100 Tage auf Tour

Türkei

Erzurum (1.950 m)

 

Vor 100 Tagen haben wir Berlin bei Eis und Schnee für 2 Jahre „lebe wohl“ gesagt und unsere Räder gesattelt. Mittlerweile ist es Juli, in der Türkei sind es locker 30 – 40 °C mehr als bei unserem Start und wir sind 2.600 km gen Osten gefahren.

Nicht so viel wie geplant … aber wie heißt es schon auf unserer Homepage „Ja, mach nur einen Plan sei nur ein großes Licht und mach dann noch ‘nen zweiten Plan gehn tun sie beide nich“ (Dreigroschenoper, Bertolt Brecht). Manchmal laufen die Dinge anders als gewünscht. Und so mussten wir mehr Pausen einlegen als gewollt. Bedingt durch die längeren Unterbrechungen ist das Reisen per Rad noch nicht wirklich Alltag geworden. Dennoch hat sich schon ein wenig Routine eingestellt: das Zelt steht abends in wenigen Minuten, in den Taschen suchen wir nicht mehr so lange wie zu Anfang. Die Aufgabenteilung klappt immer besser.

100 Tage auf Tour, 5 Länder, viele Begegnungen – manche nur für einen Augenblick andere intensiver, fast alle nur positiv und bereichernd. Besonders in der Türkei beschenken uns die Menschen mit einer Gastfreundschaft, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft, die uns sprachlos macht.

Und wieder einmal liegen in diesen Tag Freude und Enttäuschung eng beieinander. Von Malatya hatten wir uns kurz entschlossen per Nachtbus (8 Stunden Fahrt) nach Erzurum bringen lassen. Der Grund: hier sollen Iran-Visa wieder ausgestellt werden. In der Stadt angekommen machen wir uns zunächst auf die Suche nach dem deutschen Honorarkonsul. Unsere Pässe haben wir (mit den Visa für Usbekistan und Tadschikistan) aus Berlin hierher schicken lassen. Da das Büro nicht zu finden ist, spricht Ria einen Herrn an. Er kennt den Konsul. Dieser ist jedoch nicht in der Stadt. Doch “problem yok!” Kein Problem! Während er uns zum Frühstück einlädt macht sich der Bruder des Konsuls mit den Pässen auf den Weg zu uns. Eine halbe Stunde später halten wir unsere Pässe in den Händen.

Auf der Suche nach dem Iranischen Konsulat treffen wir zufällig auf eine französisch-schweizerische Radgruppe. Alle haben gerade ihr Iran-Visum nach 5 Tagen Wartezeit bekommen. Übermüdet machen wir uns direkt auf den Weg ins Konsulat, um keine Zeit zu verlieren. Ria legt schnell ihr Kopftuch um. Wir überreichen unsere eigentlich abgelaufene Referenznummer vom März und Ria’s Passfotos mit Kopfbedeckung (haben wir glücklicherweise noch in Malatya machen lassen) und …. bereits am Nachmittag haben wir ein 30-Tage Visum für den Iran. Wir können es kaum fassen, freuen uns wie Schneekönige. 3 Monate hatten wir vergeblich auf eine Einreise gehofft. Gedanklich waren wir schon auf dem Weg durch den Kaukasus und dann dieses kleine Wunder. Wir können in den Iran und unsere Reise so fortsetzen wie geplant!

Am nächsten Tag bereiten wir unsere Räder für die Weiterfahrt vor und überprüfen alle Teile. Schon die letzten Tage hatte ich (Oliver) beim Lenken ein Rauheit und leichte Schwergängigkeit gespürt. Um der Sache auf den Grund zu gehen, ziehen wir den Vorbau vom Schaft ab und sehen uns die beiden Steuersatzlagerschalen an. Dann der Schock, die obere ist defekt. Der Wälzkörper ist nicht mehr richtig abgedichtet und verschlossen. Auf über 50 % der Lagerschale ist der “Dichtungsring” angehoben. Das Ding hat keine 3.000 km runter. So eine Sch****!

