Danke und eine Bitte

SDC16467 Als wir im April 2013 einen Tag bei Stefanie und Ramon in Tipar (Rumänien) verbrachten, hatten wir die Gelegenheit hautnah zu erleben, was es bedeutet, am „Rande der Gesellschaft“ zu leben.

Keine 3 Autostunden von Wien entfernt, mitten in Europa, schienen wir im Viertel der Roma in einer anderen Welt zu sein. Am Ende des Ortes, ausgegrenzt und abgelehnt von den anderen Einwohnern leben die Familien in einer Art Slum. Bittere Armut und katastrophale hygienische Zustände herrschen im Viertel. Die Kinder der Roma wachsen in dieses Leben aus Ausgrenzung, Gleichmut und Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge, auf. Eine Wahl haben sie nicht.

Mit ihrem Jugendhaus “Casa Tineretului”, das Stefanie zusammen mit dem gemeinnützigen Verein Satul Nostre e.V. vor 8 Jahren gründete, hat Stefanie einen Platz geschaffen, an dem dieser verhängnisvolle Kreislauf durchbrochen wird, wo die Kinder gegenseitigen Respekt und Achtsamkeit lernen, Fähigkeiten und Stärken entdecken können.

Schnell war die Idee geboren mit unserer Reise dieses wichtige Projekt zu unterstützen. Und so riefen wir im April 2013 zu Spendengeldern für ein Zeltlager auf. Diesen Sommer nun konnte es Dank der Spenden unserer Leser stattfinden. Eine Woche lang hatten 8 Kinder die Möglichkeit, eine unbeschwerte Zeit zu verbringen, Gemeinschaft, Natur und kleine Abenteuer zu erleben – einfach nur „Kindsein“ dürfen.

Hierzu schrieb uns Stefanie: „Dank Eurem Spendenaufruf war das Ferienlager für die Roma-Kinder eine ganz besondere Woche, eine tolle Erfahrung im Zusammenleben (…) Alle waren das erste Mal von zu Hause weg und die meisten hatten das erste Mal in ihrem Leben die Möglichkeit in einem eigenen Bett zu schlafen.“

Die wertvolle Arbeit von Stefanie in Tipar wollen wir weiterhin unterstützen.

Wir haben uns daher entschlossen, unsere Aktion „Dreh mit“ zu nutzen, um über den Satul Nostru Deutschland e.V. weitere Spendengelder für die Kinder von Tipar zu sammeln. Zukünftig gehen von jedem Tagessatz (also 20 €), den Ihr uns spendet, 2/3 an den Verein. Als Dankeschön gibt es von uns eine Postkarte aus dem Land, das wir gerade bereisen und von Kindern aus Tipar mit Sicherheit wieder so ein strahlend schönes Lächeln wie auf den Bildern.

Wir hoffen, dass gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit viele Herzen offen sind und wir gemeinsam noch einmal einen nennenswerten Betrag zusammenbekommen. Gerne würden wir uns in den kommenden Wochen die Finger wund schreiben ;-)

Unsere Bankverbindung

Ria Kreuzahler
IBAN: DE36 1005 0000 3540 1880 36
BIC/SWIFT: BELADEBEXXX
Berliner Sparkasse

Verwendungszweck: Deine Adresse für die Postkarte

Auf unserer Homepage informieren wir über den aktuellen Spendenstand.

Wer lieber direkt die Arbeit des gemeinnützigen Vereins unterstützen möchte kann dies natürlich auch tun:

Satul Nostru Deutschland e.V.

Konto-Nr.: 12503241

BLZ: 68050101

Sparkasse Freiburg

Verwendungszweck: Drehmomente

Informationen zu Aufgaben und Zielen des Vereins findet Ihr auf www.satulnostru.de

 

20.000

Kalifornien/ USAusa 
605. Reisetag (26.11.2014)
20.000 km / 132.268 hm 

IMGP622020.000 km sind wir nun mit unseren Rädern über unsere Erde gerollt. Ein stolze Zahl, die wir lautstark auf dem Highway 1 kurz vor San Diego mit einem „Give me five“ feiern.

20 Länder haben wir nunmehr in 20 Monaten bereist. Mit jedem verbinden wir unvergessliche Momente – Gesichter – Geschichten – Menschen, die uns mit Gastfreundschaft beschenkt und tief beeindruckt haben.
Von mancher Begegnung haben wir auf diesen Seiten berichtet, andere tragen wir allein in unseren Herzen.
Neben etwas Stolz empfinden wir vor allem Dankbarkeit. Dankbar, dass wir so lange diese Welt mit eigenen Augen sehen können. Dankbar, dass uns bisher so viel Gutes widerfahren ist und wir (die meiste Zeit) gesund im Sattel saßen.IMGP6241
Und obwohl das Reisen per Rad entschleunigt, werden wir manch Erlebtes wohl erst nach Ende unserer Weltreise „verarbeiten“, „begreifen“ können.

Doch bis dahin bleiben uns noch einige Monate als Radnomaden. Noch immer sind wir neugierig, haben Spaß am Fahren, an der Bewegung und Begegnung, an Sonne und Wind und Zelten unter freiem Himmel. Wir haben noch nicht genug gehört von der Melodie dieser Welt und noch immer fasziniert uns der Tropfen Tau am Morgen, in dem sich das Licht des beginnenden Tages spiegelt.

1 Jahr auf Reise – ein Blick zurück

IMGP7493

Für uns ist mit Berlin – Kuala Lumpur ein Abschnitt der Reise zu Ende gegangen. Das haben wir erst im Laufe der letzten Wochen deutlicher gemerkt. Ist dieses Jahr nun schnell oder langsam vergangen? Schwer zu sagen. Oft kommt es uns noch gar nicht so lange vor, dass wir auf der „langen Meile“ sind. Andererseits erscheinen Ereignisse von vor einem halben Jahr manchmal sehr weit zurückzuliegen. Durch die Intensität der Erlebnisse hat sich ein ganz spezielles Zeitgefühl eingestellt. Auf dem Flug von Kuala Lumpur nach Buenos Aires hatten wir in jedem Fall genug Zeit, um ein wenig „Inventur“ zu betreiben. Nun sind die Gedanken strukturiert und die Zahlen addiert. Zeit also noch stichwortartig ein kleine Bilanz zu ziehen.

Radtage
hatten wir bisher 163. Manchmal ist das „Leben auf dem Sattel“ sprichwörtlich hart, meist aber wunderschön. Langeweile oder Monotonie kommen so gut wie nie auf. Wir erleben das Radfahren als eine emotionale Berg- und Talbahn: Freude und Enttäuschung, Leichtigkeit und Anspannung, Launen, Zuversicht, Erschöpfung, Euphorie und stilles Glück – alles ist dabei und in ständigem Wechsel. Es gibt Tage, da genießen wir die Leichtigkeit des (Rad-Da-)Seins – fliegen mit den Vögeln, haben einen echten „Flow“, den perfekten Rhythmus. Die Beine treten wie von selbst. Die Räder und wir sind eine Einheit. Wohlig schnurren sie wie ein Kätzchen. Genauso gibt es aber auch Tage, da kämpfen wir mit permanentem Gegenwind, miesem Wetter und ebensolcher Laune, gegen die Zeit, den inneren Schweinehund, schlechte Straßen, zu steile Steigungen, Hungergefühl, wunde Hinterteile … Doch stets werden solche „Durststrecken“ und „Leidenszeiten“ mit euphorischen Momenten, eindrücklichen Begegnungen und Naturerlebnissen belohnt.

