20.000

Kalifornien/ USAusa 
605. Reisetag (26.11.2014)
20.000 km / 132.268 hm 

IMGP622020.000 km sind wir nun mit unseren Rädern über unsere Erde gerollt. Ein stolze Zahl, die wir lautstark auf dem Highway 1 kurz vor San Diego mit einem „Give me five“ feiern.

20 Länder haben wir nunmehr in 20 Monaten bereist. Mit jedem verbinden wir unvergessliche Momente – Gesichter – Geschichten – Menschen, die uns mit Gastfreundschaft beschenkt und tief beeindruckt haben.
Von mancher Begegnung haben wir auf diesen Seiten berichtet, andere tragen wir allein in unseren Herzen.
Neben etwas Stolz empfinden wir vor allem Dankbarkeit. Dankbar, dass wir so lange diese Welt mit eigenen Augen sehen können. Dankbar, dass uns bisher so viel Gutes widerfahren ist und wir (die meiste Zeit) gesund im Sattel saßen.IMGP6241
Und obwohl das Reisen per Rad entschleunigt, werden wir manch Erlebtes wohl erst nach Ende unserer Weltreise „verarbeiten“, „begreifen“ können.

Doch bis dahin bleiben uns noch einige Monate als Radnomaden. Noch immer sind wir neugierig, haben Spaß am Fahren, an der Bewegung und Begegnung, an Sonne und Wind und Zelten unter freiem Himmel. Wir haben noch nicht genug gehört von der Melodie dieser Welt und noch immer fasziniert uns der Tropfen Tau am Morgen, in dem sich das Licht des beginnenden Tages spiegelt.

„Ein Feuerwerk der Natur“ (4 / Fortsetzung folgt)

Valley of Fire State Park / Nevada usa

Panoramablick

 Nach einigen Stunden Schlaf in Las Vegas und einem starken Kaffee geht es am nächsten Vormittag weiter Richtung Osten. Keine 60 Meilen von der Spielerstadt liegt das „Valley of Fire“. Das Tal geizt nicht mit Schönheit und prächtiger Kulisse.

Zunächst gilt es aber sich einen Zeltplatz zu sichern. Viele gibt es im Tal nicht und die wenigen werden nach dem Prinzip „first-come, first-served“ vergeben. Wir haben großes Glück und sichern uns den letzten freien Stellplatz auf dem Arch Rock Campground. Und der Platz ist der Hammer. Fantastisch zwischen stark verwitterten Felsen liegen die ca. 20 Sites. Gäbe es einen Preis für den schönsten Campground in den USA, der Arch Rock würde ganz weit vorne landen.

Doch lange halten wir uns hier erst mal nicht auf. Nach dem Aufbau der Zelte geht es mit „Sparky“ auf einer kurvenreichen Stichstraße Auf und Ab durch das sagenhafte Tal des Feuers. Und in der Tat leuchten die pittoresken Felsen aus rostrotem Sandstein wie Feuer in der Abendsonne. Doch es kommt noch bunter. Vom Parkplatz aus gehen wir 30 min. querfeldein auf einem Trail zur „Fire Wave“. Versteckt zwischen Felsmassiven liegt das Kleinod. Atemberaubend schön leuchtet die gestreifte Sandsteinwelle in den letzten Strahlen des Tages. Welch’ ein Glück, dass wir es hierher noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang geschafft haben. Nicht minder farbenprächtig leuchten die Felsen der Umgebung. Gelb vermischt sich mit Rosarot oder Orange, Weiß mit Dunkelrot, dazwischen Purpur und Türkis. Fast alle Farbtöne sind auf den Steinen vertreten. Sagenhaft, unbeschreiblich, wunderschön!

„Ein Feuerwerk der Natur“, so beschreibt es Ria. Besser kann man es nicht ausdrücken. Dieses natürliche Amphitheater nimmt uns gefangen. Verzaubert laufen wir durch die Inszenierung, wollen nicht mehr gehen.

Zurück auf dem Campingplatz lassen wir uns Salzkartoffeln und Salat schmecken. Auch nach Einbruch der Dunkelheit ist es noch angenehm warm. Die Sonne bleibt unsichtbar gegenwärtig, gespeichert im Gestein, dessen Farbe im Schatten noch nachstrahlt.

