Denov/ Usbekistan ![]()
141. Reisetag
4.500 km, 26.730 hm
(Bericht vom 18.08.2013)
In Usbekistan folgen wir zwischen Buchara und Samarkand der Seidenstraße. Der Mythos dieser geschichtsträchtigen, sich vielfach verzweigenden alten Handelsroute zwischen Okzident und Orient hatte uns schon bei der Planung unserer Reise in den Bann gezogen. Über das weitverzweigte Netz von Karawanenstraßen wurden einst allerlei Waren transportiert. Gleichzeitig fanden Religionen, Kulturen und Wissenschaft auf diese Weise ihre Verbreitung.
Der landschaftliche Kontrast nach dem Grenzübergang bei Farap ist schon extrem. Nach Wüstenstaub und kargem Steppengras im Nordiran und Turkmenistan erstrecken sich nun großflächig künstlich bewässerte Baumwollplantagen links und rechts der Straße. Usbekistan ist einer der weltgrößten Baumwollexporteure.
Die alte Seidenstraßen-Stadt Buchara fasziniert uns mit ihrem Prunkbauten und Monumenten aus einer hart umkämpften Vergangenheit. Nicht zu Unrecht trägt sie den Namen „Die Edle“. Die Altstadt ist nahezu vollständig erhalten und wirkt wie ein Freilichtmuseum. Trotz der Sowjetherrschaft ist sie eine orientalische Stadt geblieben, die vom Islam geprägt ist. Auch Jahrhunderte nach ihrer Fertigstellung schimmern zahlreiche Kuppeln blau und glänzen die Fassaden der Medresen und Moscheen als ob sie gerade fertigstellt worden wären. Das Blau der Kacheln hat in Buchara eine besondere Bedeutung. Es ist das Blau des Himmels, die Farbe des Lichts und des Lebens. Am 50 m hohen Kalon Minarett (12. Jh.) im Herzen der Altstadt ruhen wir im Schatten aus und lassen die Atmosphäre auf uns wirken. Das Leben in den engen Gassen zwischen den Lehmhäusern nimmt während der Tageshitze eher einen gemächlichen Gang. Erst gegen Abend wird es lebhafter. Am Labi Xauz, einem der beliebtesten Plätze Bucharas, genießen Einheimische wie Touristen Abendstimmung und mildere Temperaturen. Der Platz und das Wasserbecken in der Mitte sind in buntes Licht getaucht. Fast wirkt das Treiben wie auf einem kleinen Jahrmarkt. Es gibt Eis, Zuckerwatte, Popcorn. Wie mag es wohl zu Zeiten Marco Polos, dem wohl berühmtesten Reisenden auf der Seidenstraße, hier ausgesehen haben, wenn die Karawanen nach den trockenen Wüsten- und Steppenlandschaften in der Oasenstadt ankamen?
Wie schon in Mashhad (Iran) treffen sich im Hotspot Buchara die Radreisenden von West und Ost kommend. Und so sitzen wir am Abend mit Marica (Holland), Norbert (Bonn), Heidi/Markus (Österreich) und Gergana/Michael (Magdeburg) vor der Ko‘kaldosh-Medrese und tauschen Erlebnisse und Geschichten aus. Nach 2 Tagen brechen wir mit Marica, der „fliegenden Holländerin“, nach Samarkand auf. Der Asphalt ist zunächst gut und so schaffen wir am ersten Tag 130 km mit einem Schnitt von 23 km/h. Beides neuer Rekord. An den darauffolgenden Tagen ist der Bodenbelag deutlich schlechter. Immer wieder fluchen wir über die vielen Schlaglöcher und hohe Bodenwellen. Obwohl auf der Hauptschlagader des Landes unterwegs, ist der Individualverkehr nicht übermäßig. Dennoch gibt es einige brenzlige Situationen. Die Usbeken fahren teilweise wie die Irren. Nicht nur einmal rutscht uns das „Herz in die Hose“… Neben alten Ladas und russischen Kamaz-Lkw’s tummeln sich vor allem lauter vollbesetzte Kleinwagen der Marke Daewoo auf den Straßen. Bei Bauern können wir abends unsere Zelte und werden am Abend noch mit Brot, Tee und Wassermelonen versorgt. Im Morgengrauen weckt uns das markerschütternde Geschrei der Esel, die hier immer noch vielfach als Lastentiere genutzt werden.