Ruhetage
waren nicht immer welche. Besonders in den ersten Monaten haben wir uns diese Tage mit einem Mix aus Sightseeing, Organisation und Kommunikation zu voll gepackt. Kaum standen die Räder still begann es sich im Kopf zu drehen: Was ist an den Rädern zu machen?, Haben wir genug Geld und Lebensmittel?, Welche Infos brauchen wir für den nächsten Reiseabschnitt?, Wie sind die Öffnungszeiten von Banken und Grenzübergängen?, Wann suchen wir Bilder aus und schreiben den nächsten Artikel? Bleibt noch Zeit für’s Tagebuch? Solche Tage endeten dann unbefriedigend, weil für Ruhe und Reflektion, für uns, kaum Zeit blieb. Mittlerweile haben wir eine bessere Balance gefunden.

Was wir vermissen
nicht viel. Nach 5 Tagen kalter Katzenwäsche vermissen wir vor allem einen warmen „Wasseranschluss“ am Zelt und gelegentlich unsere „Lümmel-Couch“. Ria würde gerne wieder frisches Schwarzbrot, Quark und eine Thüringer Rostbratwurst mit Sauerkraut essen. Oliver hätte gerne Naturjoghurt zum Müsli und selbstgemachte Pizza. Außerdem fehlt ihm die Tasse Filterkaffee und dazu die neueste „Zeit“-Ausgabe. Das Fernsehen vermissen wir beide nicht. Auf dem Rad gibt es täglich genug Sehenswertes.

Was wir uns wünschen
Gesund zu bleiben. Noch mehr Zutrauen, uns auf Menschen einzulassen. Die Landessprache besser zu sprechen, um uns intensiver austauschen zu können.

Was uns ärgert oder nervt
Steigungen jenseits von 12 %; Pkw-Fahrer ohne „Distanzgefühl“; Lkw-Fahrer, die direkt neben uns ihre ohrenbetäubende Fanfare betätigen; Hunde die ihren Jagdtrieb an uns auslassen; Menschen die gedankenlos Abfall in der Natur hinterlassen; Handwäsche; tagelanger Gegenwind, eingezäuntes Weideland (auf dem wir gerne zelten würden).

Was uns fasziniert
Die Menschen und die vielfältigen Lebensformen. Die Gastfreundschaft in allen Ländern. Das bunte Treiben auf den Märkten. Die Schönheit unseres Planeten. Die Stille. Jeden Tag unvermittelt auf Unbekanntes, auf Neues zu stoßen. Das Licht bei Sonnenaufgang erleben zu dürfen. Das riesige Sternenmeer über unserem kleinen Zelt.

Wie funktioniert die Technik
Die meisten Anschaffungen haben sich gelohnt und bewährt. Dennoch war nicht alles „Gold was glänzt“ und manches Teil nicht für den dauerhaften Gebrauch gemacht. Sollten wir noch einmal auf lange Reise gehen werden wir uns sicherlich weniger Gedanken um jeden einzelne Ausrüstungsgegenstand machen. Die Robustheit unserer Räder erstaunt uns dagegen immer wieder. 5 Platten auf 12.000 km ist praktisch Nichts. Keinen einzigen Speichenbruch haben wir bis heute! Auch die Bremsbeläge mussten wir nur 1 x wechseln. Jeweils 1 neue Kette, 1 Kettenblatt und 1 Ritzel sprechen auch für Qualität. Die Reparatur des Steuerlagers geht auf eine Falschmontage zurück. So wartungsarm könnte es bleiben…

Ein paar „Schnittchen”
Wenn wir fahren dann meist richtig. Im Schnitt radeln wir 75 km am Tag in 4 ¾ Stunden (reine Fahrzeit) und mit 16,40 km/h stets unterhalb des erlaubten Tempolimits. Dabei geht es im Schnitt 470 Meter m bergauf (und irgendwann auch wieder runter).

Höher, weiter, aber nicht schneller
Bis zum 31.03.2014 sind wir – rein rechnerisch :-) – 8 x auf den Gipfel des Mount Everest gefahren (71.687 hm) und haben dafür 11.460 km zurückgelegt.

 

Die Welt ist freundlich

Gesichter

Als wir in Berlin verkündeten, dass wir für 2 Jahre mit dem Rad um die Welt fahren wollen, gab es Zuspruch und Ermutigung aber auch Unverständnis und Bedenken. Viele Fragen bezogen sich auf Verständigungsprobleme, gesundheitliche Risiken, mögliche Krankheiten, unsere Sicherheit und die Gefahren in fremden Ländern.

Seit 1 Jahr sind wir nun unterwegs. Fast 12.000 km haben wir im Sattel verbracht. Erst in Europa und Asien und nun auf dem amerikanischen Kontinent. In diesen 365 Tagen haben wir uns nicht nur körperlich von „A nach B“ bewegt. Auch in uns hat sich vieles in Bewegung gesetzt. Wir sind durchlässiger, nachdenklicher, offener geworden. Zeit, ein paar persönliche Worte zu unseren Erfahrungen zu schreiben, zur Welt, wie wir sie sehen und erleben dürfen.

In allen bisher bereisten Ländern wurden wir respektvoll behandelt, erfuhren wir Vertrauen und Gastfreundschaft, wenn wir sie annehmen konnten und Hilfe, wenn wir sie benötigten. In Ungarn arrangierten Tünde und Jozsef für mich einen Termin beim Orthopäden des örtlichen Krankenhauses. Völlig unentgeltlich wurde ich dann untersucht. In der Türkei, als wir partout keinen Platz für unser Zelt finden konnten und völlig erschöpft im Dunkeln an einer Papierfabrik klingelten, ließ man uns ohne Zögern auf dem Grundstück des Unternehmens zelten. Von den Nachtwächtern bekamen wir Obst und Getränke gebracht. Im Iran beschenkten uns Eslam und seine Familie mit großer Herzlichkeit und Wärme, nahmen uns auf, als wären wir schon immer ein Teil der Familie. Jafar lieh uns sein Smartphone 3 Tage lang aus ohne uns auch nur 2 Minuten zu kennen. In Turkmenistan besorgte uns Marat Tickets für die dringend benötigte Zugfahrt, an die wir ohne ihn niemals gekommen wären. Auch um 3:00 Uhr nachts half er uns noch am Bahnhof. In Thailand lud uns Bae von der Straße weg zu sich nach Hause ein. Gemeinsam mit der Familie kochten und aßen wir. Anschließend überließen sie uns Ihr Haus, wünschten uns eine Gute Nacht und fuhren davon. In Kambodscha räumten die Mönchsnovizen des Wat „Svay Teab“ ihren Schlafraum für uns und kauften uns auf dem Markt Essen.

Das sind nur einige, wenige Erlebnisse. Nicht zu vergessen die vielen kleinen, fast alltäglichen Hilfen und Geschenke. Wenn wir nach dem Weg fragen, nehmen sich die Menschen Zeit. Man übersetzt für uns, transportiert uns kostenlos im Auto, schenkt uns Essen und Getränke, Benzin, Glücksbringer, ein freundliches „Salaam!“, „Strastje!“, „Sabaidee!“, ein Lächeln, eine Geste.

Überall sind uns Menschen mit Neugier und Offenheit begegnet, haben uns zu sich nach Hause, zum Essen, zum Gespräch, zum Austausch von Gedanken und Erfahrungen eingeladen. Und dabei haben sie uns ein Stück ihrer Welt, ihrer Realität, ihres Reichtums gezeigt. Auch wenn wir nicht alles, was wir hören und sehen, verstehen oder mit unseren Werten und Überzeugungen teilen können, so konnten wir doch oft Freundschaft mit fremden Gedanken schließen. Dabei sind wir uns selbst, unserem Eigenen näher gekommen, weil wir durch die persönlichen Begegnungen begonnen haben, über das Fremde anders zu denken.

