Danke und eine Bitte

SDC16467 Als wir im April 2013 einen Tag bei Stefanie und Ramon in Tipar (Rumänien) verbrachten, hatten wir die Gelegenheit hautnah zu erleben, was es bedeutet, am „Rande der Gesellschaft“ zu leben.

Keine 3 Autostunden von Wien entfernt, mitten in Europa, schienen wir im Viertel der Roma in einer anderen Welt zu sein. Am Ende des Ortes, ausgegrenzt und abgelehnt von den anderen Einwohnern leben die Familien in einer Art Slum. Bittere Armut und katastrophale hygienische Zustände herrschen im Viertel. Die Kinder der Roma wachsen in dieses Leben aus Ausgrenzung, Gleichmut und Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge, auf. Eine Wahl haben sie nicht.

Mit ihrem Jugendhaus “Casa Tineretului”, das Stefanie zusammen mit dem gemeinnützigen Verein Satul Nostre e.V. vor 8 Jahren gründete, hat Stefanie einen Platz geschaffen, an dem dieser verhängnisvolle Kreislauf durchbrochen wird, wo die Kinder gegenseitigen Respekt und Achtsamkeit lernen, Fähigkeiten und Stärken entdecken können.

Schnell war die Idee geboren mit unserer Reise dieses wichtige Projekt zu unterstützen. Und so riefen wir im April 2013 zu Spendengeldern für ein Zeltlager auf. Diesen Sommer nun konnte es Dank der Spenden unserer Leser stattfinden. Eine Woche lang hatten 8 Kinder die Möglichkeit, eine unbeschwerte Zeit zu verbringen, Gemeinschaft, Natur und kleine Abenteuer zu erleben – einfach nur „Kindsein“ dürfen.

Hierzu schrieb uns Stefanie: „Dank Eurem Spendenaufruf war das Ferienlager für die Roma-Kinder eine ganz besondere Woche, eine tolle Erfahrung im Zusammenleben (…) Alle waren das erste Mal von zu Hause weg und die meisten hatten das erste Mal in ihrem Leben die Möglichkeit in einem eigenen Bett zu schlafen.“

Die wertvolle Arbeit von Stefanie in Tipar wollen wir weiterhin unterstützen.

Wir haben uns daher entschlossen, unsere Aktion „Dreh mit“ zu nutzen, um über den Satul Nostru Deutschland e.V. weitere Spendengelder für die Kinder von Tipar zu sammeln. Zukünftig gehen von jedem Tagessatz (also 20 €), den Ihr uns spendet, 2/3 an den Verein. Als Dankeschön gibt es von uns eine Postkarte aus dem Land, das wir gerade bereisen und von Kindern aus Tipar mit Sicherheit wieder so ein strahlend schönes Lächeln wie auf den Bildern.

Wir hoffen, dass gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit viele Herzen offen sind und wir gemeinsam noch einmal einen nennenswerten Betrag zusammenbekommen. Gerne würden wir uns in den kommenden Wochen die Finger wund schreiben ;-)

Unsere Bankverbindung

Ria Kreuzahler
IBAN: DE36 1005 0000 3540 1880 36
BIC/SWIFT: BELADEBEXXX
Berliner Sparkasse

Verwendungszweck: Deine Adresse für die Postkarte

Auf unserer Homepage informieren wir über den aktuellen Spendenstand.

Wer lieber direkt die Arbeit des gemeinnützigen Vereins unterstützen möchte kann dies natürlich auch tun:

Satul Nostru Deutschland e.V.

Konto-Nr.: 12503241

BLZ: 68050101

Sparkasse Freiburg

Verwendungszweck: Drehmomente

Informationen zu Aufgaben und Zielen des Vereins findet Ihr auf www.satulnostru.de

 

„Truthahn satt“ und ein „Schuss Polemik“

San Diego / USA usa
27.11.2014

P1080104Jeden vierten Donnerstag im November wird Thanksgiving in den USA gefeiert. Wie Erntedankfeste in aller Welt preist auch die amerikanische Nationalfeier die Gaben der Natur. Und traditioneller Weise kommt dabei der Truthahn auf den Tisch. 45 Millionen von Ihnen landen jedes Jahr in der Bratröhre.

Und zu keiner anderen Jahreszeit sind so viele US-Bürger unterwegs wie am langen Thanksgiving-Wochende. Fast 50 Millionen rollen kreuz und quer durchs Land zur Familienfeier. Um ihr Wochenende zu verlängern, nehmen sich viele Arbeitnehmer die Tage vorher frei. Auch „unser“ vierspuriger Highway – HWY 1 – ist am Vortag mit einer schier endlosen Blechlawine brechend voll. Während sich die ps-starken Boliden im Schneckentempo vorwärts bewegen, sausen wir mit Rückenwind auf dem Seitenstreifen Richtung San Diego :-)

In der zweitgrößten Stadt Kaliforniens haben wir von Victoria und Judd eine Einladung zu Thanksgiving erhalten. Gemeinsam mit Familie und Freunden begehen wir das amerikanische Erntedankfest. Nach einem kurzen Gebet wünschen wir uns alle „Happy Thanksgiving“ und rücken mit Gabel und Messer bewaffnet dem gewaltigen Truthahn (20 Pfund) zu Leibe. Der Turkey schmeckt ausgezeichnet. Dazu gibt es mashed potatoes (Kartoffelbrei), Bohnen-Pilzgemüse mit getrockneten Zwiebeln, cranberry marmelade (Moosbeerenmarmelade), verschiedenes Gemüse, Salat, allerlei Dressing, Dips und Snacks.
Kaum ist der Hauptgang verspeist geht es auch schon ans Dessert. Es gibt Appel-(Apfel-), Rasperry- (Himbeer-) und Pumpkin pie (Kürbiskuchen), Frucht-Cremetorte und Tiramisu. Nach 2 Stunden Völlerei sind wir satt und kugelrund. Zwei weitere Tage werden wir bei unseren Gastgebern noch bleiben und wir sind sicher, auch danach ist noch jede Menge übrig vom Festtagsmahl …