In der Nacht zieht dann ein heftiger Sturm über das enge Tal. Einige Heringe werden aus dem knochenharten Boden gerissen. Ich muss raus, unser Staika wieder standfest machen. Überall wirbelt Sand durch die Luft. Ich kann kaum etwas sehen. Der Sturm drückt die Zeltwände ein. Durch die Reißverschlüsse dringen feine Sandkörner in unser Zelt. Am nächsten Morgen ist von der Urgewalt bis auf ein paar Windböen nichts mehr zu spüren. Friedlich, freundlich liegt das Tal in der Morgensonne.

Nur die feine Sandschicht auf unseren Schlafsäcken erinnert an das nächtliche Toben.

Maßlosigkeit mitten im „Nichts“ (3)

Las Vegas/ Nevada usa

IMGP4727Stundenlang fahren wir durch steinige Weite. Die Sonne knallt erbarmungslos auf’s Auto. Schwitzend sitzen wir eingepfercht zwischen unserem Hab & Gut. Im Durchschnitt fallen in der wüstenartigen Landschaft der Nevada 10 cm Regen im Jahr. Heftige Winde treiben Sandwolken über die ausgedörrte Ebene. Im Westen erheben sich Gebirgsformationen bis 3.600 m Höhe. Kaum zu glauben, aber im Winter wird hier Ski gefahren …
Der Highway führt wie mit dem Lineal gezogen durch Ödnis und Monotonie …. bis, ja bis sie auf einmal auftaucht – die Skyline von Las Vegas. Ein Raumschiff, ein anderer Planet mitten im Nichts, überragt vom weithin sichtbaren 300 m hohen Stratosphere Tower.
Aus dem einstigen Wüstenkaff ist nach Aufhebung des Glücksspielverbots in weniger als 80 Jahren eine gigantische Vergnügungsmetropole aus dem Boden gestampft worden. Im Großraum leben 2 Mio. Menschen. Trotz der Trockenheit haben viele Einfamilienhäuser saftig-grünen Rasen im Vorgarten und Swimmingpool. Man gönnt sich ja sonst nichts …
Wir „entern“ die Schein- und Glitzerwelt auf riesigen 8-spurigen Highways. Der Weg ins Zentrum ist erstaunlich schnell gefunden. Auf der Hauptstraße „Freemont Street“, die alle nur den Strip nennen, fahren wir mit ungläubigen Augen und offenen Mündern einmal rauf und runter. „Ist das krass ejh!“ entweicht es Ria :-)
Riesige Hotelkomplexe und Spielhallen ragen protzig in den wolkenlosen Himmel. Casino-Fassaden und Leuchtreklamen (die Unmengen von Strom fressen) reihen sich kilometerlang aneinander. Glücksspiel, Show und Entertainment dominieren die Stadt. Außerdem Massen von Geschäften, Restaurants und Bars. Rund 40 Millionen kommen jedes Jahr nach „Sin City“. Die Bürgersteige sind mit Palmen „aufgeforstet“. Unter die vergnügungslustigen Touris mischen sich Klein- und Selbstdarsteller und „Fake-Promis“ (Elvis, Darth Vader, Lady Gaga etc.), die für 1 $ ein Schnappschuss mit sich und der Laufkundschaft machen lassen.
Im Inneren der Casinos fühlen wir uns wie in eine andere Welt gebeamt. Überall blinken in den weitläufigen Spielhallen Glücksspielautomaten und wollen Hoffnung auf prasselnden Geldregen machen. Hunderte der sog. Slot Machines reihen sich aneinander. Etwas verloren und manchmal wie paralysiert wirken die Gestalten davor. Unablässig füttern sie die gefräßigen einarmigen Banditen mit „Quarters“ (25 US-Cent). Nur selten spuckt einer wieder was aus. An den Pokertischen wird mit hohem Einsatz gespielt. Anderswo vertreiben sich Zockerfans die Zeit mit Baccarat, Roulette und Blackjack. Die Glitzerwelt ist ein Kosmos für sich. Zeit und Raum sind aufgelöst. Tageslicht fällt hier nie rein.
Nach 1 Stunde haben wir genug gesehen. Die Dauerbeschallung auf die Ohren macht müde und gereizt. Wir schlendern noch ein Weile den Strip auf und ab. Von den exklusiven Hotels will jedes mit eigenen Superlativen und Attraktionen Kunden gewinnen. Das palastartige Bellagio lockt mit einem See, auf dem alle 30 min. eine Art „Wasserballett“ aus hunderten Fontänen zu Pop- und Klassikmusik aufgeführt wird.
Am „New York – New York“-Komplex kann man mit einer spektakulären Superachterbahn um das riesige Gebäude rasen (16 $!) und aus der Spitze der Glaspyramide des Hotels „Luxor“ schießt ein Lichtstrahl in den Himmel, den man angeblich sogar aus dem All sehen kann … Und für schlappe 5.000 $ pro Nacht (!) kann man im Wynn Resort Casino in einer Luxus-Suite sein Haupt betten. Wer hierfür das nötige Kleingeld besitzt kann sich vielleicht auch ins All schießen lassen, um einmal den Lichtstrahl des „Luxor“ aus der Ferne zu sehen ;-)
Solche Superlative können (und wollen) wir uns mit unserem schmalen Reisebudget nicht leisten. Wir „residieren“ im altehrwürdigen „Circus Circus“ – immerhin 3-Sterne-Kategorie und mit 3.600 Betten einstmals das größte Hotel von Las Vegas. Heute ist es etwas in die Jahre gekommen, doch das Preis- Leistungsverhältnis ist klasse, die Betten superbequem. Da wir unter Woche da sind, kriegen wir das DZ für 42 $ – irgendwie ja auch schon wieder ein Superlativ :-) Am Wochenende verdoppeln bis verdreifachen sich die Tarife.
Um 1 Uhr nachts kommen wir völlig pflastermüde wieder im Hotel an. Während in Las Vegas noch kräftig der Dollar rollt strecken wir alle Viere von uns und träumen den nächsten Abenteuern entgegen.