Natürlich gab es auch mal negative Erfahrungen, eine unangenehme Begegnung. Doch gibt es die nicht auch zu Hause? Viel betroffener als manch’ unfreundlicher Zeitgenosse oder überzogener Preis haben uns die Armut, die Ungleichverteilung der Lebenschancen und die Art und Weise gemacht, mit der wir – die Menschheit – die Erde behandeln.

Fast alle Naturschönheiten, die wir bestaunten, sind in Gefahr. Nur noch auf den ersten Blick sieht vieles intakt und unberührt aus. Was davon wird in 20, 30 Jahren noch erhalten geblieben sein? Was unwiederbringlich verloren?

Der Homo sapiens war und ist intelligent genug, eigene Kulturen und den Planeten zu zerstören. Also muss es doch auch Wege geben, die Erde zu erhalten? Den einen Masterplan, die Lösung wird es nicht geben. Aber klar ist, wenn die Welt von morgen noch halbwegs so lebenswert sein soll wie die von heute, wird nicht alles so bleiben können, wie es ist. Ein Umdenken im Großen wie im Kleinen und ein Verzicht auf eigene Vorteile muss eintreten.

Am Ende mündet unser Dreck in dasselbe Meer, verbrennen wir gemeinsam die verbliebenen Energieressourcen, atmen wir dieselbe Luft. Alles was passiert ist global.

Wenn viele Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.
(Afrikanisches Sprichwort)

Ein Stück vom Himmel (Herbert Grönemeyer)

Malaysischer Multikulturalismus

George Town / Malaysia malaysia
321. Reisetag
10.477 km, 65.454 hm

 

P1000721Nach fast 3 Stunden Sucherei haben wir doch noch ein erschwingliches Hotel in George Towns Altstadt gefunden. Wir sind im Pin Seng in der Love Lane untergekommen. Ein typisches Chinesenhotel, wie es viele in der Altstadt gibt. Das Gebäude ist über 100 Jahre alt, zum großen Teil aus Holz, ein bischen wie aus der Zeit gefallen. Die Zimmereinrichtung ist spartanisch und hat ihre beste Zeit schon lange hinter sich. Aber irgendwie hat das in die Jahre gekommene Interieur schon wieder was für sich.

Dösend liege ich auf meinem Bett. Durch die Lammellenfenster scheint das gleißende Licht der Mittagssonne. Die Hitze schlaucht uns. Draußen sind es jetzt unerträgliche 46°C in der Sonne. Im Zimmer „nur“ 33°C. Der Ventilator läuft auf Stufe 5 und verschafft etwas Abkühlung. Unablässig surrend dreht er seine Runden. Während sich mein Blick an die Decke heftet ziehen noch einmal die vergangenen Tage an mir vorüber ….

Der Grenzübertritt nach Malaysia ist völlig unproblematisch. Ein Stempel in jeden unserer Pässe und schon können wir ohne Visum 3 Monate im Land bleiben.

Das erste was uns auffällt: Malaysias Straßen sind wesentlich voller. Vor allem sind viel mehr Pkw’s unterwegs. Bei Rot wird an den Lichtzeichenanlagen wieder gehalten… und die Ampelphasen dauern oft unerträglich lange. In jede Himmelsrichtung geht es mit eigener Grünphase. Wenn wir Pech haben stehen wir 3 Minuten schweißtriefend im Motorengestank. Befahrbare Randstreifen wie in Thailand gibt es leider nur noch selten. So kommt uns der ohrenbetäubende Verkehr oft sehr nahe. Nicht immer ganz angenehm und ungefährlich.

Landschaftlich ist der Abschnitt bis George Town wenig reizvoll. Abgeerntete Reisfelder und (Öl-) Palmenplantagen prägen die Westküste Nordmalaysias. Dafür hat sich das Straßenbild abrupt geändert. Statt Mönchen in ihren orangenen Gewändern begegnen uns nun wieder Frauen mit Kopftüchern und Männer in Sampings (rockähnlicher Stoff) und Songkoks (traditionelle malaiische Mütze). Täglich erschallt mehrmals der Ruf des Muezzin und auf den vielen Sportplätzen im Land spielen malaiische Mädchen Basketball oder üben sich im Bogenschießen.

Von Butterworth setzen wir mit der Fähre nach George Town über. Beim Blick vom Festland auf die Insel dominieren Wolkenkratzer die Skyline. Doch zum Glück ist die Altstadt mit ihren alten Kolonialhäusern erhalten geblieben. In den Straßen und Gassen herrscht ein geschäftiges Treiben. Die verschiedenen Weltreligionen, Traditionen und Kulturen fügen sich hier auf engstem Raum zu einem bunten, spannenden Mix zusammen. Sofort verzaubert uns diese einzigartige Atmosphäre. In der Luft mischt sich der Duft von Currys und Räucherstäbchen. Von Waren überquellende Läden verkaufen indische Musik und Filme, bunte Sarongs, Gold- und Blumenschmuck, muslimische Gebetsketten, Haushaltswaren, Obst und Gemüse, chinesische Süßigkeiten…

Moslems, Hindus, Buddhisten und Christen arbeiten und beten Tür an Tür. Seit der britischen Kolonialzeit leben die verschiedenen Bevölkerungsgruppen miteinander und haben über viele Generationen eine große Toleranz füreinander aufgebaut. Zwischen alten Kolonialhäusern ruft abends der Muezzin zum Gebet während auf der anderen Straßenseite Chinesen auf Tempelvorplätzen Räucherstäbchen anzünden und Wahrsagerstäbchen schütteln. Und nur wenige Schritte entfernt werden gegen Geldspenden von Priestern an Shiva-Schreinen indische Feuerzeremonien durchgeführt. In den Straßen der Stadt lebt noch die exotische Welt des fernen Ostens.

Kulinarisch sind die Spaziergänge durch die George Town eine einzige Entdeckungsreise. Das Essen ist vor allem ein Mix aus chinesischer, indischer und malaiischer Küche. Es wird gekocht und gebrutzelt, was das Herz begehrt. Die Straßen sind voll von unzähligen Straßenküchen und Ständen, an denen frisch zubereitetes Essen angeboten wird. Die sog. Hawker-Center, überdachte Hallen oder Plätze, sind voll mit essenden Menschen, die um große Tische sitzen und sich die Speisen an den umliegenden Küchen abholen. George Town scheint den ganzen Tag über dem Essen zu frönen.

Wir laben uns an indischen Murtabaks, Currys, frischen Dosais und knusprig-fluffigen Rotis , schlürfen leckere säuerlich-scharfe Penang Laksa (weiße Nudelsuppe mit Fischsauce, Nyonya-Küche), beglücken uns mit Dim Sum (kleine Gerichte die gedämpft oder frittiert sind, Hainan-Küche) und kühlen unsere Gaumen mit einem Cendol (grüne, geleeartige Reisnudeln mit Kokosmilch, Palmzucker, roten Bohnen und gecrushtem Eis, malaisches Dessert). Und das alles für kleines Geld. Die (Futter)Welt kann so schön sein!

Nach so viel Schlemmerei und Kalorien wird es Zeit, dass wir wieder auf die Räder steigen und die letzten 400 km bis Kuala Lumpur unter die Räder nehmen.

Frohe Weihnachten und alles Gute für 2014

IMGP4831 (Mittel)

allen Besuchern unserer Homepage wünschen wir eine schöne Weihnachtszeit und schon jetzt ein gesundes und erfülltes Jahr 2014.

