende Tempel und goldene Buddha-Statuen zieren die ländlich geprägte Gegend um Uttaradit; alte Banyanbäume sind in heilige Tücher gewickelt; Glück bringende Schreine zieren jede Garküche und vor vielen Wohnhäusern stehen kleine „Geisterhäuser“ (San Phra Phum) für die Schutzgeister des Grundstückes.

In den ersten Tagen geht es auf flacher Strecke und feinstem Asphalt durch weite Ebenen vorbei an Reisfeldern, die von kleinen Flüssen gespeist werden. Die Dörfer dazwischen sind schlicht, das Leben beschaulich. Durch den Reisanbau lebt und atmet die Region im landwirtschaftlichen Rhythmus. Noch vor Sonnenaufgang sind die Bewohner auf den Beinen. Die Arbeit auf den Feldern wird noch immer von Hand erledigt. Alles geschieht unaufgeregt.

Auch wenn das Klischee von Thailand als „Land des Lächelns“ eine etwas abgegriffene Redewendung sein mag, so liegt doch viel Zutreffendes darin. Die Menschen begegnen uns stets freundlich und hilfsbereit. Im Straßenverkehr nimmt man auf uns Rücksicht, viele 4- und 2-Radfahrer überholen äußerst umsichtig und mit ausreichend Seitenabstand. Auch wenn wir Farangs (thailänd. Begriff für Ausländer) leider kein Thai sprechen und viele Thais kein Englisch, bei Fragen nach dem Weg oder einer Unterkunft lässt man uns nie im Stich. Und wenn die Wegbeschreibung zu schwierig ist, setzt sich jemand auf seinen Motorroller und begleitet uns bis zur Unterkunft.

Von der Straße weg werden wir zu Familien oder zum Essen eingeladen, mit Glücksbringern, einem spontanen Radtransport und dem vielzitierten Lächeln beschenkt.

Selbst die makellos gekleideten Polizisten grüßen uns lachend – zum ersten Mal auf unserer Reise! In den sogenannten „Police-Boxes“ der Orte können wir die Toiletten benutzen, bekommen Trinkwasser und Kaffee gereicht und wenn wir wollten, könnten wir sogar an den Polizeistation zelten.

In den Geschichtsparks von Sukhotai und Si Satchanalai-Chaliang geht es auf dem Rad 800 Jahre zurück in die Vergangenheit. Wunderschöne buddhistische Sandsteinmonumente liegen inmitten grüner Parklandschaften, umrahmt von Teichen mit unzähligen Lotusblüten – Sinnbild für Reinheit, Kraft und Erleuchtung im Buddhismus. Entspannt erkunden wir im morgendlichen Sonnenschein die verwitterten Tempel, bewundern anmutige Buddha-Statuen und versetzten uns gedanklich ins 13. Jahrhundert zurück, als hier Königreiche aufblühten, die die religiöse Kunst und Architektur Thailands bis heute prägen.

Nach dem Provinzhauptstädchen Tak wird das Gelände hügeliger und die Radtage deutlich anstrengender. Auch wenn die Berge um uns herum nicht gerade imposant sind, stellen wir auf der Strecke nach Mae Sot mit fast 1.600 Höhenmetern einen neuen Tagesrekord auf.

In dem lebhaften Städtchen an der Grenze zu Myanmar verbringen wir 2 Nächte bei Yun, der uns zu sich nach Hause eingeladen hat. In den Straßen Mae Sots herrscht ein bunter ethnischer Mix und auf dem Grenzmarkt „brummt“ der Handel.

Auf der 105 geht es bei heißen Temperaturen nordwärts entlang der Grenze zu Myanmar bis nach Mae Sariang. Die kurvenreiche, gut geteerte Straße führt uns durch viele kleine Dörfer entlang dicht bewaldeter Berghänge. An improvisierten Straßenständen und aus Häusern heraus verkaufen die Einwohner selbstgemachte Snacks, Nudelsuppen und Gebratenes.