Spätestens ab Anfang Dezember beginnt für die Amerikaner nun die holiday season, die Vorweihnachtszeit. Seit Oktober sind die Regale voll mit Weihnachts-Kitsch und spätestens seit Mitte November hören wir „Jingle Bells“ rauf und runter in den Supermärkten. Die „Tempel des Konsums“ findet man auch noch im kleinsten Nest. Walmart & Co. kann man nicht verfehlen. Überall stehen sie an den Ein- und Ausfallstraßen. Riesige Parkplätze garantieren, dass jeder mit seinem Wagen vorfahren kann. Und wer fußlahm oder übergewichtig ist, steigt am Eingang auf den Elektro-Shopper um. Fast so gut wie Autoscooter, nur das man nicht rammen darf ;-)

Uns kostet der Einkauf stets mehr Zeit als geplant. Mit unserem Einkaufswagen kämpfen wir uns vorbei an allerlei Aufstellern, ausbremsenden Sonderposten und mannshohen Preisschildern. Weiter führt uns der Weg vorbei an Regalkilometern voll von Junkfood, chips, crackers, donuts, cakes, cookies, dips und genetisch manipulierter Nahrung. Beim Blick auf das „Kleingedruckte“ fragen wir uns gelegentlich, ob die Verpackung gesünder als der Inhalt ist … 20 und mehr „Zutaten“ bei industriell hergestellten Lebensmitteln sind keine Seltenheit und zur Identifizierung der Inhaltsstoffe wäre ein Chemiestudium sicherlich sehr hilfreich. Trotzdem steht nicht immer drauf was drin ist. Dass konventionelle Milch neben Kalzium und Vitamin A auch Wachstumshormone und Antibiotika enthält, muss man wissen. Vielleicht sind wir deswegen so selten krank in den letzten Monaten geworden ….

Natürlich gibt es auch Organic Food, doch dafür muss man tief, sehr tief in die Tasche greifen. Einmal entdecken wir in einem Supermarkt die Aufschrift „Natural Food“ – wie bezeichnend.

Besonders gut gefüllt sind meistens die Tiefkühltruhen und -schränke. Es gibt Eiscreme ohne Ende (in abnorm großen Containern) und alle möglichen Fertigmahlzeiten. Kein Wunder, gilt doch bei Amerikanern schon das Erwärmen einer Tiefkühlpizza als Kochen …

Farbenprächtig auch die Welt der Limonaden. Das zuckersüße Sprudel- und Brausewasser füllt mindestens einen Supermarktkorridor. Bunt ist die Auswahl, schädlich der Inhalt. Letztendlich ist es immer verflüssigter Zucker oder genetisch veränderter Kornsirup.

Wohin der moderne „american way of life“ führt, können wir jeden Tag auf’s Neue sehen. Überall im Straßenbild laufen – oder besser schleppen sich – übergewichtige Menschen herum. Zu viel Zucker, zu viel Salz, zu viele Kohlenhydrate und zu viele Extras haben sie dick und krank gemacht. Das Prinzip mehr ist besser, funktioniert noch immer und überall wird zum Mehrkauf angeregt. Wer gleich 3 Tiefkühlpizzen oder die extrag-große Familienpackung Chips nimmt, kriegt mehr für sein Geld. An den Anblick der „lebenden Fleischberge“ können wir uns auch nach 4 Monaten im Land nicht gewöhnen. Es macht uns traurig und wütend.

Und die unzähligen Fast Food „Lokale“ verdienen sich an den „menschlichen Müllhalden“ dumm und dämlich. Für 100 Milliarden US-Dollar verzehren alle US-Bürger zusammen Fastfood pro Jahr. Nicht einmal für Autos oder für das Studium ihrer Kindern geben die Amerikaner so viel Geld aus wie für Doppel-Whopper und Happy Meals. Noch immer stehen Mc Doof & Co. hoch im Kurs. In dichter Reihenfolge besetzen sie die Hauptverkehrsstraßen. Auf unserer Reise entlang der Westküste können wir in den Städten kaum sagen, ob wir nun in Oxnard oder Monterey sind. Die immergleichen Stripmalls mit ihrem immergleichen Ketten-Mix gleichen wie ein Ei dem anderen.

Damit der „Kunde König“ beim Bestellen von Fritten und Hot Dogs nicht zu viele Kalorien verbrennt, bietet praktisch jeder Fast-Food Chain sogenannte Drive-Through’s an. So muss der eilige Gast für die Labber-Pappe zwischen den Kiemen nicht die Fahrgastzelle verlassen und auch die Müllentsorgung gelingt dank verlängertem Einwurf-Arm am Container ohne schweißtreibenden Ausstieg.

Na dann Prost Mahlzeit!

20.000

Kalifornien/ USAusa 
605. Reisetag (26.11.2014)
20.000 km / 132.268 hm 

IMGP622020.000 km sind wir nun mit unseren Rädern über unsere Erde gerollt. Ein stolze Zahl, die wir lautstark auf dem Highway 1 kurz vor San Diego mit einem „Give me five“ feiern.