Wir sind derzeit in Kambodscha unterwegs und verbringen Heiligabend in Siem Reap. Auch wenn es hier 30°C sind, die Geschäfte und Hotels versuchen etwas Weihnachtsflair auf die Straße zu zaubern.

Wir gönnen uns zur Feier des Tages eine Schokokugel vom Bäcker und genießen den Tag im größten Sakralbauwerk der Welt – den Tempeln von Angkor Wat.

 

 

 

Über das “Dach der Welt”

Pamir-Highway / Tadschikistan tajikistan
. 183. Reisetag
5929 km, 43.160 hm
(Bericht vom 29.09.2013)

P1120240 (Mittel) Auf über dreieinhalbtausend Metern windet sich die Piste über das Hochplateau. Zur Linken und Rechten erheben sich gewaltige Gebirgsmassive. Berauschende Landschaften in einem prächtigen Farbenspiel ziehen an uns vorbei. Hier oben atmet alles Ewigkeit.

Wir sind am südlichsten Zipfel Tadschikistans angelangt, unterwegs auf dem legendären Pamir-Highway. Die zweithöchste Fernstraße der Welt, 1932 fertiggestellt, ist bis heute Lebensader der Region. Das Pamir-Gebirge, dass die Tadschiken “Bam-I-Danja”, das “Dach der Welt”, nennen, verbindet einige der größten Gebirgszüge Asiens: Karakorum (Süden), Tianshan (Norden), Kunlun Shan (Südosten) und Hindukusch (Südwesten). Im Osten des Pamir schließt das Hochland von Tibet an.

Von Chorug aus folgen wir dem Lauf des Gunt. Der Fluss und das enge Tal lassen nur wenig Platz zum Ackerbau. Hockend und in mühsamer Handarbeit bewirtschaften die Menschen auf schmalen Feldern den harten Boden. Das Blätterwerk der Bäume verfärbt sich langsam in herbstliche Farben. Zu Beginn passieren wir noch mehrere Dörfer. Es werden die letzten für längere Zeit sein. Auf den Hochplateaus des Pamir gibt es nur ganz wenige, weit entfernt liegende Orte, der Rest ist pure Einsamkeit. Die Strecke steigt von 2.000 m ü.d.M kontinuierlich an. Gut, um uns an die extreme Höhe zu gewöhnen.

Mit zunehmender Fahrtdauer werden die Berge schroffer und höher. Immer öfter sind die Bergkuppen mit Schnee bedeckt. An den Hängen entdecken wir Gletscher. Kurz vor dem ersten Pass zelten wir auf 3.850 m. Wir schlafen gut. Mit der Höhe haben wir nie ernsthafte Probleme.

Am nächsten Morgen ist es empfindlich kalt. Warm eingepackt steigen wir auf unsere Räder. Nach 5 km endet der Asphalt. Eine grobe Sand- und Schotterpiste führt uns auf den ersten 4.000er Pass. In steilen Spitzkehren geht’s mächtig zur Sache. Auf einigen Passagen müssen wir unsere Räder schieben, so steil ist die Piste in den Hang gebaut. Unser Atem geht schnell und kurz. Zum ersten Mal spüren wir den geringeren Sauerstoffgehalt. Zur dünnen Luft kommt noch der hohe Temperaturunterschied zwischen Sonne und Schatten. Sobald sich der Himmel bewölkt fällt das Thermometer um 10 °C. Quietschend und polternd hüllen uns die großen, chinesischen Sattelschlepper in dicke Staubwolken ein. Gegen 11 Uhr sind wir auf dem Koi Tezek Pass – 4.272 m Seehöhe. Die Vegetation hat deutlich abgenommen. Die Baumgrenze liegt hier bei 3.700 m. An die Stelle enger Schluchten treten weite Hochebenen. Steinadler und riesige Schneegeier kreisen am stahlblauen Himmel, elegant die Thermik nutzend. Scheue Murmeltiere nehmen pfeifend Reißaus vor uns. Gegen den schneidend kalten Wind und die stechende Sonne schützen wir uns mit Mütze und Buff. Gesicht, Hände und Lippen cremen wir mit starken Sonnenschutzmitteln ein. Nach einer ruppigen Abfahrt und etwas Asphalt geht es in den 2. Anstieg zum Tagarkak Pass (4.180 m). Erneut wird die Strecke sandig und schlecht. Die Steigungen sind jedoch moderater und besser zu fahren.

Ein paar Kilometer weiter taucht auf dem Hochplateau der Yashikul-See auf. Smaragdgrün erstreckt er sich in einer Senke, 3.700 m ü.d.M. Das Atmen fällt uns schwer, doch die majestätische Landschaft entschädigt für die Mühsal. Zum ersten Mal sehen wir die weißen Gipfel des Pamirs. Unweit des schön gelegenen Sees zelten wir in der kargen Hochgebirgswüste. Außer kleinem gelben Büschelgras wächst hier nicht viel. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen des Tages, die Einsamkeit und den Zauber der Berge. Gegen Abend peitschten Böen jede Menge Sand in unser Vorzelt. Die Nacht ist dann windstill und sternenklar.

In Alichur, einem kleinen Dorf aus Lehmhütten, versorgen wir uns mit Keksen, Wasser und Instantnudeln. Wie überall gibt es auch hier nur einfachste Läden. Nach dem Ort lässt uns kräftiger Rückenwind förmlich über die Hochebene fliegen.

Immer wieder bleiben wir stehen, um den Blick auf die teilweise vergletscherte Alichur-Kette (5.000 m) zu genießen. In der Ebene liegen weit verstreut Jurten der Pamiris. Yak- und riesige Schafherden ziehen entlang der Hänge und begrasen das karge Grün. Die Sedimentgesteine schimmern in allen möglichen Erdtönen – von Gelb über Ocker ins Braune. Leuchtendes Rot wechselt sich ab mit grauen, teilweise fast schwarzen Gesteinsschichten und steht in scharfem Kontrast zu den in schneeweiß endenden Berggipfeln. Dort, wo Wasser Leben spendet, mäandert ein grünes Band durch wüstenartiges Gelände . Wir nutzen die wenigen Wasserstellen, um unsere Flaschen aufzufüllen. Am Himmel vollziehen sich immer wieder Wetterwechsel von atemberaubender Geschwindigkeit. Sind wir eben noch in gleißendes Sonnenlicht getaucht, lassen kurz darauf drohende Gewitterwolken am Horizont Schlimmeres erwarten, um sich ebenso schnell im Nichts aufzulösen.

Vom Naizatash Pass (4.137 m) sausen wir in einer langen, kurvenreichen Abfahrt ins Tal des Murgab-Flusses. Direkt an der Straße finden wir eine halbwegs windgeschützte Stelle und stellen nach 103 Tageskilometern unser Zelt in einem ausgetrockneten Flußbett auf.

Kurz vor Murgab, dem wichtigsten Ort der Region, wird zum 2. Mal unser GBAO Permit geprüft. Ein sinnloses Stück “Papier”, das Präsident Rahmon ein paar zusätzliche Somoni in die Schatulle spült. Murgab selber strahlt eine eigentümliche Atmosphäre aus. Die geduckten, kleinen weißen Häuser wirken in der weiten Ebene wie ein Hafen ohne Meer. Doch das Panorama ist schön. Im Hintergrund erhebt sich auf chinesischer Seite der Mutztagata (7.509 m) – “Vater der Eisberge” und dritthöchster im Pamir-Gebirge.