Neben diesen idyllischen Eindrücken gibt es aber auch Bedrückendes. In der Grenzregion leben über 150.000 birmanische Flüchtlinge, die vor den Gefechten zwischen den Karen National Liberation Army und birmanischen Regierungstruppen geflohen sind. Die KNLA kämpft seit über 60 Jahren für einen unabhängigen Karen-Staat. Nach einigen Militärsperren passieren wir Mae La – mit über 60.000 Menschen eines der größten Flüchtlingslager Thailands. Bedrückt betrachten wir eng aneinander stehenden Holzhütten. Dazwischen lassen Kinder – scheinbar unbeschwert – bunte Drachen in den diesigen Himmel steigen. Ihre fröhliches Spiel steht in krassem Kontrast zu dem Stacheldrahtzaun, der das Camp umgibt. Die wenigen Eingangstore werden von Wachpersonal kontrolliert. Von außen ist nur schwer zu erahnen unter welchen Bedingungen die Menschen hier leben müssen…

Auf dem weiteren Weg ins Hochland wird die Topographie zerklüfteter, das Gelände rauer und die Straße zunehmend schlechter. Immer wieder sind Teilstücke von starken Regenfällen weggespült, große Löcher klaffen im Asphalt.

Für uns geht es jeden Tag in einer endlosen Abfolge Rauf und Runter… Bei schwül-heißen 30 – 34°C tropft der Schweiß aus jeder Pore. Unsere Hemden kleben klitschnass am Körper. Von der Dauerfeuchte ist die Haut angegriffen und im Rücken piekst es, als hätten wir hunderte kleiner Nadeln im Hemd. Nach einem Dutzend dieser kurzen giftigen Anstiege fühlen sich unsere Beine wie Wackelpudding an. Und wir sind sicher: Thailands Straßenbauer sind keine Radfahrer!

In dem feucht-heißen Klima scheinen Flora und Fauna förmlich zu explodieren. Die gerade endende Regenzeit hat alles in einen saftig-grünen Teppich verwandelt. Der Wald durch den wir fahren scheint dschungelartig, undurchdringlich zu sein. Hier und da ragen Teakbäume aus dem grünen Blätterdach. Durch die starke Abholzung gibt es in der Region nur noch wenige dieser hochwüchsigen Edelhölzer. Alles ist hier riesig: Bäume, Blattwerk, Früchte, Reptilien, Insekten … Um uns tanzen Schmetterlinge so groß wie Meisen. Wenn es still ist können wir ihren Flügelschlag hören. In den Wäldern erklingt der vielstimmige Gesang unbekannter Vögel und am Straßenrand blühen prächtige Orchideen und üppige Gräser. Und an den Fensterscheiben unserer Hotelfenster „kleben“ nachts 35 cm große Tokeh-Geckos.

Oft erreichen wir erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit eine Unterkunft. Für 7 – 12 € bekommen wir meist saubere Unterkünfte mit einer warmen Dusche, Kühlschrank und Klimaanlage. Da die Thais im Vergleich zu uns recht kleinwüchsig sind, ist so manches Zimmer eher knapp bemessen, wovon ich mich schmerzhaft „überzeuge“. Mehrmals laufe ich beim Toilettengang gegen die niedrigen Türrahmen. Angesichts der Beulenlandschaft auf meinem Haupt überlege ich mittlerweile ernsthaft nur noch zum Schlafen den Helm abzunehmen …

In Chiang Mai legen wir eine Verschnaufpause ein. Die dunstige Metropole Nordthailands hat trotz Verkehrsstau, manch schmutziger Ecke und einigen Bausünden Charme und Herz. Die Stadt ist jung und das Leben entspannt. Tradition und Moderne, Hippes und Heiliges stehen ungezwungen nebeneinander. 2 Tage lang streifen wir durch die gewundenen Gassen und Sois der Altstadt. Über den Dächern des alten Chiang Mai ragen golde Chedis zahlloser alt-ehrwürdiger, heiliger Tempel in den Himmel. Mit dem Wat Phra Singh und dem Wat Chedi Luang schauen wir uns zwei der bedeutendsten an.