Kulinarisch ist die Reise durch die Stan-Länder kein leichtes Unterfangen. Das Hauptnahrungsmittel in Zentralasien ist seit ewigen Zeiten Brot. Frisch gebacken schmeckt es lecker. Nach einem Tag beginnt es sich jedoch in Zwieback zu verwandeln. Am leckersten sind noch die Lepjoschki – runde aufgebackene Brotfladen, die überall am Straßenrand verkauft werden. Mit Sonnenblumenöl „glasiert“ glänzen sie in der Sonne. Ansonsten ist die zentralasiatische Küche sehr fettlastig. „Das“ Markenzeichen schlechthin ist Plow. Dieses traditionell orientalische Reisgericht aus Hammelfleisch, Zwiebel, Karotten und Reis wird an allen Ecken in großen Pfannen angeboten. Restaurants nach westeuropäischen Vorstellungen gibt es praktisch nicht. Da Brot allein nicht satt macht essen auch wir Plow. Die mangelhafte Sauberkeit beim Kochen und Spülen des Geschirrs setzt unseren Verdauungstrakten jedoch zu. In Samarkand erwischt uns schließlich „Montezumas Rache“. Zunächst liege ich mit Fieber, Erbrechen und Durchfall flach, kurz darauf hat auch Ria Magenprobleme. Alle anderen Radler und Reisenden die wir treffen, klagen über ähnliche Leiden und Ausfallzeiten. Mittlerweile kochen wir nur noch selbst. Bei dem dünnen Warenangebot der Miniläden nicht immer leicht was „Gescheites“ hinzubekommen. Neben den immer gleichen Bonbons, offenen Keksen und Limonaden gibt es meist nur Nudeln und Dosenware. Aus Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Öl lässt sich jedoch eine leckere Sauce kochen.
Auch sprachlich ist es nicht mehr so leicht sich zu verständigen. Russisch als Verwaltungs- und Verkehrssprache wird von vielen Usbeken zwar noch gesprochen, die Englischkenntnisse sind aber eher zufällig und reichen über ein „Hello“ oft nicht hinaus. Das schallt uns von Männern aber stets freundlich entgegen und wird meist mit einem lauten Kreischen oder Pfeifen begleitet. Usbekische Frauen sind da deutlich zurückhaltender. Besonders Ria schenken sie aber immer wieder ein herzliches Lächeln, das ihre goldenen Zähne zeigt. Auch die Hilfsbereitschaft erschließt sich oft erst auf den zweiten Blick, ist aber stets vorhanden. Dabei sind die Usbeken angenehm unaufdringlich und unkompliziert. Fragen wir nach einem Zeltplatz, werden wir nie abgewiesen. Was uns auch positiv auffällt: es ist viel sauberer als noch im Iran und Turkmenistan. Erstaunlich, gibt es doch praktisch keinen einzigen öffentlich Mülleimer. Unsere Wasserflaschen aus Turkmenistan können wir z.B. erst in Buchara nach 120 km entsorgen.
Auf Märkten und Basaren am Straßenrand herrscht stets ein buntes Treiben. Mindestens genauso faszinierend wie die Geschichte und Bauwerke Usbekistans ist hier die Vielfalt usbekischer Gesichter. Aus allen Himmelsrichtungen kommend scheinen die Menschen in Usbekistan heimisch geworden zu sein. Neben typisch russischen sehen wir viele Formen asiatischer Gesichtszüge. In ihrer Kleidung bevorzugen usbekische Männer dunkle Farben. Manch einer trägt auch im Sommer einen langen Steppmantel, der von einer bunten Schärpe zusammengehalten wird. Fest jeder hat eine schwarze, viereckige Kappe auf dem Kopf, die mit weißen Stickereien verziert ist. Frauen bevorzugen knielange Kleider in bunten Farben. Ein oder zwei geflochtene Zöpfe signalisieren, dass eine Frau verheiratet ist, ein kleine Krone dass sie gerade das “Ja-Wort” gegeben hat.
