„Sabaidee, Sabaidee!“

Pakxe / Laos laos
242. Reisetag
7.923 km, 55.750 hm

IMGP2819 Mühsam arbeiten wir uns eine der zahlreichen Steigungen in Nordlaos hinauf. Neben uns auf dem Asphalt ist das Klatschen dutzender Flip-Flops zu hören. Aufgeweckte, fröhliche Augenpaare schauen uns an. Lachend und schnaufend rennt eine Traube von Kindern mit uns den Berg hinauf.

Wenn Thailand das „Land des Lächelns“ ist dann ist Laos das „Land der Kinder“. In der Demokratischen Volksrepublik Laos, die nahezu die Größe von Großbritannien hat, leben nur 6,5 Millionen Menschen. Gefühlt sind für uns die Hälfte davon aber Kinder. Fahren wir durch eine Ortschaft werden wir stets mit einem strahlenden Lachen und dem langgezogenen „Sabaidee, Sabaidee!“ willkommen geheißen.

Das Leben in den Dörfern ist beschaulich und extrem einfach. Die Zeit scheint manchmal stehen geblieben zu sein. Bambushütten stehen auf Baumpfählen dicht nebeneinander. Oft leben 3 oder mehr Generationen unter einem Dach. 75 % der Laoten verdienen weniger als 2 $ am Tag. Viele Kinder müssen vorzeitig die Grundschule abbrechen, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Die meisten Laoten sind Bauern und produzieren zum überwiegenden Teil für den Eigenbedarf. Was übrig bleibt wird aus strohgedeckten Hütten am Straßenrand oder auf den regionalen Märkten verkauft. Stets liegt eine „Vitaminbombe“ auf unseren Hinterradtaschen. Eine Bananenstaude kostet 50 – 80 Cent, Pomelo oder Papaya bekommen wir manchmal schon für 50 Cent. Mandarinen sind da mit 1,50 € pro Kilo schon eher eine Delikatesse.

Die laotische Küche ist nicht so vielfältig wie die Thailändische und eher „robust“. Die Laoten lieben Kheuang ping – Gegrilltes. Allerlei Fleischiges landet auf dem Rost: Huhn, Fisch, Schweinebällchen aber auch Fledermäuse, Kröten, Schweineschnauze, Hühnerfüße, Ratten, Kuhzitzen und diverse Innereien… Uns macht der Anblick bereits „satt“ und so essen wir am liebsten gebratenes Gemüse mit Reis. Reis ist das vorherrschende Nahrungsmittel und für viele Mittellose „täglich Brot“. Besonders lecker ist der Khàow niaw, Klebereis, den man zu kleinen Bällchen rollt in Sauce dipt und dann in den Mund stopft. Zusammen mit Papaya, Mandarinen oder Gurke ergibt das für uns eine ideale Zwischenmahlzeit.

Auch sehr lecker sind Khào Pìak (Reissuppe) und Fôe (Reisnudelsuppe) zum Frühstück – zusammen mit allerlei Frischem (Bohnen, Minzblätter, Basilikum, Koriander, Ingwer, Zitronengras) und einem Schuss Limettensaft eine erfrischende Mahlzeit am Morgen.

Und wenn ich anschließend noch einen laotischen Kaffee trinken kann ist der Tagesbeginn perfekt. In Luang Prabang wird das cremige, starke, rabenschwarze Getränk mit gesüßter Kondensmilch und Zucker noch an jeder Ecke verkauft. Die ehemalige königliche Hauptstadt bildet für uns nach einer 2-tägigen Reise mit einem Langboot auf dem Mekong den Ausgangspunkt unserer „Tour de Laos“.

Den „berauschenden Charme“, den Luang Prabang versprühen soll, können wir jedoch kaum spüren. Die Stadt im Kolonialstil ist hübsch und wie eine Halbinsel zwischen Mekong und Namkan eingebettet aber leider voller Touristen. Restaurants und Händler haben sich auf den „westlichen Geschmack“ eingestellt und dementsprechend ist das Angebot. Überall wird für aufregende Trekkingtouren, Elefanten-Reiten Wasserrafting geworben. Abends schallt aus den grell beleuchteten Lokalen und Karaoke-Bars laute Pop-Musik und die morgendliche Almosenprozession der Mönche gerät in der Thao Sakkarin zur „Tierfütterung“ für Touristenhorden. Außerhalb der Stoßzeiten tickt die Stadt jedoch noch im ursprünglichen Rhythmus und wir können erahnen, wie es hier noch vor wenigen Jahren gewesen sein muss, bevor die sozialistische Führung Anfang der 90er Jahre den „Bambusvorhang“ ein Stückchen zur Seite zog und Luang Prabang „entdeckt“ wurde. Abseits der „Hot Spots“ ist Laos von Touristenströmen jedoch noch weitgehend unberührt.