Die Haut der Einwohner ist von der Höhensonne gegerbt und dunkel geworden. Kirgisen, die hier die Mehrzahl der 7.000 Einwohner bilden, laufen in ihren typischen Filzhüten durch die staubigen Gassen. Das Klima ist rau und die Stimmung triest. Immerhin gibt es einen kleinen Basar und damit etwas mehr Auswahl an Essbarem als die letzten Tage. In Frachtcontainern werden ein wenig Gemüse, viel Alkoholisches, Süßes und jede Menge Haushaltswaren “Made in China” verkauft. Die Cafés am Markt versprühen einen spröden Charme. Ein Blick in die Küchen lässt für unsere Mägen nichts Gutes erahnen. Doch wir sind zu hungrig, um “Vernunft” walten zu lassen. Mutig bestellen wir Kartoschka, Bortsch und Lagman. Und – oh Wunder – alles bleibt drin. Nur die Fettschwanzschaf-Suppe ist zu fettig und schafig und will nicht runter. Im Pamir-Hotel verbringen wir 2 Nächte und genießen warme Dusche und ordentliches Frühstück in kalten Räumen. Auch die örtlichen Militär- und Milizbonzen fühlen sich hier wohl und lassen sich abends vollaufen…

Der “freie Tag” geht fast vollständig für eine erneute Registrierung drauf. Ein Stück “Absurdistan” as it’s best. Obwohl wir ein 60-Tage Visum haben, müssen wir uns nach 30 Tagen erneut registrieren. Sicher wieder eine “großartige” Geschäftsidee von Mr. Rahmon. Das Ganze kostet 140 Somoni (ca. 24 €)/p.P. und erfolgt auf Formularen, die ausschließlich auf Tadschikisch sind… Nachdem wir diese Hürde nach 2 Std. mit Hilfe Einheimischer genommen haben. folgt der Besuch bei der Registrierungs”behörde”. Auch hier muss wieder jede Menge Papierkram ausgefüllt werden, dieses Mal von der Angestellten. Allerdings sind gerade die Bögen ausgegangen …. Also noch einmal am Nachmittag hin, viel Geduld mitbringen und auf Tiefenentspannung umschalten. Gegen 17 Uhr sind wir endlich – wo auch immer – registriert und halten erleichtert ein kleines Zettelchen in unseren Händen. Unsere Reise kann weitergehen.

Von Murghab fahren wir mit Danjela und Christian (Wien) weiter. Beide hatten wir schon in Dushanbe und Chorug getroffen. Gemeinsam beginnen wir den mühsamsten Anstieg der Hochgebirgsstraße. Es geht auf den Akbaital-Pass. Leider hat der Wind gedreht und bläst uns allen ordentlich ins Gesicht. Und es wird noch einmal kälter. Auch die Zeltplatzsuche wird nun schwieriger. Es gilt, einen halbwegs windgeschützten Platz zu finden. So schieben wir unsere Räder steinige Hänge hinab, um gute Plätze an Wasserläufen zu finden. Nachts sinken die Temperaturen über 4.000 m auf – 10°C. Im Zelt messe ich lauschige – 3°C… Am Morgen sind die Wasserflaschen komplett gefroren. Ausgerechnet in dieser Zeit delaminiert sich eine unserer Matten in der Mitte fast vollständig und bietet nur noch wenig Isolation gegen die Bodenkälte.

Der Akbaital Pass, höchster Punkt des Pamir-Highway, ist eine echte Herausforderung. Jeder Tritt scheint das dreifache an Kraft zu kosten. Alle 100 m müssen wir schwer atmend stehen bleiben, den Puls beruhigen. Reden tun wir kaum noch. Wir brauchen die gesamte Luft zum Gehen oder Pedalen. Gegen 14 Uhr haben wir den Pass endlich bezwungen und stehen auf 4.655 m. Nie waren wir den Sternen näher! Ewigkeit und blauer Himmel um uns herum. Das Gefühl – unbeschreiblich. Schnell machen wir ein Foto und wechseln die nassen Sachen. Ein Snickers und viel Wasser, dann müssen wir auch schon weiter. Im kalten Wind ist man trotz Sonnenschein nach wenigen Minuten ohne Bewegung durchgefroren.

Die anschließende Abfahrt (erst 25 km üble Wellblechpiste dann Asphalt) nach Karakul ist landschaftlich einmalig. Vor Jahrmillionen schuf hier ein Meteoriteneinschlag einen abflusslosen Endsee. Tiefblau schimmert der Karakul auf 4.000 m in der Sonne. In der Ferne glänzen die schneebedeckten Gipfel der Transalai-Kette. Ein gigantisches Panorama!

Der gleichnamige Ort wirkt fast schon surreal. Ein paar Flachbauten liegen verstreut auf einer vegetationsfreien Ebene. Neben einem kleinen Magazin gibt es hier sogenannte Homestays, einfachste Unterkünfte bei Gastfamilien. Wir verbringen 2 Nächte für 7 $ p.P. und Nacht, um uns von den Strapazen zu erholen. Im sogenannten “Simovka”, dem Winterzimmer, schlafen wir mit Matten der Gastgeber auf dem Boden. Das Zimmer ist mit einem kleinen Ofen ausgestattet. Allerdings gibt es nur wenig Heizmaterial. Nach 1 Stunde ist alles verbrannt, die wohlige Wärme verflogen und der Raum wieder 8°C kalt. Der Halbstrauch Teresken, der zum Heizen verwendet wird, ist in der Umgebung ausgerottet. Von weit her wird er aus den Bergen herangeschafft und ist entsprechend teuer. Wir fragen uns, womit die Menschen wohl in 10 Jahren gegen die -40°C im Winter anheizen werden…

Wasser holen sich die Einwohner mit Eiseneimern aus dem Dorfbrunnen. Elektrizität gibt es nicht. Wir haben am Abend immerhin 2 Stunden Licht dank eines Generators. Die Toilette, ein eingemauertes Plumpsklo mit “Himmelsdach”, ist 50 m vom Haus entfernt. Frühstück und Abendbrot nehmen wir im ungeheizten Vorraum ein. Im Schneidersitz hocken wir um eine erhöhte Tafel, löffeln dünne Suppe mit einer Kartoffel und träumen von heimischen Köstlichkeiten…

Gern hätten wir mehr über unsere Gastgeber, ihre Lebensumstände und Wünsche erfahren. Doch die Sprachbarriere lässt keine ausführlichere Kommunikation zu. Was wissen sie von der „Welt da draußen“, den „Segnungen“ unserer Zivilisation? Wie empfinden sie das Leben hier oben?

Auch der letzte Abschnitt zur tadschikisch-kirgischen Grenze hat es noch einmal in sich. Ein weiterer Pass bringt uns wieder auf 4.300 m. Staub wirbelt durch die Luft. Der Wind nimmt mitunter sturmartige Formen an und blässt uns eisig in die Gesichter. Selbst bergab müssen wir teilweise kräftig zutreten, um überhaupt vorwärts zu kommen. Konversation ist nur noch schreiend möglich. Die menschenleere Mondlandschaft wirkt im diffusen Tageslicht fast schon mystisch. Nach einem letzten heftigen Anstieg haben wir den tadschikischen Grenzposten erreicht. Der Empfang durch die Soldaten ist schroff und militärisch, die Verabschiedung dann fast schon herzlich. Mit Bitten und Betteln und viel Freundlichkeit haben wir es sogar noch fertig bekommen, unseren teuren Registrierungszettel als Souvenir zu behalten…

Das schönste “Souvenir” war aber die Fahrt über das “Dach der Welt”. Ein unvergessliches Abenteuer, dessen Bilder und Erlebnisse uns noch lange in Erinnerung bleiben werden.

Wer noch mehr über den Pamir und seine Bewohner erfahren will, sollte sich die nachfolgende Dokumentation ansehen, die Anfang des Jahres auf Phoenix ausgestrahlt wurde.