Abends genießen wir birmanische Currys, taiwanesische Dumplings und nach langer Zeit mal wieder eine Pizza. Einen Tag vor unserer Weiterreise wollen wir es nicht nur unseren Mägen gut gehen lassen und gönnen uns eine Ganzkörper-Thaimassage. Während ich am Ende entspannt von der Liege aufstehe, wird bei Ria aus der geplanten Ent- eine schmerzhafte Verspannung. Nach 2 Stunden Streicheln, Biegen, Kneten und Strecken knackst es bei einer der letzten Bewegungen im Brustwirbelbereich laut und deutlich… Die nächsten Tage kann sich Ria kaum bewegen. An Fahrradfahren ist nicht zu denken. Zum Glück können wir bei Marisa und Gernot, die uns kostenlos ein eigenes Zimmer und Bad in ihrem Haus zur Verfügung gestellt haben, so lange bleiben wie wir wollen. Nach 3 Tagen lassen die Schmerzen etwas nach und wir können weiter Richtung Norden fahren.

Der letzte Abend in Thailand wird ein Südkoreanischer. In Chiang Khong sind wir zu Gast bei Bae und seiner Frau Iljae. Gemeinsam mit den beiden Kindern bereiten wir Kimbab zu – mit Seegras umhüllte Reisrollen, die wir mit Gurke, Möhre, Ei und Wurst füllen. Sehr lecker! Außerdem gibt es Saengchae (süß-saurer Salat, nicht unser Fall) und Seegras Suppe (mild, könnte man wieder essen).

Am nächsten Morgen sitzen wir zum Frühstück auf der Terrasse des Hauses und blicken bei einem fantastischen Sonnenaufgang auf den Mekong. Am anderen Ufer ist bereits Laos, unser 11. Reiseland…

„Eisheilige“ im Anatolischen Hochland

Malatya (1.080 m.ü.M.) / Türkei turkey
94
. Reisetag
2.592 km / 19.221 hm

Daglari GebirgeMühsam quälen wir uns den x-ten Pass des Tages hinauf. Unter den Reifen schmatzt der flüssig-klebrige Teer. Der Asphalt ist grob und bremst zusätzlich unser Vorankommen. Es ist unglaublich heiß. Kein Baum am Straßenrand, der für einen Moment Schatten spendet. Ziemlich erschöpft und mit trockenen Kehlen erreichen wir nach einer gefühlten Ewigkeit wieder eine Trinkwasserquelle. Für Ria ein schwacher Trost, hatte sie sich doch schon seit Stunden ein kühles Eis gewünscht. Da es weit und breit keine Tankstelle oder ein Dorf gibt, ein unerfüllbarer Wunsch…

Während wir unsere Wasserflaschen auffüllen kommt ein Pkw die Straße entlang, auf dem Dach dröhnen Lautsprecher. Wir denken: Vielleicht Wahlwerbung oder die Bekanntgabe örtlicher Nachrichten? Nicht weit von uns hält der Wagen an. Hakan, der Fahrer, winkt uns zu sich. Fröhlich gestikulierend und plaudernd versucht er uns etwas mitzuteilen. Während wir noch zu enträtseln versuchen, worum es geht, hantiert sein Beifahrer hinten am Wagen und …. Unglaublich aber wahr: Bringt uns zwei Maras Eis (türkisches Eis)! Wir sind baff! Diese beiden „Eisheiligen“ hat uns der Himmel geschickt. Ehe wir so recht begreifen, was gerade passiert ist, brausen Hakan und sein Beifahrer schon wieder davon, um Ihr Eis im nächsten Dorf anzupreisen. Und wir genießen mitten in der einsamen Hochebene Zentralanatoliens ein erfrischendes Eis.