Und so entdecken wir auf unserer Reise ein unaufgeregtes Land, das zu den ärmsten der Welt zählt und zugleich so reich ist. Reich an entspannten, herzlichen Menschen.

Dabei hat dieses wunderbare Land schlimme Zeiten hinter sich. Im Vietnamkrieg warfen die Amerikaner 2,5 Millionen Tonnen Sprengsätze auf Laos ab und machten es damit zum meistbombardierten Land aller Zeiten. Mit den Folgen wird Laos noch lange leben müssen. Fast täglich gibt es Verletzte und Tote durch die Blindgänger im Boden. Deren Entsorgung ist aufwendig und kostspielig. Seit letztem Jahr beteiligen sich endlich auch die USA an der Räumung des explosiven Erbes…

Die Fahrt nach Vientane auf der Route 13, der Lebensader und einzigen durchgängig asphaltierten Straße des Landes, ist spektakulär. Schon kurz nach Luang Prabang windet sich die Straße in luftige Höhen. Wir „sammeln“ in den ersten Tagen ordentlich Höhenmeter und stellen mit 1.750 Hm einen neuen Tagesrekord auf. Doch die Anstrengungen lohnen. Immer wieder werden wir mit Panoramablicken über die gewundenen Täler belohnt. Die kurvenreiche, enge Straße windet sich durch grüne Berglandschaften und eindrucksvolle, zerklüftete Karst-Felsen.

Um wenigstens in den ersten Stunden bei erträglichen Temperaturen fahren zu können, starten wir bereits vor 6 Uhr. Sobald sich die Sonne durch den kühlenden Morgennebel gekämpft hat, wird es schwül-heiß. Auch in den Dörfern erwacht das Leben noch vor Sonnenaufgang. Wenn der erste Hahn kräht, sind viele Laoten schon auf ihren Feldern oder im Wald. Viele tragen zum Schutz gegen die Sonne die typischen konischen Bambushüte. Uns rinnt unter den Radhelmen der brennende Schweiß in der prallen Mittagssonne in Rinnsalen über’s Gesicht. Bei 32 – 38°C wird das Radfahren in diesen Stunden zu einem echten „Sauna-Erlebnis“.

Um noch den letzten Tag des That-Luang-Festes in Vientiane mitzuerleben, „spulen“ wir die 160 km von Vang Vieng in die Hauptstadt an einem Tag runter. Gegen 19 Uhr kommen wir erschöpft und am Ende noch regendurchnässt im Dunkeln an. Die Hauptstadt des Landes ist eher wie ein großes Dorf. Bereits 40 km vor dem Ortsschild reihen sich Wohnhäuser, Lokale und Werkstätten in endloser Abfolge aneinander. Am Straßenrand streifen Hühner, Kühe, Hunde und Schweine auf der Suche nach Fressbarem durch die Gegend. Im immer dichter werdenden Verkehr fällt uns das Atmen schwer. Jede Menge „Blei“ liegt in der Luft und wenn sich das Land weiter so motorisiert wird die Route 13 wohl bald aus allen Nähten platzen.

Am nächsten Tag besuchen wir den Phat That Luang und das Fest. Rund um den Tempel, Symbol des Buddhismus in Laos, ist ein riesiger, brodelnder Jahrmarkt. Zehntausende Besucher drängeln sich über das Gelände des wichtigsten nationalen Gebäudes. Zwischen dampfenden Garküchen, rauchgeschwängerten Grillständen und Volksfestspielen spenden Nonnen gegen einen kleinen Obolus ihren Segen, safran-gekleidete Mönche rufen lautstark und unablässig die Gläubigen zu Geld und anderen Gaben auf. Ihre knarzenden Megafone werden nur noch von den Verkaufsshows der Sponsoren übertönt. Und in all’ dem lauten Getöse laufen still und andächtig Gläubige mit Blumen und anderen Gaben in das Innerste des Heiligtums…

Erstaunt und staunend lassen wir uns durch die Kulisse treiben, lutschen Zuckerrohr, knabbern gegrillte Bananen und laotische Crepes, pulen süßen Klebereis aus Bambusrohren und lassen laotische „Donuts“ aus Kokosnussmilch und Reis im Mund zergehen. Alles sehr lecker!