20 Länder haben wir nunmehr in 20 Monaten bereist. Mit jedem verbinden wir unvergessliche Momente – Gesichter – Geschichten – Menschen, die uns mit Gastfreundschaft beschenkt und tief beeindruckt haben.
Von mancher Begegnung haben wir auf diesen Seiten berichtet, andere tragen wir allein in unseren Herzen.
Neben etwas Stolz empfinden wir vor allem Dankbarkeit. Dankbar, dass wir so lange diese Welt mit eigenen Augen sehen können. Dankbar, dass uns bisher so viel Gutes widerfahren ist und wir (die meiste Zeit) gesund im Sattel saßen.IMGP6241
Und obwohl das Reisen per Rad entschleunigt, werden wir manch Erlebtes wohl erst nach Ende unserer Weltreise „verarbeiten“, „begreifen“ können.

Doch bis dahin bleiben uns noch einige Monate als Radnomaden. Noch immer sind wir neugierig, haben Spaß am Fahren, an der Bewegung und Begegnung, an Sonne und Wind und Zelten unter freiem Himmel. Wir haben noch nicht genug gehört von der Melodie dieser Welt und noch immer fasziniert uns der Tropfen Tau am Morgen, in dem sich das Licht des beginnenden Tages spiegelt.

„Ein Feuerwerk der Natur“ (4 / Fortsetzung folgt)

Valley of Fire State Park / Nevada usa

Panoramablick

 Nach einigen Stunden Schlaf in Las Vegas und einem starken Kaffee geht es am nächsten Vormittag weiter Richtung Osten. Keine 60 Meilen von der Spielerstadt liegt das „Valley of Fire“. Das Tal geizt nicht mit Schönheit und prächtiger Kulisse.

Zunächst gilt es aber sich einen Zeltplatz zu sichern. Viele gibt es im Tal nicht und die wenigen werden nach dem Prinzip „first-come, first-served“ vergeben. Wir haben großes Glück und sichern uns den letzten freien Stellplatz auf dem Arch Rock Campground. Und der Platz ist der Hammer. Fantastisch zwischen stark verwitterten Felsen liegen die ca. 20 Sites. Gäbe es einen Preis für den schönsten Campground in den USA, der Arch Rock würde ganz weit vorne landen.

Doch lange halten wir uns hier erst mal nicht auf. Nach dem Aufbau der Zelte geht es mit „Sparky“ auf einer kurvenreichen Stichstraße Auf und Ab durch das sagenhafte Tal des Feuers. Und in der Tat leuchten die pittoresken Felsen aus rostrotem Sandstein wie Feuer in der Abendsonne. Doch es kommt noch bunter. Vom Parkplatz aus gehen wir 30 min. querfeldein auf einem Trail zur „Fire Wave“. Versteckt zwischen Felsmassiven liegt das Kleinod. Atemberaubend schön leuchtet die gestreifte Sandsteinwelle in den letzten Strahlen des Tages. Welch’ ein Glück, dass wir es hierher noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang geschafft haben. Nicht minder farbenprächtig leuchten die Felsen der Umgebung. Gelb vermischt sich mit Rosarot oder Orange, Weiß mit Dunkelrot, dazwischen Purpur und Türkis. Fast alle Farbtöne sind auf den Steinen vertreten. Sagenhaft, unbeschreiblich, wunderschön!

„Ein Feuerwerk der Natur“, so beschreibt es Ria. Besser kann man es nicht ausdrücken. Dieses natürliche Amphitheater nimmt uns gefangen. Verzaubert laufen wir durch die Inszenierung, wollen nicht mehr gehen.

Zurück auf dem Campingplatz lassen wir uns Salzkartoffeln und Salat schmecken. Auch nach Einbruch der Dunkelheit ist es noch angenehm warm. Die Sonne bleibt unsichtbar gegenwärtig, gespeichert im Gestein, dessen Farbe im Schatten noch nachstrahlt.

In der Nacht zieht dann ein heftiger Sturm über das enge Tal. Einige Heringe werden aus dem knochenharten Boden gerissen. Ich muss raus, unser Staika wieder standfest machen. Überall wirbelt Sand durch die Luft. Ich kann kaum etwas sehen. Der Sturm drückt die Zeltwände ein. Durch die Reißverschlüsse dringen feine Sandkörner in unser Zelt. Am nächsten Morgen ist von der Urgewalt bis auf ein paar Windböen nichts mehr zu spüren. Friedlich, freundlich liegt das Tal in der Morgensonne.

Nur die feine Sandschicht auf unseren Schlafsäcken erinnert an das nächtliche Toben.

Maßlosigkeit mitten im „Nichts“ (3)