Gesalzener Skulpturenpark (2)

Mono Lake / Kalifornien usa

P1060732

Mit dem letzten Licht des Tages erreichen wir den Mono Lake. Der See ist mit 150 m² Ausdehnung der größte Kratersee der Welt. In einer riesigen Senke liegt er vor der gewaltigen Kulisse der Gipfel der Sierra Nevada. Leider sind wir nach dem Besuch des Yosemite NP etwas spät dran, um die sog. Tufas (Tuffsteine) noch aus der Nähe bewundern zu können.

Hell-leuchtend erheben sich die Tufftürme aus dem tiefblauen-grünen Wasser des Natronsees. Doch die Schönheit der skulpturartigen Gebilde täuscht über das traurige Schicksal des Mono Lake hinweg. Durch immensen Wasserverbrauch in Los Angeles fiel der Pegel des Mono Lake seit 1950 um bis zu 15 m. Viele Formationen wurden erst durch die dramatische Reduzierung des Wasserstandes freigelegt. Eine Zeit lang standen die um die unterirdischen Quellen entstandenen Kalkfelsen sogar ganz auf dem Trockenen. Nach schärferen Verbrauchsrestriktionen hat sich das Wasserstand wieder etwas „erholt“, so dass zumindest einige Tufas wieder von Wasser umspült werden.

Während wir unser Abendessen zubereiten verfärbt sich der Himmel violettfarben. Die ersten Sterne sind zu sehen. Nach einem letzten Blick über die Weite des Mono Lake geht es wieder in die Enge unseres „Sparky“ und mit Vollgas hinein in die einbrechende Nacht. Wir wollen noch so viel wie möglich Strecke nach Las Vegas machen. Gegen 21:30 Uhr finden wir einen kostenlosen Stellplatz mit Toiletten und Bänken. Der Highway ist zwar direkt nebenan und die Nacht recht laut, aber wahrscheinlich ist das genau die richtige Einstimmung für den morgigen Tag.