 

Feuertaufe am Panj und neues „Pass-Foto“

Khorog/ Tadjikistan tajikistan
165. Reisetag
5.142 km, 34.769 hm

IMGP9942 (Mittel) In scheinbar endlosen Windungen schlängelt sich die Piste an den Hängen der Hasr Etiši Bergkette entlang. Seitdem wir vor 3 Tagen den Fluss Obihingab verlassen haben, steigt die Piste kontinuierlich an. Immer wieder müssen wir auf der Scheitelstrecke kurze Pausen machen, um den Puls zu beruhigen. Die Luft hier oben ist schon spürbar dünner. Die Straße M 41, der wir bis kurz vor Bishkek in Kirgisistan folgen wollen, ist in einem unsagbar schlechtem Zustand. Asphalt gibt es keinen mehr, dafür jede Menge Schlaglöcher, dicke Gesteinsbrocken und Versandungen. Gelegentlich müssen wir unsere Räder durch ausgetrocknete Flussbetten schieben. Ein mühsames Unterfangen. Die marode Infrastruktur wird nur äußerst behelfsmäßig und oft mit unzulänglichen Mitteln gegen die rauen Naturgewalten der eindrucksvollen Gebirgswelt aufrecht erhalten. Allerdings ist die Verkehrserschließung Tadschikistans wegen seiner Oberflächengestalt auch sehr schwierig. 2/3 des Landes sind Hochgebirge.

12 km und 700 Höhenmeter nach unserem heutigen Start kommt die langersehnte Passhöhe in Sicht. Noch einmal kurbeln wir mit aller Kraft, das Ziel endlich vor Augen. Unser Atem geht schnell und schwer. Nach einer letzten Rechtskurve können wir endlich eine „Schutzhütte“ sehen. Auf einer der Seiten steht in großen, roten Lettern: 3.252,8 m. Wir sind auf dem Sagir-Dasht-Pass! Unserem ersten 3.000er. Ein emotionaler Höhepunkt! Erschöpft fallen wir uns in die Arme, schreien unsere Freude ins Tal. Es ist Punkt 12 Uhr.

Kaum angelangt blasen auch schon starke Windböen über die Passhöhe. Auf über 3.000 m sind es nur noch 15 °C. In aller Eile wechseln wir unsere durchgeschwitzten Klamotten und verlegen das Kochen in eine Nische der „Schutzhütte“. Während wir heiße Instantnudeln in der wärmenden Sonne genießen besuchen uns 3 Hirten, die mit ihrer Herde über die Berge nach Kulob ziehen. In den letzten Tagen sind uns immer wieder riesige Schaf- und Ziegenherden begegnet. Bis zu 5.000 Tiere auf einmal werden oft von nur einer Handvoll Männer die Straße hinunter getrieben. Schon aus der Ferne ein beeindruckendes Bild. Vorneweg laufen stets die Esel mit dem Hab und Gut der Männer. Unglaublich, was diese kleinen widerstandsfähigen Tiere alles auf ihren schmalen Rücken schleppen können. Die Begrüßungen der Hirten sind stets herzlich und respektvoll. Den wettergegerbten Gesichter sieht man an, dass ihr Leben entbehrungsreich und hart ist. Während uns ein wogendes Meer aus tierischen Körpern umschließt stehen wir minutenlang in einer riesigen Staubwolke. Die Autofahrer haben weniger Geduld. Unaufhörlich hupend drängeln sie sich durch die Herde.

Nach 1 ½ Stunden Pass-Pause ziehen wir wieder unsere Radkleidung an. Im Schritttempo geht es auf schlechter Piste hüpfend und rutschend 2.000 Höhenmeter hinunter in das Tal des Flusses Panj. Schon nach kurzer Zeit schmerzen die Hände vom vielen Bremsen. Die Felgen werden heiß und brauchen alle paar Kilometer eine Pause, um nicht zu überhitzen. Das Tal wird zunehmend enger. Immer weniger Lichtstrahlen finden den Weg hinein. Kurz vor Kalaikhum wartet noch einmal ein Hindernis auf uns. Vor 10 Tagen brach unter der Last eines Lkw’s eine Flussbrücke zusammen. Die Überreste der Stahlkonstruktion hängen noch in der Strömung. Ersatz gibt es noch nicht. Amur, ein Tadschike, bietet sofort seine Hilfe an und bringt uns samt Rädern und Equipment mit seinem russischen Jeep ans andere Ufer. Die kurze Fahrt ist eine mit Herzschlag. Bis zum Radkasten verschwindet der Jeep in den Fluten, ich stehe auf der Heckklappe und versuche die Räder vor dem Herunterfallen zu bewahren ohne selbst abgeworfen zu werden. Ria hält auf der Beifahrerseite mit aller Kraft an den Lenkern fest. Hüpfend und schnaubend bewegen wir uns durch das Flussbett. Der Motor jault mehrmals bedrohlich auf und versetzt der in die Jahre gekommen „Kiste“ einen heftigen Stoß. Doch alles geht gut und „trockenen Rades“ erreichen wir das andere Ufer. Geld für seine Hilfe möchte Amur keines annehmen. Aber die kasachischen Karamel-Bonbons schmecken ihm und seiner Familie.

In Kalaikhum, Grenzstadt zwischen Tadjikistan und Afghanistan, können wir unsere Vorräte ein wenig auffüllen und finden mit etwas Glück und Suche sogar Äpfel, Kartoffeln, Paprika, Gurke und Brot. Auf den folgenden 300 km hat kein Laden mehr eines der Dinge. Die Menschen versorgen sich weitgehend selbst. Und so ist das „Angebot“ in den Läden stets das Gleiche: Bonbons, verstaubte (offen liegende) Kekse, selbstverpackte Nudeln, Cola (nicht immer), Wasser (noch seltener), Zucker, Salz und Mehl in Säcken und ein paar Hygieneartikel. Ansonsten China-Plaste-Kram… aber der ist nicht essbar. So ist es immer eine Riesenfreude wenn uns Einheimische Äpfel, Tomaten und Gurken in die Taschen stopfen oder wir ein großes Fladenbrot geschenkt bekommen. Auch zum Tee werden wir täglich eingeladen. Nach erneuten gesundheitlichen Problemen in Dushanbe sind wir aber mehr als vorsichtig und lehnen jede Einladung dankend ab. Unsere Abfahrt aus der Hauptstadt hatte sich um einen Tag verschoben, da Ria Fieber und Durchfall bekam. Zum Glück waren wir privat bei Veronique aus Paris untergebracht. Hier konnten wir so lange bleiben wie wir wollen. Veronique arbeitet in Dushanbe für die EU.

Die internationalen (Hilfs-)Organisationen geben sich in der Hauptstadt Tadschikistans die Türklinke in die Hand. UN, UNDP, WFP, OECD, Welthungerhilfe, Internationales Rotes Kreuz u.v.m. sind hier vor Ort tätig. Die Präsens kommt nicht von ungefähr. Tadschikistan ist eines der ärmsten Länder Zentralasiens. Ein großer Teil der bereits in den 90er Jahren wenig entwickelten sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur wurde durch den Bürgerkrieg 1992 – 1997 zerstört. Rund 2/3 der Bevölkerung leben heute unterhalb der Armutsgrenze. Die Arbeitslosenquote liegt um die 40 % … Seit 1994 regiert Emonalii Rahmon das Land. Menschenrechte und Pressefreiheit werden immer wieder verletzt. Zuletzt ließ er sich 2006 wiederwählen. Gegen die Opposition geht Rahmon rigoros und mit harten Bandagen vor. Doch von den Plakaten lächelt der Präsident sanftmütig – wechselweise mal vor wogenden Korn- oder Mohnfeldern – stets vor einem strahlenden Himmel…. Die Realität sieht anders aus.