Las Vegas/ Nevada usa

IMGP4727Stundenlang fahren wir durch steinige Weite. Die Sonne knallt erbarmungslos auf’s Auto. Schwitzend sitzen wir eingepfercht zwischen unserem Hab & Gut. Im Durchschnitt fallen in der wüstenartigen Landschaft der Nevada 10 cm Regen im Jahr. Heftige Winde treiben Sandwolken über die ausgedörrte Ebene. Im Westen erheben sich Gebirgsformationen bis 3.600 m Höhe. Kaum zu glauben, aber im Winter wird hier Ski gefahren …
Der Highway führt wie mit dem Lineal gezogen durch Ödnis und Monotonie …. bis, ja bis sie auf einmal auftaucht – die Skyline von Las Vegas. Ein Raumschiff, ein anderer Planet mitten im Nichts, überragt vom weithin sichtbaren 300 m hohen Stratosphere Tower.
Aus dem einstigen Wüstenkaff ist nach Aufhebung des Glücksspielverbots in weniger als 80 Jahren eine gigantische Vergnügungsmetropole aus dem Boden gestampft worden. Im Großraum leben 2 Mio. Menschen. Trotz der Trockenheit haben viele Einfamilienhäuser saftig-grünen Rasen im Vorgarten und Swimmingpool. Man gönnt sich ja sonst nichts …
Wir „entern“ die Schein- und Glitzerwelt auf riesigen 8-spurigen Highways. Der Weg ins Zentrum ist erstaunlich schnell gefunden. Auf der Hauptstraße „Freemont Street“, die alle nur den Strip nennen, fahren wir mit ungläubigen Augen und offenen Mündern einmal rauf und runter. „Ist das krass ejh!“ entweicht es Ria :-)
Riesige Hotelkomplexe und Spielhallen ragen protzig in den wolkenlosen Himmel. Casino-Fassaden und Leuchtreklamen (die Unmengen von Strom fressen) reihen sich kilometerlang aneinander. Glücksspiel, Show und Entertainment dominieren die Stadt. Außerdem Massen von Geschäften, Restaurants und Bars. Rund 40 Millionen kommen jedes Jahr nach „Sin City“. Die Bürgersteige sind mit Palmen „aufgeforstet“. Unter die vergnügungslustigen Touris mischen sich Klein- und Selbstdarsteller und „Fake-Promis“ (Elvis, Darth Vader, Lady Gaga etc.), die für 1 $ ein Schnappschuss mit sich und der Laufkundschaft machen lassen.
Im Inneren der Casinos fühlen wir uns wie in eine andere Welt gebeamt. Überall blinken in den weitläufigen Spielhallen Glücksspielautomaten und wollen Hoffnung auf prasselnden Geldregen machen. Hunderte der sog. Slot Machines reihen sich aneinander. Etwas verloren und manchmal wie paralysiert wirken die Gestalten davor. Unablässig füttern sie die gefräßigen einarmigen Banditen mit „Quarters“ (25 US-Cent). Nur selten spuckt einer wieder was aus. An den Pokertischen wird mit hohem Einsatz gespielt. Anderswo vertreiben sich Zockerfans die Zeit mit Baccarat, Roulette und Blackjack. Die Glitzerwelt ist ein Kosmos für sich. Zeit und Raum sind aufgelöst. Tageslicht fällt hier nie rein.
Nach 1 Stunde haben wir genug gesehen. Die Dauerbeschallung auf die Ohren macht müde und gereizt. Wir schlendern noch ein Weile den Strip auf und ab. Von den exklusiven Hotels will jedes mit eigenen Superlativen und Attraktionen Kunden gewinnen. Das palastartige Bellagio lockt mit einem See, auf dem alle 30 min. eine Art „Wasserballett“ aus hunderten Fontänen zu Pop- und Klassikmusik aufgeführt wird.
Am „New York – New York“-Komplex kann man mit einer spektakulären Superachterbahn um das riesige Gebäude rasen (16 $!) und aus der Spitze der Glaspyramide des Hotels „Luxor“ schießt ein Lichtstrahl in den Himmel, den man angeblich sogar aus dem All sehen kann … Und für schlappe 5.000 $ pro Nacht (!) kann man im Wynn Resort Casino in einer Luxus-Suite sein Haupt betten. Wer hierfür das nötige Kleingeld besitzt kann sich vielleicht auch ins All schießen lassen, um einmal den Lichtstrahl des „Luxor“ aus der Ferne zu sehen ;-)
Solche Superlative können (und wollen) wir uns mit unserem schmalen Reisebudget nicht leisten. Wir „residieren“ im altehrwürdigen „Circus Circus“ – immerhin 3-Sterne-Kategorie und mit 3.600 Betten einstmals das größte Hotel von Las Vegas. Heute ist es etwas in die Jahre gekommen, doch das Preis- Leistungsverhältnis ist klasse, die Betten superbequem. Da wir unter Woche da sind, kriegen wir das DZ für 42 $ – irgendwie ja auch schon wieder ein Superlativ :-) Am Wochenende verdoppeln bis verdreifachen sich die Tarife.
Um 1 Uhr nachts kommen wir völlig pflastermüde wieder im Hotel an. Während in Las Vegas noch kräftig der Dollar rollt strecken wir alle Viere von uns und träumen den nächsten Abenteuern entgegen.

Gesalzener Skulpturenpark (2)

Mono Lake / Kalifornien usa

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Mit dem letzten Licht des Tages erreichen wir den Mono Lake. Der See ist mit 150 m² Ausdehnung der größte Kratersee der Welt. In einer riesigen Senke liegt er vor der gewaltigen Kulisse der Gipfel der Sierra Nevada. Leider sind wir nach dem Besuch des Yosemite NP etwas spät dran, um die sog. Tufas (Tuffsteine) noch aus der Nähe bewundern zu können.

Hell-leuchtend erheben sich die Tufftürme aus dem tiefblauen-grünen Wasser des Natronsees. Doch die Schönheit der skulpturartigen Gebilde täuscht über das traurige Schicksal des Mono Lake hinweg. Durch immensen Wasserverbrauch in Los Angeles fiel der Pegel des Mono Lake seit 1950 um bis zu 15 m. Viele Formationen wurden erst durch die dramatische Reduzierung des Wasserstandes freigelegt. Eine Zeit lang standen die um die unterirdischen Quellen entstandenen Kalkfelsen sogar ganz auf dem Trockenen. Nach schärferen Verbrauchsrestriktionen hat sich das Wasserstand wieder etwas „erholt“, so dass zumindest einige Tufas wieder von Wasser umspült werden.