Der Weg von Samarkand nach Dushanbe ist für uns 4 Pedalisten kein leichter. Die Straßen sind oft im schlechtem Zustand, im Zerafson Gebirge müssen wir den Tahtaqaracha Pass (1.788 m) und einen weiteren Pass von 1.500 m Höhe überqueren. Beides keine „Riesen“ aber manche Passagen sind bis zu 12 % steil. Nach 6 Tagen in glühender Hitze (bis zu 46 °C in der Sonne), jeder Menge Staub und Katzenwäsche am Abend freuen wir uns nun auf eine Dusche und ein klimatisiertes Zimmer in Dushanbe.
In wenigen Tagen starten wir dann zu einem der Höhepunkte unserer Reise. Es geht auf den legendären Pamir-Highway. Eine grandiose Straße über das ‘Dach der Welt’ (Bam-i-Duna), wie der Pamir von den Einheimischen genannt wird. Tiefe Schluchten, weite Hochebenen, faszinierendes Hochgebirge mit Pässen jenseits der 4.000 m – eine der spektakulärsten und härtesten Hochgebirgsstraßen, die man mit dem Rad befahren kann.


Gleißend scheint die Mittagssonne. Majestätisch erheben sich die blau-türkisfarbenen Moscheekuppeln über dem endlos wirkenden Dächermeer. Wir sind auf 1.500 m über N.N. Dennoch ist es drückend heiß. Bei 45 °C in der Sonne bläßt uns der Wind in den Straßen wie ein heißer Fön ins Gesicht. Isfahan liegt in Zentraliran in wüstenhafter Landschaft. Die 6-stündige Busfahrt von Teheran führte durch ausgetrocknetes, staubiges Hochland. Seit jeher ist der Fluss Zayandeh Rud Lebensader der 2 Millionen Einwohner zählenden Stadt, die wie eine Oase wirkt.
Als wir am Donnerstag die türkisch-iranische Grenze erreichen, schlägt unser Puls doch deutlich schneller als bei den bisherigen Grenzübertritten. Vor einem mächtigen Eisentor, umgeben von hohen Zäunen mit Stacheldraht warten wir auf unseren Eintritt in die Islamische Republik. Übergroß blicken die „Revolutionsführer“ des Landes, Ayatollah Khomeini und Ayatollah Khamenei, von einem Plakat auf uns herab. Der Iran ist das einzige Land der Welt, in dem der schiitische Islam laut Verfassung Staatsreligion ist. 
Mühsam quälen wir uns den x-ten Pass des Tages hinauf. Unter den Reifen schmatzt der flüssig-klebrige Teer. Der Asphalt ist grob und bremst zusätzlich unser Vorankommen. Es ist unglaublich heiß. Kein Baum am Straßenrand, der für einen Moment Schatten spendet. Ziemlich erschöpft und mit trockenen Kehlen erreichen wir nach einer gefühlten Ewigkeit wieder eine Trinkwasserquelle. Für Ria ein schwacher Trost, hatte sie sich doch schon seit Stunden ein kühles Eis gewünscht. Da es weit und breit keine Tankstelle oder ein Dorf gibt, ein unerfüllbarer Wunsch…
Die letzten Tage waren landschaftlich die bisher schönsten unserer Reise. Von Aksaray aus fuhren wir vorbei an erloschenen Vulkanen, nackten Felslandschaften und in Schluchten gepressten ländlich-verschlafenen Bilderbuchdörfern. Das einfache Leben hier ist noch ganz dem Rhythmus der Natur angepasst. Noch vor Sonnenaufgang ziehen die Bauern mit ihrem Vieh auf die Weiden, Familien bearbeiten mit Haken das trockene Ackerland. In den Mittagsstunden suchen alle ein schattiges Plätzchen. In den engen Gassen der Dörfer spielen alte Herren in den Lokantas stundenlang Tavla, dunkel gekleidete Bäuerinnen sitzen vor ihren Häusern und halten ein Schwätzchen.
Schweißperlen laufen über unsere Stirn, wir schwitzen aus allen Poren. Die Sonne scheint unaufhörlich, keine Wolke trübt den Himmel. In den letzten Tagen ist das Profil anspruchsvoller geworden und auch die Temperaturen sind noch einmal deutlich gestiegen. Wir sind in Westanatolien unterwegs. Gegen 09:00 Uhr sind es bereits 34 °C, um die Mittagszeit zeigt das Thermometer 41 °C in der Sonne an. Unser Wasserverbrauch ist auf 7 – 8 Liter pro Tag gestiegen.