Da Veronique selber begeisterte Radfahrerin ist, bietet sie Radlern eine kostenlose Unterkunft in Haus und Innenhof an. Nach und nach füllt sich das Haus und Gabriel, ihr 7-jähriger Sohn hält alle auf trapp. Im Garten – einer Oase gleich – steht ein ganzer Fuhrpark an Rädern. Abends wird zusammen gekocht und die neuesten Infos über Visa, Grenzübergänge, Routen etc. machen die Runde. Kaum war Ria genesen erwischte es mich mit den gleichen Symptomen auf der ersten Etappe in den Pamir. Aber das war erst der Anfang ….

Von Kalaikhum führt uns die M 41 knapp 300 km auf tadschikischer Seite nach Khorog entlang der Grenze zu Afghanistan. Der reißende, grau-braune Strom „Panj“ trennt beide Länder voneinander. Oft ist das Flussbett so schmal, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes nur einen Steinwurf von Afghanistan entfernt kurbeln. Bereits in Usbekistan waren wir nur noch 100 km von Masar-e Scharif entfernt. Die unmittelbare Nähe Afghanistans macht sich vor allem an den zahlreichen Militär-Checkpoints bemerkbar. Mit Kalaschnikow im Anschlag werden wir alle 100 km gestoppt, um uns zu registrieren. Das Tal des Panj ist anfangs etwas weiter mit einigen kleinen Siedlungen, dann verengt es sich immer mehr. Kurze Schluchtenpassagen und leichte Talweitungen mit teils idyllischen Dörfern wechseln sich ab. Bei jedem Halt versammelt sich blitzschnell eine Horde Kinder um uns. „Photo! Photo!“ wird gerufen. Jeder möchte aufs Bild. Wenn wir dann anschließend das Ergebnis zeigen, recken die Jungen den Daumen, die Mädchen lachen verschämt. Hände abklatschen ist ebenfalls sehr beliebt und selbst die Kleinsten, 3-jährigen, winken uns schon zu und rufen „Hello“. Nur gelegentlich „übertreiben“ es die Kids. Da wird dann schon mal versucht, die Hand festzuhalten oder uns mit einem gespannten Seil am Weiterfahren zu hindern…

Die Fahrt am Grenzfluss ist kaum leichter als zuvor zum Pass. Die Anstiege sind mit 10 % und mehr meist kurz und giftig, der Untergrund Offroad tauglich. Miserable Pistenabschnitte wechseln mit altersschwachem Asphalt, der aber so flickenhaft ist, dass wir meist Slalom auf den Reststücken fahren. Hinzu kommen die zahlreichen Trucks – meist in Kolonne – und mit ihnen jede Menge Staub und Abgase. Besonders auf den Singeltrails wird es für dann mehr als eng und viel Platz zwischen uns und dem Abhang zum Panj ist oft nicht mehr.

Der Blick auf die afghanische Seite ist dafür immer wieder faszinierend. Auf teils abenteuerlichen Saumpfaden laufen die Menschen zu ihren Feldern, die ebenso abenteuerlich in schwindelerregender Höhe oberhalb des Panj an den steilen Hängen „kleben“. Zum Transport schwerer Lasten wird fast überall noch der Esel eingesetzt. Abends begleitet uns deren vielstimmiges Geschrei zusammen mit dem Ruf des Muezzin in den Schlaf. Obwohl das Tal oft sehr schmal ist und außer für die M 41 nicht viel Platz, finden wir immer wieder einen Stellplatz für unser Zelt. Bereits gegen 19 Uhr ist es dunkel und jede Nacht auf’s Neue nimmt uns der Sternenhimmel gefangen.

2 Tage vor Khorog erwischt es mich erneut. Mit Fieber, Durchfall und Erbrechen quäle ich mich irgendwie über die Straße, viele Stunden liege ich im Gras, unfähig aufzustehen. Ria muss in dieser Zeit fast alles alleine machen. Zu allem Überfluss geraten wir auch noch in ein Unwetter. Ein Sturm fegt durch das Tal und in minutenschnelle ist vom aufgewirbelten Sand der Himmel nicht mehr zu sehen. Wir suchen den nächstbesten Zeltplatz. Ria baut in windeseile das Zelt auf, während ich völlig erschöpft auf dem Boden liege. Nach 1 Stunde ist der Sturm vorbei und das Innenzelt voller Sand. Am 04.09. erreichen wir endlich Khorog, die selbsternannte Hauptstadt des Pamir. Gut 30.000 Menschen leben hier. Auf den Straßen herrscht Gedränge und lebhaftes Treiben. Mein Magen-Darm-Leiden erreicht hier seinen „Höhepunkt“. Nach einer schlaflosen, grauenvollen Nacht bin ich völlig entkräftet und dehydriert. In den folgenden Tagen geht es dann langsam bergauf und die Lebensgeister kommen zurück. Währenddessen geht es mit Ria genau in die entgegengesetzte Richtung. Nun hat sie mehrere Tage Fieber und Durchfall, dazu einen hartnäckigen Husten.

Mittlerweile sind wir fast 1 Woche in der Pamir Lodge in Khorog und so langsam beide wieder radtauglich. Neben der anfänglichen „Scheißerei“ sind die Tage hier mit den Generalüberholungen unserer Räder, Vorratseinkäufen, Wäsche waschen, Recherchieren, Lesen, netten Begegnungen mit anderen Reisenden und viel Schlafen ausgefüllt.

So Gott und Montezuma wollen werden wir übermorgen unsere Reise auf dem Pamir-Highway fortsetzen.

(Bilder folgen)

Seidenstraßenzauber und staubige Rüttelpisten

Denov/ Usbekistan uzbekistan
141. Reisetag
4.500 km, 26.730 hm
(Bericht vom 18.08.2013)

P1110146 In Usbekistan folgen wir zwischen Buchara und Samarkand der Seidenstraße. Der Mythos dieser geschichtsträchtigen, sich vielfach verzweigenden alten Handelsroute zwischen Okzident und Orient hatte uns schon bei der Planung unserer Reise in den Bann gezogen. Über das weitverzweigte Netz von Karawanenstraßen wurden einst allerlei Waren transportiert. Gleichzeitig fanden Religionen, Kulturen und Wissenschaft auf diese Weise ihre Verbreitung.

Der landschaftliche Kontrast nach dem Grenzübergang bei Farap ist schon extrem. Nach Wüstenstaub und kargem Steppengras im Nordiran und Turkmenistan erstrecken sich nun großflächig künstlich bewässerte Baumwollplantagen links und rechts der Straße. Usbekistan ist einer der weltgrößten Baumwollexporteure.