Während wir unser Abendessen zubereiten verfärbt sich der Himmel violettfarben. Die ersten Sterne sind zu sehen. Nach einem letzten Blick über die Weite des Mono Lake geht es wieder in die Enge unseres „Sparky“ und mit Vollgas hinein in die einbrechende Nacht. Wir wollen noch so viel wie möglich Strecke nach Las Vegas machen. Gegen 21:30 Uhr finden wir einen kostenlosen Stellplatz mit Toiletten und Bänken. Der Highway ist zwar direkt nebenan und die Nacht recht laut, aber wahrscheinlich ist das genau die richtige Einstimmung für den morgigen Tag.

America the Beautiful – 9 fantastische Tage zwischen Wüste und Hochgebirge (Teil 1)

Yosemite Nationalpark / Kalifornien usa

Nach 6 Wochen auf dem Rad wechseln wir das Fortbewegungsmittel für eine Reise durch den Westen der USA. Mit dem Auto wollen wir einige der spektakulärsten Nationalparks besuchen und sehen, was Wind, Wasser und Eis in Jahrtausenden an Naturschönheiten geschaffen.

Gemeinsam mit Sabrina und Robert leihen wir uns für 9 Tage einen Wagen. Der kleine, weiße Flitzer Modell „Spark“ von General Motors ist ein etwas zu groß geratener Smart. Stauraum gibt es kaum. So vertäuen wir unsere Rackpacks auf dem Dach und quetschen den Rest zwischen uns und in alle Ritzen und Räume. Irgendwie bekommen wir uns selbst zum Schluss auch noch rein. Das Abenteuer auf 4 Rädern kann endlich beginnen.

Rund 4.000 km fahren wir kreuz und quer durch Kalifornien, Nevada, Utah und Arizona mit unserem „Sparky“. Was wir auf dieser Strecke an atemberaubend schöner, eindrucksvoller Landschaft sehen, lässt sich in Worten nur schwer beschreiben, muss unvollständig bleiben. Es sind unvergessliche Augenblicke. Sagenhafte Straßenverläufe führen uns durch Zauberwelten , in denen sich die Natur in verschwenderischen Farben und Formen zeigt.

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Den Auftakt macht der Yosemite Nationalpark. Nach der steppenhaften Region östlich von San Francisco wirkt der fantastische Landschaftspark wie eine Oase.

Das Yosemite Yalley ist tief in den Granit der Sierra Nevada eingeschnitten. Mäandernd schlängelt sich der Merced River durch das Tal. Zu dieser Jahreszeit führt er nicht mehr viel Wasser, doch seine Oberfläche ist glasklar und spiegelt die umliegenden Gebirge in der Mittagssonne.

Am Valley View legen wir einen längeren Stopp ein. Das Herbstlaub leuchtet, Wiesen, kleine Sandbänke und geschliffenes Gestein schmücken den Fluss. Ein wunderbares Postkartenmotiv.

Auf kurvenreicher Strecke geht es hinaus aus dem Tal. Der Wald ist nicht sehr dicht. Feuer haben ihm in den vergangenen Monaten und Jahren zugesetzt.

Vom Glacier Point bietet sich ein sagenhafter Blick auf das gewaltige Granitmassiv der Sierra Nevada. Der „halbierte“ Monolith „Half Dome“ überragt alles in der Umgebung. Gefesselt stehen wir hoch über dem Tal. 1.000 m steil fällt die Wand vor uns ab. Die Eindruckskraft der schroffen Felswände wird durch das Licht der wärmenden Morgensonne noch verstärkt. Auf einem Baumstumpf machen wir es uns gemütlich und essen unser Frühstück mit „Adlerblick“ auf die Umgebung.

Anschließend erkunden wir auf 2 hübschen, leichten Trails die Umgebung und wandern zu den Vernails Falls und zum ausgetrockneten Mirror Lake. Dann ist die Zeit auch schon um.

Über den 3.000 m hoch gelegenen Tioga Pass verlassen wir Yosemite Richtung Osten. Hier oben ist es nur dank der Sonne noch angenehm warm. Sobald der Wind auffrischt wird es kühl. Mit dem Auto geht es rasch und kurvenreich hinunter. Der schnelle Abstieg aus der Vegetation des Nationalparks in die Trockenheit des 1.000 m tiefer gelegenen Mono Valley in der Abendsonne ist noch einmal ein Erlebnis.

„If you are going to San Francisco …“

San Francisco/ USA usa
573. Reisetag
19.000 km / 124.014 hm

IMGP4100Die letzten Etappen waren kräftezehrend. So schön, wild und ungezügelt der Küstenabschnitt in Nordkalifornien ist, so steigungsreich ist er auch. In 3 Tagen überwinden wir fast 3.500 Höhenmeter. Das mussten wir nicht mal in Südamerika absolvieren!

Dass die Region um San Francisco herum ein erdbebengefährdetes Gebiet ist bekommen wir erstmals in Half Moon Bay “zu spüren” (Nach dem Besuch der Stadt). Mitten in der Nacht entlädt sich die geologische Spannung in Form von kleinen Erdbeben. Der Boden unter unserem Zelt vibriert – zweimal für ca. 20 Sekunden innerhalb weniger Minuten. Es sind keine “Big Bangs” – wie die Amerikaner sagen – doch es ist schon ein irritierendes Gefühl, wenn die Erde, die sonst festen Halt bietet in Bewegung gerät.