America the Beautiful – 9 fantastische Tage zwischen Wüste und Hochgebirge (Teil 1)

Yosemite Nationalpark / Kalifornien usa

Nach 6 Wochen auf dem Rad wechseln wir das Fortbewegungsmittel für eine Reise durch den Westen der USA. Mit dem Auto wollen wir einige der spektakulärsten Nationalparks besuchen und sehen, was Wind, Wasser und Eis in Jahrtausenden an Naturschönheiten geschaffen.

Gemeinsam mit Sabrina und Robert leihen wir uns für 9 Tage einen Wagen. Der kleine, weiße Flitzer Modell „Spark“ von General Motors ist ein etwas zu groß geratener Smart. Stauraum gibt es kaum. So vertäuen wir unsere Rackpacks auf dem Dach und quetschen den Rest zwischen uns und in alle Ritzen und Räume. Irgendwie bekommen wir uns selbst zum Schluss auch noch rein. Das Abenteuer auf 4 Rädern kann endlich beginnen.

Rund 4.000 km fahren wir kreuz und quer durch Kalifornien, Nevada, Utah und Arizona mit unserem „Sparky“. Was wir auf dieser Strecke an atemberaubend schöner, eindrucksvoller Landschaft sehen, lässt sich in Worten nur schwer beschreiben, muss unvollständig bleiben. Es sind unvergessliche Augenblicke. Sagenhafte Straßenverläufe führen uns durch Zauberwelten , in denen sich die Natur in verschwenderischen Farben und Formen zeigt.

IMGP4391

Den Auftakt macht der Yosemite Nationalpark. Nach der steppenhaften Region östlich von San Francisco wirkt der fantastische Landschaftspark wie eine Oase.

Das Yosemite Yalley ist tief in den Granit der Sierra Nevada eingeschnitten. Mäandernd schlängelt sich der Merced River durch das Tal. Zu dieser Jahreszeit führt er nicht mehr viel Wasser, doch seine Oberfläche ist glasklar und spiegelt die umliegenden Gebirge in der Mittagssonne.

Am Valley View legen wir einen längeren Stopp ein. Das Herbstlaub leuchtet, Wiesen, kleine Sandbänke und geschliffenes Gestein schmücken den Fluss. Ein wunderbares Postkartenmotiv.

Auf kurvenreicher Strecke geht es hinaus aus dem Tal. Der Wald ist nicht sehr dicht. Feuer haben ihm in den vergangenen Monaten und Jahren zugesetzt.

Vom Glacier Point bietet sich ein sagenhafter Blick auf das gewaltige Granitmassiv der Sierra Nevada. Der „halbierte“ Monolith „Half Dome“ überragt alles in der Umgebung. Gefesselt stehen wir hoch über dem Tal. 1.000 m steil fällt die Wand vor uns ab. Die Eindruckskraft der schroffen Felswände wird durch das Licht der wärmenden Morgensonne noch verstärkt. Auf einem Baumstumpf machen wir es uns gemütlich und essen unser Frühstück mit „Adlerblick“ auf die Umgebung.

Anschließend erkunden wir auf 2 hübschen, leichten Trails die Umgebung und wandern zu den Vernails Falls und zum ausgetrockneten Mirror Lake. Dann ist die Zeit auch schon um.

Über den 3.000 m hoch gelegenen Tioga Pass verlassen wir Yosemite Richtung Osten. Hier oben ist es nur dank der Sonne noch angenehm warm. Sobald der Wind auffrischt wird es kühl. Mit dem Auto geht es rasch und kurvenreich hinunter. Der schnelle Abstieg aus der Vegetation des Nationalparks in die Trockenheit des 1.000 m tiefer gelegenen Mono Valley in der Abendsonne ist noch einmal ein Erlebnis.

„If you are going to San Francisco …“

San Francisco/ USA usa
573. Reisetag
19.000 km / 124.014 hm

IMGP4100Die letzten Etappen waren kräftezehrend. So schön, wild und ungezügelt der Küstenabschnitt in Nordkalifornien ist, so steigungsreich ist er auch. In 3 Tagen überwinden wir fast 3.500 Höhenmeter. Das mussten wir nicht mal in Südamerika absolvieren!