Am späten Abend findet schließlich mit großem Tam-Tam eine Thai-Box-Veranstaltung statt. Die besten Kämpfer des Landes messen ihre Kampfkünste gegen eine bunte Auswahl ausländischer Kickboxer. Nach einer rituellen Zeremonie „geht es zur Sache“. Der Platz um die Boxarena ist brechend voll und jeder Treffer der laotischen Kämpfer wird lautstark von der Menge bejubelt. Und zur Freude des Publikums verlassen überwiegend die eigenen Landsleute als Sieger den Ring.

Nach 3 Tagen in Vientiane radeln wir weiter und folgen auf der 13 dem Lauf des Mekong gen Süden. Die Szenerie ist zwar nicht so spannend wie noch die Bergwelt im Norden aber auf der Nationalstraße kommen wir zügig voran und fahren täglich 100 km und mehr. Weitläufige Flusslandschaften und Reisfelder wechseln sich ab, wir queren zahlreiche Flüsse und unzählige Dörfer, die an und von der Route 13 leben.

So entspannt das Leben an der Straße verläuft so hektisch geht es auf ihr zu. Die Laoten fahren … na, nennen wir es mal „sehr beherzt“. Nach dem Motto „Vollgas und volles Risiko“ rasen besonders Busfahrer und Pick-Up Besitzer über die einspurige 13 und überholen in unmöglichsten Situationen. Mit „100 Sachen“ geht es durch Ortschaften, gebremst wird nicht, stattdessen hupt man sich den Weg frei …

Vielleicht leben die Laoten auf dem Asphalt die Freiheit aus, die ihnen die Laotisch Revolutionäre Volkspartei (LRVP) im Einparteienstaat seit 1975 versagt. Demokratische Reformen oder Grundrechte wie Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit gibt es in der Volksrepublik nicht. Und seitdem Chinas Einfluss auf das Land durch Großprojekte im Energiesektor und der Infrastruktur wächst, wird es wohl so schnell auch keine politische Wende geben.

Viele Steuereinnahmen, die durch Förderabgaben in die Staatskasse gespült werden, landen in den Taschen korrupter Beamten. Dabei wird das Geld dringend für das marode Bildungs- und Gesundheitswesen benötigt. Es gibt viel zu wenig Schulen und gut ausgebildetes Lehrpersonal, auf einen Arzt kommen über 5.000 Menschen und die durchschnittliche Lebenserwartung liegt gerade mal bei 54 Jahren…

Nachdem wir in Pakxe, Hauptstadt der Provinz Champasak, unseren Muskelkatern 2 Tage Ruhe gegönnt sowie Räder und Ausrüstung auf Vordermann gebracht haben, geht es morgen auf die Höhen des kühlen Bolaven-Plateaus zu Wasserfällen, Bergvölkern, Kaffeeplantagen und einem der meistbombardierten Schauplätze des Vietnamkriegs.

Von Königlichen Tempeln, viel Schweiß sowie „Risiken und Nebenwirkungen“

Chiang Khong / Thailand thailand
221. Reisetag
6.718 km, 49.000 hm
(Bericht vom 07.11.2013)

P1120816 Auf unserer Fahrt durch Nordwest-Thailand ist der Buddhismus überall gegenwärtig:

glänzende Tempel und goldene Buddha-Statuen zieren die ländlich geprägte Gegend um Uttaradit; alte Banyanbäume sind in heilige Tücher gewickelt; Glück bringende Schreine zieren jede Garküche und vor vielen Wohnhäusern stehen kleine „Geisterhäuser“ (San Phra Phum) für die Schutzgeister des Grundstückes.

In den ersten Tagen geht es auf flacher Strecke und feinstem Asphalt durch weite Ebenen vorbei an Reisfeldern, die von kleinen Flüssen gespeist werden. Die Dörfer dazwischen sind schlicht, das Leben beschaulich. Durch den Reisanbau lebt und atmet die Region im landwirtschaftlichen Rhythmus. Noch vor Sonnenaufgang sind die Bewohner auf den Beinen. Die Arbeit auf den Feldern wird noch immer von Hand erledigt. Alles geschieht unaufgeregt.