Die letzte Nacht vor der Einfahrt nach San Francisco verbringen wir bei Doug in Sausalito. Der Ort ist hübsch und nobel. Ein Platz für Besserverdienende mit einer unglaublichen Yachthafenkonzentration. Doug ist begeisterter Radfahrer, ein feiner Mensch und ein fantastischer Gastgeber. Nach allen Regeln der Koch- und Backkunst verwöhnt er uns. Alles ist selber zubereitet: Lasagne, bunter Salat und Saucen Hollandaise, Coffe-Cakes und Apfelmus, Lemon- und Himbeer-Sorbet, Brownies mit Vanille-Eis und Schokosauce und nicht zu vergessen Black Bottom Pie (ein Traum von Eierschaum-Kuchen mit Schokoladenboden). Es ist wie im Schlaraffenland.

Am nächsten Morgen klettern wir ein letztes Mal einen 10%igen Anstieg hinauf, dann liegt sie uns „zu Füßen“: die Golden Gate Bridge. Am Viewpoint (Aussichtsbereich) legen wir einen ersten Stopp ein und genießen den Blick auf das Wahrzeichen der Stadt. Auf der Landzunge zwischen Pazifik und San Francisco Bay erhebt sich die Skyline mit den für amerikanische Städte typischen Hochhäusern. Zwischen all den Skyscrapers unübersehbar das 1972 errichtete pyramidenartige Transamerica Buildung (260 m), noch immer das höchste Gebäude der Stadt.
Dann fahren wir auf die Golden Gate Bridge. Die enge Einfahrt durch das „Goldene Tor“ in die Bucht von San Francisco ist ein bewegendes Erlebnis. Oft haben wir in den vergangenen Tagen diesem Moment entgegengefiebert. Und nun sind wir am Ziel. Wieder geht ein Kapitel unserer Reise damit zu Ende … und wir schlagen ein neues auf.
Sechsspurig fließt der endlose Verkehrsstrom über die sechsspurige Fahrbahn. Daneben der Fuß- und Radweg. Wir fahren ohne Hast. Die Zeit auf diesem filigranen Stahl-Koloss wollen wir in vollen Zügen genießen.
2.373 m ist die Brücke lang. Die Spannweite zwischen den 227 m hohen Pfeilern beträgt 1.280 m. Als wir am Spätnachmittag auf der anderen Seite ankommen taucht die Sonne die Golden Gate Bridge in gleißendes Rot und das umliegende Land erstrahlt in warmen Gelb- und Brauntönen.

San Francisco selber ist kein gutes Pflaster für Radler – zumindest für vollbepackte wie uns mit 35 kg Gepäck. Die hügelige Topographie und die Stadtplaner sind „schuld“. Zahlreiche schnurgerade Straßen mit steilem Gefälle verlaufen achterbahnähnlich auf und ab. Wir umgehen die schlimmsten Steigungen auf einem Stück des „49-Mile Scenic Drive“ und kommen bei Nick im Stadtteil Mission unter. Ein Hotelzimmer ist nicht bezahlbar. San Francisco ist das teuerste Hotelpflaster unter den großen Städten an der Westküste.
Mission dagegen ist das „alte Kreuzberg“ von San Francisco – etwas schmuddelig aber mit Charme und alternativem Leben. Viele skurrile Läden, Szene-Bars und mexikanische Minimärkte reihen sich aneinander. Auf den Bürgersteigen wird offen gedealt und konsumiert. Arme, Obdachlose und Kranke prägen genauso das Straßenbild wie die „bunten Vögel“. Uns schockiert der Anblick so vieler Menschen am sog. „Rand der Gesellschaft“. Obwohl wir aus vielen bereisten Ländern Armut „gewohnt sind“, schockiert uns das Schicksal dieser Menschen und die harte, reale Welt des amerikanischen Alltags fern des „American Dream“. Die „Traumfabrik“ Amerika hat nicht für jeden Happy Ends. „Hire and Fire“ ist gängige Praxis. Wer seinen Job verliert und nicht schnell einen neuen findet, für den ist der amerikanische Traum schnell ausgeträumt. Staatliche Unterstützung europäischer Prägung sind den USA fremd. So landen viele auf der Straße. Ihr aus eigener Kraft zu entkommen gelingt wohl nur im Einzelfall …

Zu Fuß erkunden wir die Stadt. Welch Kontrast am Union Square! Alles ist blitze-blank, fein und edel. Hier ist der Mittelpunkt der Geschäftswelt San Franciscos. Man trägt edlen Zwirn, High Heels und shoppt nach Herzenslust in den Edelboutiquen. Gleich daneben liegt Chinatown. Mehr auf Touris eingestellt als uns lieb ist, aber dennoch sehenswert. Die sagenhaften Angebotssammlungen in den Apotheken und die farbenprächtigen Auslagen faszinieren. Und die exotischen Wohlgerüche aus den Restaurants lassen uns von den heißgeliebten Garküchen in Südostasien träumen …
Unweit der gewaltigen doppelstöckigen San-Francisco-Oakland Bridge (8.300 m!) liegt die Heimstätte der San Francisco Giants. Das Baseball-Team spielt gerade gegen die Kansas City Royals in den World-Series – das Finale der us-amerikanischen Baseball-Profiligen. Tausende Fans pilgern zum Stadion, fantasievoll in den Vereinsfarben gekleidet. Tickets sind heißbegehrt (bis zu 1.000 $) und die Spiele ein echter Straßenfeger. Vor den vollbesetzten Bars der Stadt stehen die Leute auf der Straße und schauen durch die Fensterscheiben gebannt auf die Bildschirme. Wenige Tage später gewinnen die Giants die World-Series und ganz San Francisco trägt schwarz-orange. Wir werfen an diesem Abend nur kurz einen Blick auf dieses amerikanischste Spiel in der Welt des US-Sports und laufen weiter.
Kurz bevor uns unsere Füße den „Dienst versagen“ klettern wir noch zur Hyde Street hinauf. Hier leben die Besserverdienenden. Das Wohnviertel ist gediegen, voller viktorianischer Holzhäuser und Edelappartments. Der Blick auf den Hafen und die Bucht mit „Alcatraz Island“ (ehemaliges Hochsicherheitsgefängnis) ist noch einmal ein Highlight.
Während wir den Ausblick genießen kommt gerade eines der berühmten Cable Cars mit einer Traube Touristen hinaufgefahren. Zwischen all’ den Hochglanzkarossen wirkt die Kabelbahn mit ihrer Großmechanik aus der industriellen Frühzeit wie aus der Zeit gefallen.