Dass die Region um San Francisco herum ein erdbebengefährdetes Gebiet ist bekommen wir erstmals in Half Moon Bay “zu spüren” (Nach dem Besuch der Stadt). Mitten in der Nacht entlädt sich die geologische Spannung in Form von kleinen Erdbeben. Der Boden unter unserem Zelt vibriert – zweimal für ca. 20 Sekunden innerhalb weniger Minuten. Es sind keine “Big Bangs” – wie die Amerikaner sagen – doch es ist schon ein irritierendes Gefühl, wenn die Erde, die sonst festen Halt bietet in Bewegung gerät.

Die letzte Nacht vor der Einfahrt nach San Francisco verbringen wir bei Doug in Sausalito. Der Ort ist hübsch und nobel. Ein Platz für Besserverdienende mit einer unglaublichen Yachthafenkonzentration. Doug ist begeisterter Radfahrer, ein feiner Mensch und ein fantastischer Gastgeber. Nach allen Regeln der Koch- und Backkunst verwöhnt er uns. Alles ist selber zubereitet: Lasagne, bunter Salat und Saucen Hollandaise, Coffe-Cakes und Apfelmus, Lemon- und Himbeer-Sorbet, Brownies mit Vanille-Eis und Schokosauce und nicht zu vergessen Black Bottom Pie (ein Traum von Eierschaum-Kuchen mit Schokoladenboden). Es ist wie im Schlaraffenland.

Am nächsten Morgen klettern wir ein letztes Mal einen 10%igen Anstieg hinauf, dann liegt sie uns „zu Füßen“: die Golden Gate Bridge. Am Viewpoint (Aussichtsbereich) legen wir einen ersten Stopp ein und genießen den Blick auf das Wahrzeichen der Stadt. Auf der Landzunge zwischen Pazifik und San Francisco Bay erhebt sich die Skyline mit den für amerikanische Städte typischen Hochhäusern. Zwischen all den Skyscrapers unübersehbar das 1972 errichtete pyramidenartige Transamerica Buildung (260 m), noch immer das höchste Gebäude der Stadt.
Dann fahren wir auf die Golden Gate Bridge. Die enge Einfahrt durch das „Goldene Tor“ in die Bucht von San Francisco ist ein bewegendes Erlebnis. Oft haben wir in den vergangenen Tagen diesem Moment entgegengefiebert. Und nun sind wir am Ziel. Wieder geht ein Kapitel unserer Reise damit zu Ende … und wir schlagen ein neues auf.
Sechsspurig fließt der endlose Verkehrsstrom über die sechsspurige Fahrbahn. Daneben der Fuß- und Radweg. Wir fahren ohne Hast. Die Zeit auf diesem filigranen Stahl-Koloss wollen wir in vollen Zügen genießen.
2.373 m ist die Brücke lang. Die Spannweite zwischen den 227 m hohen Pfeilern beträgt 1.280 m. Als wir am Spätnachmittag auf der anderen Seite ankommen taucht die Sonne die Golden Gate Bridge in gleißendes Rot und das umliegende Land erstrahlt in warmen Gelb- und Brauntönen.

San Francisco selber ist kein gutes Pflaster für Radler – zumindest für vollbepackte wie uns mit 35 kg Gepäck. Die hügelige Topographie und die Stadtplaner sind „schuld“. Zahlreiche schnurgerade Straßen mit steilem Gefälle verlaufen achterbahnähnlich auf und ab. Wir umgehen die schlimmsten Steigungen auf einem Stück des „49-Mile Scenic Drive“ und kommen bei Nick im Stadtteil Mission unter. Ein Hotelzimmer ist nicht bezahlbar. San Francisco ist das teuerste Hotelpflaster unter den großen Städten an der Westküste.
Mission dagegen ist das „alte Kreuzberg“ von San Francisco – etwas schmuddelig aber mit Charme und alternativem Leben. Viele skurrile Läden, Szene-Bars und mexikanische Minimärkte reihen sich aneinander. Auf den Bürgersteigen wird offen gedealt und konsumiert. Arme, Obdachlose und Kranke prägen genauso das Straßenbild wie die „bunten Vögel“. Uns schockiert der Anblick so vieler Menschen am sog. „Rand der Gesellschaft“. Obwohl wir aus vielen bereisten Ländern Armut „gewohnt sind“, schockiert uns das Schicksal dieser Menschen und die harte, reale Welt des amerikanischen Alltags fern des „American Dream“. Die „Traumfabrik“ Amerika hat nicht für jeden Happy Ends. „Hire and Fire“ ist gängige Praxis. Wer seinen Job verliert und nicht schnell einen neuen findet, für den ist der amerikanische Traum schnell ausgeträumt. Staatliche Unterstützung europäischer Prägung sind den USA fremd. So landen viele auf der Straße. Ihr aus eigener Kraft zu entkommen gelingt wohl nur im Einzelfall …