Auch wenn das Klischee von Thailand als „Land des Lächelns“ eine etwas abgegriffene Redewendung sein mag, so liegt doch viel Zutreffendes darin. Die Menschen begegnen uns stets freundlich und hilfsbereit. Im Straßenverkehr nimmt man auf uns Rücksicht, viele 4- und 2-Radfahrer überholen äußerst umsichtig und mit ausreichend Seitenabstand. Auch wenn wir Farangs (thailänd. Begriff für Ausländer) leider kein Thai sprechen und viele Thais kein Englisch, bei Fragen nach dem Weg oder einer Unterkunft lässt man uns nie im Stich. Und wenn die Wegbeschreibung zu schwierig ist, setzt sich jemand auf seinen Motorroller und begleitet uns bis zur Unterkunft.

Von der Straße weg werden wir zu Familien oder zum Essen eingeladen, mit Glücksbringern, einem spontanen Radtransport und dem vielzitierten Lächeln beschenkt.

Selbst die makellos gekleideten Polizisten grüßen uns lachend – zum ersten Mal auf unserer Reise! In den sogenannten „Police-Boxes“ der Orte können wir die Toiletten benutzen, bekommen Trinkwasser und Kaffee gereicht und wenn wir wollten, könnten wir sogar an den Polizeistation zelten.

In den Geschichtsparks von Sukhotai und Si Satchanalai-Chaliang geht es auf dem Rad 800 Jahre zurück in die Vergangenheit. Wunderschöne buddhistische Sandsteinmonumente liegen inmitten grüner Parklandschaften, umrahmt von Teichen mit unzähligen Lotusblüten – Sinnbild für Reinheit, Kraft und Erleuchtung im Buddhismus. Entspannt erkunden wir im morgendlichen Sonnenschein die verwitterten Tempel, bewundern anmutige Buddha-Statuen und versetzten uns gedanklich ins 13. Jahrhundert zurück, als hier Königreiche aufblühten, die die religiöse Kunst und Architektur Thailands bis heute prägen.

Nach dem Provinzhauptstädchen Tak wird das Gelände hügeliger und die Radtage deutlich anstrengender. Auch wenn die Berge um uns herum nicht gerade imposant sind, stellen wir auf der Strecke nach Mae Sot mit fast 1.600 Höhenmetern einen neuen Tagesrekord auf.

In dem lebhaften Städtchen an der Grenze zu Myanmar verbringen wir 2 Nächte bei Yun, der uns zu sich nach Hause eingeladen hat. In den Straßen Mae Sots herrscht ein bunter ethnischer Mix und auf dem Grenzmarkt „brummt“ der Handel.

Auf der 105 geht es bei heißen Temperaturen nordwärts entlang der Grenze zu Myanmar bis nach Mae Sariang. Die kurvenreiche, gut geteerte Straße führt uns durch viele kleine Dörfer entlang dicht bewaldeter Berghänge. An improvisierten Straßenständen und aus Häusern heraus verkaufen die Einwohner selbstgemachte Snacks, Nudelsuppen und Gebratenes.

Neben diesen idyllischen Eindrücken gibt es aber auch Bedrückendes. In der Grenzregion leben über 150.000 birmanische Flüchtlinge, die vor den Gefechten zwischen den Karen National Liberation Army und birmanischen Regierungstruppen geflohen sind. Die KNLA kämpft seit über 60 Jahren für einen unabhängigen Karen-Staat. Nach einigen Militärsperren passieren wir Mae La – mit über 60.000 Menschen eines der größten Flüchtlingslager Thailands. Bedrückt betrachten wir eng aneinander stehenden Holzhütten. Dazwischen lassen Kinder – scheinbar unbeschwert – bunte Drachen in den diesigen Himmel steigen. Ihre fröhliches Spiel steht in krassem Kontrast zu dem Stacheldrahtzaun, der das Camp umgibt. Die wenigen Eingangstore werden von Wachpersonal kontrolliert. Von außen ist nur schwer zu erahnen unter welchen Bedingungen die Menschen hier leben müssen…

Auf dem weiteren Weg ins Hochland wird die Topographie zerklüfteter, das Gelände rauer und die Straße zunehmend schlechter. Immer wieder sind Teilstücke von starken Regenfällen weggespült, große Löcher klaffen im Asphalt.