In Erzurum laufen wir von „Pontius zu Pilatus“. Kein Radladen weit und breit der uns weiterhelfen kann. Mit Hilfe des Radforums können wir das obere Steuerlager wieder halbwegs hinbekommen. Dennoch sind wir unsicher, mit diesem Defekt die Fahrt durch den Iran fortzusetzen. Zum Glück ist ein Münchner Paar auf dem Weg nach Erzurum. Hamida und Sebastian haben in Istanbul einen Steuersatz für uns gekauft. Morgen werden sie mit dem Bus da sein. Welch Glück im Unglück!

Dann können wir uns endlich wieder auf unsere Räder schwingen und weiter Richtung Osten fahren.

Bilder zum Artikel folgen morgen, sofern wir noch Zeit finden.

Zum Abschluss ein wenig Statstik:

1. Defekte

Ria:

  • Platte Reifen: noch keinen!
  • Objektiv der DSLR defekt (in Istanbul reparieren lassen)
  • Klapphaarbürste in der Türkei gebrochen (mit Alleskleber leidlich „repariert“)
  • Loch am Knie (geflickt) und diverse Teerklekse (Fahrt auf heißem Asphalt, auch mit Gallseife nicht rauszubekommen) auf langer Hose

Oliver

  • Platte Reifen: 1 x hinten
  • Sportsocken haben ein großes Loch (von Ria genäht)
  • Helm im Bus vergessen (in Istanbul neuen gekauft)
  • Steuerlager defekt (wir warten gerade auf Ersatz)

Darüber hinaus gibt es einige Löcher und Laufmaschen in unseren Merinoklamotten.

2. Erkrankungen/Verletzungen

Ria:

  • Schnupfen in Ungarn
  • Magenverstimmung in Istanbul (der Fisch war wohl schlecht)
  • Schürfwunde am Knie durch Sturz in Rumänien

Oliver:

  • Knieschmerzen in Ungarn, Bulgarien und der Türkei (viel Geduld, Stabi-Übungen [Danke Eva und Nadine] und vorsichtiger Neubeginn haben geholfen)
  • Magenverstimmung in Istanbul (der Fisch war wohl schlecht)

3. Was wir immer wieder mitnehmen würden (Liste wird sicherlich noch ergänzt):

  • Sprach- und Reiseführer (das zusätzliche Gewicht lohnt)
  • Rack-Packs (sind handlicher und schneller aufzumachen als unsere bisherigen Packsäcke)
  • jede Menge verschiedenfarbige Beutel um Ordnung in die Taschen zu bringen
  • Klickboxen für Lebensmittel und empfindliche Elektronik
  • selbstgebastelter „Blasebalg“ aus einer blauen Mülltüte, der aus unseren Leichtluftmatratzen in „Null komma Nix“ Himmelbetten macht
  • Rückspiegel am Lenker, der uns vor rücksichtslosen Truckern warnt
  • Warnwesten, um besser gesehen zu werden (auch bei Tunneldurchfahrten sehr nützlich)
  • Helme auf dem Kopf (man spürt sie kaum; als ich [Oliver] in Istanbul ohne fahren musste war mir nicht wohl)
  • T-Shirts aus Wolle, die auch am 3. Tag fast noch müffelfrei sind

4. Was uns fehlt:

Ria:

  • Gummibärchen und eine knusprige Pizza
  • frischer Salat und Obstsalat am Morgen
  • mein Lümmelsofa
  • der Tatort

Oliver:

  • Nutella und Krustenbrot
  • auch frischer Salat und Obstsalat am Morgen
  • bei einer Tasse Kaffee Inforadio hören
  • Tagespresse, vor allem „Die Zeit“

Istanbuler Impressionen – 2. Teil

Eine unvergessliche Woche in Istanbul geht zu Ende. Vieles haben wir gesehen, aber längst nicht alles. Da ein Bild mehr sagt als tausend Worte, hier noch ein paar Eindrücke aus der Stadt zwischen Orient und Okzident.

Außerdem gibt es “bewegte Bilder” von unserer Einfahrt ins Zentrum Istanbuls. Die Stadt ist nicht wirklich “fahrradtauglich” oder gar “-freundlich”. Oberstes Gebot auf Istanbuls Straßen: Immer in Bewegung bleiben und ,In schā’a llāh’ (,So Gott will’) kommt man unversehrt an sein Ziel …

 

 

Einfahrt in die Millionenmetropole Istanbul

Vielen Dank für Eure Kommentare, über die wir uns immer freuen. Allen Mitlesern und Besuchern ein schönes Wochende und Saygilar!