Zu Fuß erkunden wir die Stadt. Welch Kontrast am Union Square! Alles ist blitze-blank, fein und edel. Hier ist der Mittelpunkt der Geschäftswelt San Franciscos. Man trägt edlen Zwirn, High Heels und shoppt nach Herzenslust in den Edelboutiquen. Gleich daneben liegt Chinatown. Mehr auf Touris eingestellt als uns lieb ist, aber dennoch sehenswert. Die sagenhaften Angebotssammlungen in den Apotheken und die farbenprächtigen Auslagen faszinieren. Und die exotischen Wohlgerüche aus den Restaurants lassen uns von den heißgeliebten Garküchen in Südostasien träumen …
Unweit der gewaltigen doppelstöckigen San-Francisco-Oakland Bridge (8.300 m!) liegt die Heimstätte der San Francisco Giants. Das Baseball-Team spielt gerade gegen die Kansas City Royals in den World-Series – das Finale der us-amerikanischen Baseball-Profiligen. Tausende Fans pilgern zum Stadion, fantasievoll in den Vereinsfarben gekleidet. Tickets sind heißbegehrt (bis zu 1.000 $) und die Spiele ein echter Straßenfeger. Vor den vollbesetzten Bars der Stadt stehen die Leute auf der Straße und schauen durch die Fensterscheiben gebannt auf die Bildschirme. Wenige Tage später gewinnen die Giants die World-Series und ganz San Francisco trägt schwarz-orange. Wir werfen an diesem Abend nur kurz einen Blick auf dieses amerikanischste Spiel in der Welt des US-Sports und laufen weiter.
Kurz bevor uns unsere Füße den „Dienst versagen“ klettern wir noch zur Hyde Street hinauf. Hier leben die Besserverdienenden. Das Wohnviertel ist gediegen, voller viktorianischer Holzhäuser und Edelappartments. Der Blick auf den Hafen und die Bucht mit „Alcatraz Island“ (ehemaliges Hochsicherheitsgefängnis) ist noch einmal ein Highlight.
Während wir den Ausblick genießen kommt gerade eines der berühmten Cable Cars mit einer Traube Touristen hinaufgefahren. Zwischen all’ den Hochglanzkarossen wirkt die Kabelbahn mit ihrer Großmechanik aus der industriellen Frühzeit wie aus der Zeit gefallen.

Am nächsten Tag fahren wir vollbepackt zum Ferry Building an der Hafenpromenade. Während uns die Fähre schnell und komfortabel wieder nach Sausalito bringt, genießen wir den Blick auf die Skyline. In 14 Tagen werden wir die Stadt ein 2. Mal auf unserem Weg nach L.A. passieren.

Doch zuvor wollen wir den Südwesten Amerikas mit dem Auto erkunden und Doug’s fantastische Kochkünste ein weiteres Mal genießen.