Für uns geht es jeden Tag in einer endlosen Abfolge Rauf und Runter… Bei schwül-heißen 30 – 34°C tropft der Schweiß aus jeder Pore. Unsere Hemden kleben klitschnass am Körper. Von der Dauerfeuchte ist die Haut angegriffen und im Rücken piekst es, als hätten wir hunderte kleiner Nadeln im Hemd. Nach einem Dutzend dieser kurzen giftigen Anstiege fühlen sich unsere Beine wie Wackelpudding an. Und wir sind sicher: Thailands Straßenbauer sind keine Radfahrer!

In dem feucht-heißen Klima scheinen Flora und Fauna förmlich zu explodieren. Die gerade endende Regenzeit hat alles in einen saftig-grünen Teppich verwandelt. Der Wald durch den wir fahren scheint dschungelartig, undurchdringlich zu sein. Hier und da ragen Teakbäume aus dem grünen Blätterdach. Durch die starke Abholzung gibt es in der Region nur noch wenige dieser hochwüchsigen Edelhölzer. Alles ist hier riesig: Bäume, Blattwerk, Früchte, Reptilien, Insekten … Um uns tanzen Schmetterlinge so groß wie Meisen. Wenn es still ist können wir ihren Flügelschlag hören. In den Wäldern erklingt der vielstimmige Gesang unbekannter Vögel und am Straßenrand blühen prächtige Orchideen und üppige Gräser. Und an den Fensterscheiben unserer Hotelfenster „kleben“ nachts 35 cm große Tokeh-Geckos.

Oft erreichen wir erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit eine Unterkunft. Für 7 – 12 € bekommen wir meist saubere Unterkünfte mit einer warmen Dusche, Kühlschrank und Klimaanlage. Da die Thais im Vergleich zu uns recht kleinwüchsig sind, ist so manches Zimmer eher knapp bemessen, wovon ich mich schmerzhaft „überzeuge“. Mehrmals laufe ich beim Toilettengang gegen die niedrigen Türrahmen. Angesichts der Beulenlandschaft auf meinem Haupt überlege ich mittlerweile ernsthaft nur noch zum Schlafen den Helm abzunehmen …

In Chiang Mai legen wir eine Verschnaufpause ein. Die dunstige Metropole Nordthailands hat trotz Verkehrsstau, manch schmutziger Ecke und einigen Bausünden Charme und Herz. Die Stadt ist jung und das Leben entspannt. Tradition und Moderne, Hippes und Heiliges stehen ungezwungen nebeneinander. 2 Tage lang streifen wir durch die gewundenen Gassen und Sois der Altstadt. Über den Dächern des alten Chiang Mai ragen golde Chedis zahlloser alt-ehrwürdiger, heiliger Tempel in den Himmel. Mit dem Wat Phra Singh und dem Wat Chedi Luang schauen wir uns zwei der bedeutendsten an.

Abends genießen wir birmanische Currys, taiwanesische Dumplings und nach langer Zeit mal wieder eine Pizza. Einen Tag vor unserer Weiterreise wollen wir es nicht nur unseren Mägen gut gehen lassen und gönnen uns eine Ganzkörper-Thaimassage. Während ich am Ende entspannt von der Liege aufstehe, wird bei Ria aus der geplanten Ent- eine schmerzhafte Verspannung. Nach 2 Stunden Streicheln, Biegen, Kneten und Strecken knackst es bei einer der letzten Bewegungen im Brustwirbelbereich laut und deutlich… Die nächsten Tage kann sich Ria kaum bewegen. An Fahrradfahren ist nicht zu denken. Zum Glück können wir bei Marisa und Gernot, die uns kostenlos ein eigenes Zimmer und Bad in ihrem Haus zur Verfügung gestellt haben, so lange bleiben wie wir wollen. Nach 3 Tagen lassen die Schmerzen etwas nach und wir können weiter Richtung Norden fahren.

Der letzte Abend in Thailand wird ein Südkoreanischer. In Chiang Khong sind wir zu Gast bei Bae und seiner Frau Iljae. Gemeinsam mit den beiden Kindern bereiten wir Kimbab zu – mit Seegras umhüllte Reisrollen, die wir mit Gurke, Möhre, Ei und Wurst füllen. Sehr lecker! Außerdem gibt es Saengchae (süß-saurer Salat, nicht unser Fall) und Seegras Suppe (mild, könnte man wieder essen).