Die alte Seidenstraßen-Stadt Buchara fasziniert uns mit ihrem Prunkbauten und Monumenten aus einer hart umkämpften Vergangenheit. Nicht zu Unrecht trägt sie den Namen „Die Edle“. Die Altstadt ist nahezu vollständig erhalten und wirkt wie ein Freilichtmuseum. Trotz der Sowjetherrschaft ist sie eine orientalische Stadt geblieben, die vom Islam geprägt ist. Auch Jahrhunderte nach ihrer Fertigstellung schimmern zahlreiche Kuppeln blau und glänzen die Fassaden der Medresen und Moscheen als ob sie gerade fertigstellt worden wären. Das Blau der Kacheln hat in Buchara eine besondere Bedeutung. Es ist das Blau des Himmels, die Farbe des Lichts und des Lebens. Am 50 m hohen Kalon Minarett (12. Jh.) im Herzen der Altstadt ruhen wir im Schatten aus und lassen die Atmosphäre auf uns wirken. Das Leben in den engen Gassen zwischen den Lehmhäusern nimmt während der Tageshitze eher einen gemächlichen Gang. Erst gegen Abend wird es lebhafter. Am Labi Xauz, einem der beliebtesten Plätze Bucharas, genießen Einheimische wie Touristen Abendstimmung und mildere Temperaturen. Der Platz und das Wasserbecken in der Mitte sind in buntes Licht getaucht. Fast wirkt das Treiben wie auf einem kleinen Jahrmarkt. Es gibt Eis, Zuckerwatte, Popcorn. Wie mag es wohl zu Zeiten Marco Polos, dem wohl berühmtesten Reisenden auf der Seidenstraße, hier ausgesehen haben, wenn die Karawanen nach den trockenen Wüsten- und Steppenlandschaften in der Oasenstadt ankamen?

Wie schon in Mashhad (Iran) treffen sich im Hotspot Buchara die Radreisenden von West und Ost kommend. Und so sitzen wir am Abend mit Marica (Holland), Norbert (Bonn), Heidi/Markus (Österreich) und Gergana/Michael (Magdeburg) vor der Ko‘kaldosh-Medrese und tauschen Erlebnisse und Geschichten aus. Nach 2 Tagen brechen wir mit Marica, der „fliegenden Holländerin“, nach Samarkand auf. Der Asphalt ist zunächst gut und so schaffen wir am ersten Tag 130 km mit einem Schnitt von 23 km/h. Beides neuer Rekord. An den darauffolgenden Tagen ist der Bodenbelag deutlich schlechter. Immer wieder fluchen wir über die vielen Schlaglöcher und hohe Bodenwellen. Obwohl auf der Hauptschlagader des Landes unterwegs, ist der Individualverkehr nicht übermäßig. Dennoch gibt es einige brenzlige Situationen. Die Usbeken fahren teilweise wie die Irren. Nicht nur einmal rutscht uns das „Herz in die Hose“… Neben alten Ladas und russischen Kamaz-Lkw’s tummeln sich vor allem lauter vollbesetzte Kleinwagen der Marke Daewoo auf den Straßen. Bei Bauern können wir abends unsere Zelte und werden am Abend noch mit Brot, Tee und Wassermelonen versorgt. Im Morgengrauen weckt uns das markerschütternde Geschrei der Esel, die hier immer noch vielfach als Lastentiere genutzt werden.

Kulinarisch ist die Reise durch die Stan-Länder kein leichtes Unterfangen. Das Hauptnahrungsmittel in Zentralasien ist seit ewigen Zeiten Brot. Frisch gebacken schmeckt es lecker. Nach einem Tag beginnt es sich jedoch in Zwieback zu verwandeln. Am leckersten sind noch die Lepjoschki – runde aufgebackene Brotfladen, die überall am Straßenrand verkauft werden. Mit Sonnenblumenöl „glasiert“ glänzen sie in der Sonne. Ansonsten ist die zentralasiatische Küche sehr fettlastig. „Das“ Markenzeichen schlechthin ist Plow. Dieses traditionell orientalische Reisgericht aus Hammelfleisch, Zwiebel, Karotten und Reis wird an allen Ecken in großen Pfannen angeboten. Restaurants nach westeuropäischen Vorstellungen gibt es praktisch nicht. Da Brot allein nicht satt macht essen auch wir Plow. Die mangelhafte Sauberkeit beim Kochen und Spülen des Geschirrs setzt unseren Verdauungstrakten jedoch zu. In Samarkand erwischt uns schließlich „Montezumas Rache“. Zunächst liege ich mit Fieber, Erbrechen und Durchfall flach, kurz darauf hat auch Ria Magenprobleme. Alle anderen Radler und Reisenden die wir treffen, klagen über ähnliche Leiden und Ausfallzeiten. Mittlerweile kochen wir nur noch selbst. Bei dem dünnen Warenangebot der Miniläden nicht immer leicht was „Gescheites“ hinzubekommen. Neben den immer gleichen Bonbons, offenen Keksen und Limonaden gibt es meist nur Nudeln und Dosenware. Aus Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Öl lässt sich jedoch eine leckere Sauce kochen.

Auch sprachlich ist es nicht mehr so leicht sich zu verständigen. Russisch als Verwaltungs- und Verkehrssprache wird von vielen Usbeken zwar noch gesprochen, die Englischkenntnisse sind aber eher zufällig und reichen über ein „Hello“ oft nicht hinaus. Das schallt uns von Männern aber stets freundlich entgegen und wird meist mit einem lauten Kreischen oder Pfeifen begleitet. Usbekische Frauen sind da deutlich zurückhaltender. Besonders Ria schenken sie aber immer wieder ein herzliches Lächeln, das ihre goldenen Zähne zeigt. Auch die Hilfsbereitschaft erschließt sich oft erst auf den zweiten Blick, ist aber stets vorhanden. Dabei sind die Usbeken angenehm unaufdringlich und unkompliziert. Fragen wir nach einem Zeltplatz, werden wir nie abgewiesen. Was uns auch positiv auffällt: es ist viel sauberer als noch im Iran und Turkmenistan. Erstaunlich, gibt es doch praktisch keinen einzigen öffentlich Mülleimer. Unsere Wasserflaschen aus Turkmenistan können wir z.B. erst in Buchara nach 120 km entsorgen.

Auf Märkten und Basaren am Straßenrand herrscht stets ein buntes Treiben. Mindestens genauso faszinierend wie die Geschichte und Bauwerke Usbekistans ist hier die Vielfalt usbekischer Gesichter. Aus allen Himmelsrichtungen kommend scheinen die Menschen in Usbekistan heimisch geworden zu sein. Neben typisch russischen sehen wir viele Formen asiatischer Gesichtszüge. In ihrer Kleidung bevorzugen usbekische Männer dunkle Farben. Manch einer trägt auch im Sommer einen langen Steppmantel, der von einer bunten Schärpe zusammengehalten wird. Fest jeder hat eine schwarze, viereckige Kappe auf dem Kopf, die mit weißen Stickereien verziert ist. Frauen bevorzugen knielange Kleider in bunten Farben. Ein oder zwei geflochtene Zöpfe signalisieren, dass eine Frau verheiratet ist, ein kleine Krone dass sie gerade das “Ja-Wort” gegeben hat.

Der Weg von Samarkand nach Dushanbe ist für uns 4 Pedalisten kein leichter. Die Straßen sind oft im schlechtem Zustand, im Zerafson Gebirge müssen wir den Tahtaqaracha Pass (1.788 m) und einen weiteren Pass von 1.500 m Höhe überqueren. Beides keine „Riesen“ aber manche Passagen sind bis zu 12 % steil. Nach 6 Tagen in glühender Hitze (bis zu 46 °C in der Sonne), jeder Menge Staub und Katzenwäsche am Abend freuen wir uns nun auf eine Dusche und ein klimatisiertes Zimmer in Dushanbe.

In wenigen Tagen starten wir dann zu einem der Höhepunkte unserer Reise. Es geht auf den legendären Pamir-Highway. Eine grandiose Straße über das ‘Dach der Welt’ (Bam-i-Duna), wie der Pamir von den Einheimischen genannt wird. Tiefe Schluchten, weite Hochebenen, faszinierendes Hochgebirge mit Pässen jenseits der 4.000 m – eine der spektakulärsten und härtesten Hochgebirgsstraßen, die man mit dem Rad befahren kann.