Am nächsten Tag fahren wir vollbepackt zum Ferry Building an der Hafenpromenade. Während uns die Fähre schnell und komfortabel wieder nach Sausalito bringt, genießen wir den Blick auf die Skyline. In 14 Tagen werden wir die Stadt ein 2. Mal auf unserem Weg nach L.A. passieren.

Doch zuvor wollen wir den Südwesten Amerikas mit dem Auto erkunden und Doug’s fantastische Kochkünste ein weiteres Mal genießen.

Im Reich der Riesen

Redwood Parks in Kalifornien/ USA usa

Zeltplatz im Humboldt Redwood NationalparkStaunend stehen wir vor „Stout Grove“, dem größten Redwood im Jedediah Redwoods State Park. Um seine Krone sehen zu können müssen wir unsere Köpfe weit in den Nacken legen. Bis zu 100 m hoch werden die größten Exemplare. Die ältesten sind 2.000 Jahre alt. Und wie aus einer anderen Zeit scheinen diese faszinierenden Giganten auch zu stammen. Ihre übergroßen, braun-rot schimmernden Rindenplatten sind tief zerfurcht. Unsere Finger verschwinden darin zur Hälfte. Um sie umfassen zu können, bräuchte es wohl eine Kette von 4 oder 5 Menschen. Wenn sie sprechen könnten, was hätten sie alles zu erzählen, was haben sie alles erlebt …

Unter dem Dach der Baumkronen ist an diesem heißen Oktobertag erstaunlich kühl und wunderbar still. Außer dem Gesang von Vögeln ist nichts zu hören. Der nadelweiche Waldboden dämpft unsere Schritte. Im Licht- und Schattenspiel des Waldes entdecken wir Fabelwesen und wundersame Skulpturen aus Holz. Dunkelgrünes Moos und leuchtende Farne bedeckten entwurzelte Riesen. Alles ist hier noch dem Lauf der Zeit überlassen. Trotz ihrer beeindruckenden Größe wirken die Redwoods filigran, verletzlich. Die Bäume zu berühren, sich an ihre würzig duftende Rinde zu lehnen ist ein berührendes Erlebnis.

Die Fahrt durch das „Reich der Riesen“ ist einer der Höhepunkte unserer Radreise an Nordamerikas Westküste. Ein unvergessliches Erlebnis.

In den kommenden Tagen radeln wir durch mehrere Redwood-Haine und können uns an diesen Giganten nicht satt sehen. Es sind die letzten größeren Bestände Nordamerikas! Auf der „Avenue of the Giants“ säumen Küstenmammutbäume in wechselnder Dichte die Straße. Jede Radumdrehung im Urwald-Korridor ist ein Vergnügen. Mittendrin kreuzt eine Herde Rotwild die Straße. Wir fahren mitten hindurch, keine 5 m Distanz zu den Tieren. Herzklopfen als der Hirsch die Nüstern bläst. Doch das Wild scheut nicht.

Am Eeel River stellen wir unser Zelt an einem riesigen Baumstumpf auf. Dann heißt es Abschied nehmen von der Welt der Redwoods. Es geht wieder an die Küste – zurück zu Sonne, Wind und zahllosen Anstiegen. Bis San Francisco wartet noch viel Muskelarbeit und manche 100′er-Etappe mit 1.000 Höhenmetern und mehr auf uns.  

 

„Up and down“ auf der „One-o-one“ – Entlang Amerikas Westküstenstraße

Crescent City/  USA usa
560. Reisetag
18.295  km / 115.752 hm

 

Twin Rocks bei Rockaway Beach Unter unseren Reifen schnalzt die nasse Fahrbahn. Der Dreck des Randstreifens „ziert“ Rahmen und Taschen. Mit jedem Truck und Off-Road Ungetüm, das uns ohrenbetäubend laut überholt, kommt eine neue Öl-Sand-Wasser Schicht dazu. Vom Blätterdach klatschen dicke Regentropfen auf unsere Helme. Seit Tagen schon fahren wir in voller Regenmontur. Dass die Küstenroute zu dieser Jahreszeit nicht unproblematisch ist, wussten wir. Abrupte Wetterwechsel sind keine Seltenheit. Und so manch verheißungsvoller Herbsttag endet in den ersten beiden Wochen in strömendem Regen.

Doch gevierteltes Leid ist viertel Leid :-) Mit Sabrina & Robert, mit denen wir seit Mitte September gemeinsamen Richtung Süden radeln, trotzen wir Wind und Wetter(kapriolen).