Am nächsten Morgen sitzen wir zum Frühstück auf der Terrasse des Hauses und blicken bei einem fantastischen Sonnenaufgang auf den Mekong. Am anderen Ufer ist bereits Laos, unser 11. Reiseland…

Gaumenreise in Bangkok

Bangkok / Thailand thailand
204. Reisetag
5.940 km, 43.160 hm
(Bericht vom 21.10.2013)

Erster Blick in die Straßenschluchten Was für ein Kontrast! Von den trockenen Hoch- ebenen Zentralasiens in die fruchtbare Flussebene Zentralthailands, vom überschaubaren Bishkek (870.000 Einwohner) in die Megacity Bangkok (8.200.000 Einwohner). Nur 7 Flugstunden sind die beiden Hauptstädte auseinander und doch liegen Welten dazwischen…

Kurz vor der Landung durchbrechen wir die geschlossene Wolkendecke. Aus der Vogelperspektive können wir einen ersten Blick auf das Häusermeer werfen. Die Metropole scheint sich ins Unendliche zu erstrecken … sanft setzt der Airbus auf. Sawadee in Thailand!

Die Millionen-Metropole empfängt uns mit feuchter Hitze, Chaos und … lächelnden, hilfsbereiten Menschen. Im gigantischen Flughafen Suvarnabhumi (51 Gates) „wandeln“ wir durch riesige Hallenkomplexe. Mit unseren ausgefüllten Embarkation Cards und Reisepässen geht es schließlich zum Immigrationschalter. Kurz darauf haben wir ein kostenloses 30-Tage-Visum für Thailand! Wie einfach doch Bürokratie auch sein kann…

Um in die Stadt zu gelangen nutzen wir die hochmoderne, vollklimatisierte Expressline der Airport Rail Line. Auf der 15-minütigen Fahrt rasen wir an Glaspalästen, Slums, goldenen Tempeln, Wolkenkratzern und überdimensionalen Bildern des hochverehrten und hochbetagten Königs Bhumibol vorbei. Dazwischen riesige 4-, 5-, 6-spurige Straßen (in eine Fahrtrichtung!!) voller bunter Fahrzeugschlangen. In der dunstigen Ferne verliert sich der Beton-Dschungel im Ungefähren.

An der Station „Phaya Tai“ steigen wir aus dem Zug. In der drückenden schwül-warmen Nachmittagsluft packen wir unsere unversehrten Räder aus den Kartons, machen sie wieder fahrtauglich und stürzen uns in das abgasgeschwängerte Verkehrschaos Bangkoks. Auf dem Weg zum Hotel sehen wir erst mal nicht viel von der Stadt. Das Straßenwirrwar und der ungewohnte Linksverkehr kosten unsere volle Konzentration. Nach 6 langen Kilometern erreichen wir unsere Unterkunft (Sam Sen Sam Place, http://www.samsensamplace.com/) in der Samsen Road, Soi 3. Ein echtes Kleinod 100 m abseits der lärmenden Hauptstraße, das wir gerne weiterempfehlen.

Die ersten Tage taumeln wir wie staunende Kleinkinder durch die Stadt. In den Straßen und Gassen Alt-Bangkoks (Rattankosin Islands) pulsiert das Leben.

Unsere Augen, Ohren und vor allem Nasen werden mit allen möglichen Sinneseindrücken „bombardiert“. Von unzähligen Handkarren und Eckständen herunter, aus Garküchen und Straßenlokalen heraus wird alles mögliche Essbare verkauft. Kaltes, Heißes, Süßes, Saures, Salziges, Würziges und natürlich: Scharfes! Überall brutzelt, gart, kocht, grillt und dämpft es vor sich hin. Wir betreten ein völlig neues Universum. An jeder Ecke in jeder Straße duftet es anders. Aufgeregt tauchen wir unsere Ess-Stäbchen in Schüsseln köstlich duftender Nudeln, löffeln leckere scharf-saure Suppen (Dom Yam) und kosten an Ständen berühmter Straßenhändler Reis & Curry, Kurzgebratenes, Frühlingsrollen (Po Pee A), würzige Salate und allerlei andere Leckereien. Oft kosten die Gerichte nicht mehr als 1 – 2 €, also 40 – 80 Baht.

Unseren Vitaminhaushalt füllen wir auf den bunten Märkten der Stadt auf. Für wenig Geld lassen wir uns frische Mangos, Durian, Papayas, Jackfruit, Ananas, Longkong, Ur-Guave und Bananen, Drachenfrucht und Tamarinde schmecken.