Diese Geschichte ist nur eine von zahlreichen wunderbaren Begegnungen, Einladungen und Hilfsangeboten, die wir in den letzten Tagen erlebt haben. Unmöglich alle hier zu beschreiben. Halten wir an einer Tankstelle, werden wir zum Tee eingeladen. Kaufen wir ein paar Kleinigkeiten im Mini Markt werden uns draußen Stühle zum Erholen angeboten. Fragen wir nach einem Schlafplatz, können wir 5 min. später unser Zelt aufstellen und bekommen Wasser und Tee gereicht. Man schenkt uns Brot, Obst, Gemüse, Wasser ein Lächeln, drückt lange unsere Hand und verabschiedet uns mit Küssen auf die Wange. Es ist unglaublich mit welcher Herzlichkeit uns die Menschen hier begegnen. Die Einladungen zum Cay haben wir mittlerweile aufgehört zu zählen. Würden wir alle annehmen, kämen wir keine 20 km am Tag voran. Als wir in Gürün eine Lokal suchen spricht uns Koca an. Er hat 17 Jahre in Deutschland gearbeitet und gelebt. Koca gibt uns einen Tip, wo man gut essen kann und leistet uns beim Essen Gesellschaft. Als wir uns bei ihm für seine Hilfe bedanken sagt er, „Wenn ich jemanden etwas Gutes tun kann, dann geht es auch mir gut.“ Vielleicht ist das eine Erklärung für die wunderbare Gastfreundschaft der Türken.

Nach solchen Erlebnissen sind die Anstrengungen des Tages schnell vergessen. In den letzten 5 Tagen haben wir über 4.000 Höhenmeter bewältigt, zahlreiche Pässe erklommen, drei davon über 1.800 m und einen mit 1.900 m. Freude und Erschöpfung liegen nah beieinander. Ob angekommen genießen wir die fantastischen Ausblicke, den kühlenden Wind und das Gefühl es „gepackt“ zu haben. Die Abfahrten sind dann leider genauso steil wie die Anstiege. So können wir es auch bergab nicht rollen lassen. Stattdessen bremsen wir permanent. Die Felgen quietschen ohrenbetäubend, unsere Hände schmerzen. Dazu kommt oft ein unerwartet starker Gegen- oder Seitenwind.

Seit Kappadokien bewegen wir uns auf der D300, eine der beiden transanatolischen Fernstraßen, die sich über 1.800 km von Izmir an der Ägäisküste über Konya, Kayseri und Malatya zum Van-See im äußersten Südosten der Türkei zieht. Meist ist die D300 ein 3- oder 4-spuriger Highway, abschnittsweise jedoch auch staubtrockene Baustelle oder einspuriges Nadelöhr. Weite, karge Ebenen, die in der Sonne glühen, schneebedeckte Gipfel und grüne Bänder entlang mäandernder Flüsse prägen die Region. Die Menschen, die hier leben, ringen dem Boden in harter Arbeit das Wenige ab, was er hergibt. Je weiter wir nach Osten fahren, desto größer sind die Entfernungen zwischen den Ortschaften. Auch der Verkehr nimmt spürbar ab. Nur um die größeren Orte sind die Straßen wieder voll. Wenn uns Fahrzeuge begegnen, wird fast immer freundlich gehupt oder man winkt uns zu. Auch in den Orten werden wir stets willkommen geheißen. Kinder, Händler, Bauern, Erntehelfer; stets heißt es „Merhaba“ oder „Hello“ und fast immer bedeutet man uns mit einer Handbewegung doch auf einen Çay anzuhalten.

In Malatya, das wir heute erreicht haben, bleiben wir nun einen Tag. Die gleichnamige Provinz wird im Volksmund „Aprikosengarten der Türkei“ genannt. In der fruchtbaren Ebene, die die Stadt umgibt werden bis zu 300.000 t Aprikosen geerntet und als Dörrfrüchte in die ganze Welt exportiert. Wir bekommen die leckeren Früchte am Straßenrand frisch gepflückt immer wieder in die Hosentaschen gestopft und haben so stets etwas zum Naschen.