„Keep dry!“ rufen uns die Autofahrer zu. Humor haben sie, die Amis. Und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Unser Zelt packen wir in dieser Zeit morgens meist klitschenass ein. Die Schlafsäcke riechen nach nasser Katze.

Vielleicht ist das der Grund warum uns Kater Jack auf’s Zelt springt. Unser Staika gleicht danach mehr einem Schweizer Käse denn einer Trutzburg gegen Wind und Wetter… Vom Besitzer bekommen wir 20 $. Ein schwacher Trost für das Katzen-Piercing. Mit SilNet machen wir die Außenhaut unserer Wohnung wieder regendicht.

Dass es im äußersten Nordwesten der USA häufig nass ist, sieht man der Natur an. Mächtige Sitka-Fichten sind von Moosen überwuchert. Riesige Farne bedeckten den Waldboden. Die dichten Feuchtwälder Washingtons und Oregons sind eine eigene Welt, in denen man sich in J.R.R. Tolkiens mythologische Erzählungen versetzt fühlt.

In Port Townsend, einem hübschen Küstenstädtchen mit Klinkerbauten, lesen uns Sheila und Stuart auf der Straße auf. Der örtliche Campground hat nur Plätze für Motorhomes, nicht für Zelter … 2 Nächte können wir bei ihnen bleiben. Sie sorgen sich reizend um uns. Bei Sonnenschein und frisch gebrühtem Kaffee sitzen wir in ihrem Garten und genießen den Blick auf das Admiralty Inlet. Abends gibt es Dinner und Eis satt. „Radlerherz was willste mehr!“

In den Tagen danach hat uns zunächst der Regen wieder. Mal „dissel“ mal „heavy rain“. Nun folgen wir weitgehend der 101. Die Westküstenstraße ist die pazifische Nord-Süd-Achse und wird uns nach Los Angeles bringen. Bis Raymond hat die „One-o-one“ noch nicht viel zu bieten. Überwiegend verläuft sie abseits des Pazifiks. Doch südlich davon zeigt sie sich ab der Willapa Bay von ihrer schönen Seite. Bei Seaview erreichen wir wieder das offene Meer und rollen direkt auf den Strand. Gedankenversunken schauen wir auf den Pazifik und genießen die frisch-feuchte Seeluft. Unablässig stranden beeindruckende Wellen in einer Schaumkrone am Long Beach. Möwen und Kormorane setzen zum Tiefflug über die Wasseroberfläche auf der Suche nach Fischen an. Surfer hinterlassen weiße „Spuren“ beim Ritt auf den Wellenkämmen.

Nun ist auch das Wetter meistens beach-tauglich. In Cape Lookout wagen wir den „Sprung“ in den Pazifik. Danach sind die Lippen tiefblau. Aber die Haut prickelt herrlich. Immer wieder passieren wir traumhafte Strände und zahlreiche Badebuchten mit vorgelagerten Felsinseln. Pittoreske Leuchttürme thronen auf den Kaps.

Das Profil verlangt uns täglich einiges ab. Hügel und Berge sind zwar nicht beeindruckend hoch, dafür aber die Rampen mit 8 – 14 %. Und es geht stets Auf und Ab. Manchmal so schnell, dass wir von „60 Sachen“ bergab auf 5 km/h bergauf in 10 Sekunden ausgebremst werden. Am Ende des Tages stehen dann zwischen 600 und 1.100 Höhenmetern auf dem Tachometer und beim Dehnen wissen wir, was wir getan haben.

Doch die Plackerei wird mit traumhaften Panoramen belohnt. Raue Steilküste wechselt sich mit dichtem Regenwald und langgezogenen Dünenlandschaften munter ab. Schroffe, stark verwitterte Felsen ragen aus der schäumenden See.

Einen Steinwurf von uns entfernt ziehen Grauwale Richtung Norden. Das Schauspiel dieser Giganten der Meere ist etwas ganz Besonderes. Andächtig schauen wir ihrem Spiel zu bis sie sich mit einer Fontäne verabschieden.

Nie zuvor haben wir innerhalb so kurzer Zeit so viele Wildtiere gesehen. Fischotter tummeln sich in Flüssen, Rotwild kreuzt die Straßen, aufdringliche Waschbären versuchen uns allabendlich unsere Vorräte zu klauen, hysterische Eichhörnchen rasen die Bäume rauf und runter und in Newport’s Hafen geben Seelöwen ein vielstimmiges Konzert.

Wir fahren durch manch attraktives Seebad und hübsche Ferienorte mit eleganten Inns, Boutiquen und Kunstgalerien. Gepflegte Rhododendren- und Rosengärten zieren hier die weißgetünchten Holzhäuser im viktorianischen Stil. Für uns sind diese „Sylts“ der USA aber nur „Durchfahrstation“. Das Preisniveau ist enorm. In Cannon Beach will der örtliche RV Campingplatz satte 38 $ pro Zelt! Unverschämt! So fahren wir weiter … in die Nacht und stellen irgendwann unser Zelt nahe der 101 auf. Der State Park ist leider geschlossen. Ansonsten sind die staatlichen Campingplätze aber eine gute Möglichkeit zum Übernachten. Für 10-16 $/Nacht können wir unser Zelt in der Natur aufbauen und am Lagerfeuer den kühlen Abendtemperaturen trotzen.

Das Lichtspiel über dem kalten und bewegten Ozean am Ende des Tages ist immer wieder ein magischer Moment bis das „Goldene Auge“ im Meer versinkt und sich die Nacht über die Küste legt.