Und im hektischen Chinatown verirren wir uns in einem Netz aus winzigen Gassen und überfüllten Märkten und bestaunen die Fülle faszinierender Zutaten.

Die Streifzüge durch die Stadt sind dabei alles zugleich: fesselnd und faszinierend, aber auch stressig und ermüdend. An die schwüle Hitze (Bangkok ist eine der heißesten Städte der Welt), den ohrenbetäubenden Lärm und die schlechte Luft in den chronisch verstopften Hauptstraßen können wir uns nur schwer gewöhnen. Lediglich die schweren Gewitter und sintflutartigen Regengüsse sorgen an 2 Tagen für etwas kühlere und frischere Luft in den Morgenstunden.

Auf einer kleinen Tempel-Tour schauen wir uns 3 der schönsten und bedeutendsten Bangkoks an (es gibt über 400 in der Stadt).

Der Wat Phra Kaew ist eine märchenhafte Anlage aber leider auch die Touri-Attraktion. Im Gewühl lautstark, drängelnder Reisegruppen und fotogeiler Schnappschuss-Paparrazis mag nicht so rechte „Tempel-Atmosphäre“ aufkommen. Dennoch beeindrucken uns die bunten Fliesenmosaike, vergoldeten Türme, Fabelwesen und dämonisch aussehenden Tempelwächter. Zwischen den Touristenströmen zollen Bangkoker dem hochverehrten Smaragd-Buddha mit Lotusblüten, Räucherstäbchen und Blattgoldplättchen ihren Respekt. Religiösität und Glücksrituale gehen dabei fließend ineinander über. Ob Geldsorgen oder Kinderwunsch – erste Anlaufstelle bei Wünschen und Bedürfnissen sind die Tempel. Und für das persönliche Glück lässt man schon einige Baht springen. Uns befremdet diese Art des „Ablasshandels“ erst mal. Aber vielleicht dringen wir im Laufe unserer Reise durch Thailand noch etwas tiefer in die Religion ein, die im Land alles durchdringt …

Im Tempelbezirk des Wat Saket ist es da schon deutlich ruhiger. Im Zentrum liegt der „Goldene Berg“ (79 m). 318 Stufen schlängeln sich serpentinenartig zum Goldenen Chedi hinauf (Denkmal in Form einer Bergspitze, die der dauerhaften Stabilität des Buddhismus gewidmet ist). Dichtes Blattwerk knorriger Bäume bietet beim Anstieg angenehmen Schatten. Oben angekommen haben wir ein fantastisches 360-Grad-Panorama. Von hier oben wirkt die lärmende Stadt fast friedlich.

Der „Liegende Buddha“ im Wat Po beeindruckt uns mit seiner schieren Größe. 45 m lang und 16 m hoch ist die Figur, die Buddha in dem Moment zeigt, in dem er ins Nirvana übergeht (Nirvana ist das große Ziel im Theravada-Buddhismus, denn es bedeutet das „Auslöschen“ aller Begierden und damit auch allen Leidens. Wer mehr dazu erfahren möchte: http://de.wikipedia.org/wiki/Nibbana).

Im MBK, einem der vielen gigantischen, vollklimatisierten Konsumtempeln Bangkoks versorgen wir uns mit Sonnencreme und auf dem Wochenendmarkt am Chatuchak Park mit Souvenirs.

Da die Sehenswürdigkeiten oft weit auseinander liegen, die Straßen chronisch verstopft sind und wir die günstigen Busse nutzen (7 – 20 Baht pro Fahrt. Es gibt über 500 Linien aber keinen Fahrplan. Und wenn’s ihn gäbe wäre er ohnehin nicht einzuhalten), endet so mancher Kurztrip fast als Tagesausflug. Wie die Bangkoker diesem Verkehrschaos tagtäglich mit äußerlicher Gelassenheit begegnen, erstaunt uns immer wieder. Wir sind nach 7 Tagen bereits ziemlich erschöpft und stadtmüde. Da kommt das heißersehnte Paket von meinen Eltern aus Deutschland mit Karten und Ersatzteilen gerade recht. Nachdem alles um- und verpackt und die Wintersachen im Hotel eingelagert sind, verlassen wir Bangkok am 21. Oktober mit dem Nachtzug nach Norden, Ziel Uttaradit. Ab jetzt wird wieder in die Pedale getreten …