Ria & Oliver

Der Countdown läuft

Lange hat sich auf dieser Seite nichts getan … dabei ist doch eine Menge passiert!

Am 20.12.2012 haben wir beide den Bund fürs Leben geschlossen. Obwohl oder vielleicht gerade weil neben den Weltreisevorbereitungen wenig Zeit und Raum zur Planung blieben war die Hochzeit wunderschön und für uns unvergesslich. Und wir sind froh, das Manuel diesen besonderen Tag und seine vielen kleinen und großen Momente fotografisch für uns festgehalten hat.
Wer also demnächst eine Hochzeit feiert und einen Profi sucht – bei Manuel ist man in guten (fotografischen) Händen. Und da Bilder mehr als Worte sagen, hier der Link zu seiner Homepage:
http://www.manuelgutjahr.com

Seitdem scheint sich das Rad der Zeit doppelt schnell für uns zu drehen. 2 Jahre Deutschland „Goodbye“ zu sagen braucht doch einiges an Vorlauf, Überlegung und manch bürokratischem Akt. Der Ausnahmezustand ist für uns mittlerweile zum Alltag geworden. Die letzten Wochen waren jedenfalls gut gefüllt mit jeder Menge Formalia und Recherchen (Auslands-KV, Visabedingungen, Länderspezifika, Route durch Europa und Asien etc.). Dann musste die Wohnung „ausgemistet“ und eine „Unterkunft“ für unser verbleibendes Hab und Gut gefunden werden. Außerdem „elektrisierte“ Ria das Thema Stromversorgung auf Reisen mehrere Tage. Zwischendurch standen regelmäßige Besuche beim Tropeninstitut (Impfplan) und diversen Ärzten auf dem Terminkalender.
Als „Schrauberlehrlinge“ beim ADFC lernten wir die wichtigsten Fahrrad-Reparaturarbeiten (die wir sicherlich alle mal durchführen müssen) und im Erste-Hilfe-Kurs des Roten Kreuzes lebensrettende Maßnahmen (die wir hoffentlich nie anwenden müssen).
Letztes Wochenende testeten wir dann unser persönliches Kälteempfinden beim Probezelten und -10°C in der Nacht. Fazit: wohlgenährt, ausgeruht und in der flachen Heimat kein Problem. Mal sehen wie es nach einem anstrengenden Radtag auf 3.500 m Höhe aussieht …

Und was macht unsere Fitness? Sagen wir es so: Sie bessert sich (langsam). Drei Mal pro Woche besuchen wir ein Sportstudio, um unsere Muskelkraft noch vor dem Start etwas zu verbessern. Daneben üben wir das Fahren mit Klickis. In „Fleisch und Blut“ ist es uns noch nicht übergegangen, aber es tritt sich wesentlich runder und angenehmer als früher.

Und in gut 4 Wochen tauschen wir schließlich unsere 70 m² Wohnung gegen knapp 3 m² Kuppelzelt…

“Gerädert” ohne Rad

Es täte uns und unserer Kondition sicherlich nicht schlecht, wenn wir am Wochenende auch mal durch Berlin oder das Brandenburger Land fahren würden.

Leider kommen wir hierzu zur Zeit nur sporadisch. Zu viele andere Fragen stehen im Vordergrund. Der Ausrüstungs-Marathon ist nun weitgehend „gefinisht“.

Wenn demnächst alles beisammen ist, wird probegepackt. Mal sehen, auf wie viele Kilo Gepäck wir kommen. Die eigenen bleiben streng geheim ;-) Viel mehr als 40 kg pro Rad sollen es nicht werden, also ca. 15 – 20 kg mehr als bei unseren bisherigen Sommertouren.

Von jetzt an beschäftigen wir uns intensiver mit den Ländern, die wir bereisen wollen. Stoff zum Schmökern haben wir reichlich. Auch die Reiseberichte und Websiten anderer Langzeitradler bieten viel Lesenswertes und Anschauliches, Tipps und Tricks. Allerdings stoßen sie auch neue Themen an oder haben andere Lösungen parat.
Also dann doch wieder auf sich selber konzentrieren und überlegen, was wir wollen und uns wichtig ist.