Im Reich der Riesen

Redwood Parks in Kalifornien/ USA usa

Zeltplatz im Humboldt Redwood NationalparkStaunend stehen wir vor „Stout Grove“, dem größten Redwood im Jedediah Redwoods State Park. Um seine Krone sehen zu können müssen wir unsere Köpfe weit in den Nacken legen. Bis zu 100 m hoch werden die größten Exemplare. Die ältesten sind 2.000 Jahre alt. Und wie aus einer anderen Zeit scheinen diese faszinierenden Giganten auch zu stammen. Ihre übergroßen, braun-rot schimmernden Rindenplatten sind tief zerfurcht. Unsere Finger verschwinden darin zur Hälfte. Um sie umfassen zu können, bräuchte es wohl eine Kette von 4 oder 5 Menschen. Wenn sie sprechen könnten, was hätten sie alles zu erzählen, was haben sie alles erlebt …

Unter dem Dach der Baumkronen ist an diesem heißen Oktobertag erstaunlich kühl und wunderbar still. Außer dem Gesang von Vögeln ist nichts zu hören. Der nadelweiche Waldboden dämpft unsere Schritte. Im Licht- und Schattenspiel des Waldes entdecken wir Fabelwesen und wundersame Skulpturen aus Holz. Dunkelgrünes Moos und leuchtende Farne bedeckten entwurzelte Riesen. Alles ist hier noch dem Lauf der Zeit überlassen. Trotz ihrer beeindruckenden Größe wirken die Redwoods filigran, verletzlich. Die Bäume zu berühren, sich an ihre würzig duftende Rinde zu lehnen ist ein berührendes Erlebnis.

Die Fahrt durch das „Reich der Riesen“ ist einer der Höhepunkte unserer Radreise an Nordamerikas Westküste. Ein unvergessliches Erlebnis.

In den kommenden Tagen radeln wir durch mehrere Redwood-Haine und können uns an diesen Giganten nicht satt sehen. Es sind die letzten größeren Bestände Nordamerikas! Auf der „Avenue of the Giants“ säumen Küstenmammutbäume in wechselnder Dichte die Straße. Jede Radumdrehung im Urwald-Korridor ist ein Vergnügen. Mittendrin kreuzt eine Herde Rotwild die Straße. Wir fahren mitten hindurch, keine 5 m Distanz zu den Tieren. Herzklopfen als der Hirsch die Nüstern bläst. Doch das Wild scheut nicht.

Am Eeel River stellen wir unser Zelt an einem riesigen Baumstumpf auf. Dann heißt es Abschied nehmen von der Welt der Redwoods. Es geht wieder an die Küste – zurück zu Sonne, Wind und zahllosen Anstiegen. Bis San Francisco wartet noch viel Muskelarbeit und manche 100′er-Etappe mit 1.000 Höhenmetern und mehr auf uns.  

 

„Up and down“ auf der „One-o-one“ – Entlang Amerikas Westküstenstraße

Crescent City/  USA usa
560. Reisetag
18.295  km / 115.752 hm

 

Twin Rocks bei Rockaway Beach Unter unseren Reifen schnalzt die nasse Fahrbahn. Der Dreck des Randstreifens „ziert“ Rahmen und Taschen. Mit jedem Truck und Off-Road Ungetüm, das uns ohrenbetäubend laut überholt, kommt eine neue Öl-Sand-Wasser Schicht dazu. Vom Blätterdach klatschen dicke Regentropfen auf unsere Helme. Seit Tagen schon fahren wir in voller Regenmontur. Dass die Küstenroute zu dieser Jahreszeit nicht unproblematisch ist, wussten wir. Abrupte Wetterwechsel sind keine Seltenheit. Und so manch verheißungsvoller Herbsttag endet in den ersten beiden Wochen in strömendem Regen.

Doch gevierteltes Leid ist viertel Leid :-) Mit Sabrina & Robert, mit denen wir seit Mitte September gemeinsamen Richtung Süden radeln, trotzen wir Wind und Wetter(kapriolen).

„Keep dry!“ rufen uns die Autofahrer zu. Humor haben sie, die Amis. Und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Unser Zelt packen wir in dieser Zeit morgens meist klitschenass ein. Die Schlafsäcke riechen nach nasser Katze.

Vielleicht ist das der Grund warum uns Kater Jack auf’s Zelt springt. Unser Staika gleicht danach mehr einem Schweizer Käse denn einer Trutzburg gegen Wind und Wetter… Vom Besitzer bekommen wir 20 $. Ein schwacher Trost für das Katzen-Piercing. Mit SilNet machen wir die Außenhaut unserer Wohnung wieder regendicht.

Dass es im äußersten Nordwesten der USA häufig nass ist, sieht man der Natur an. Mächtige Sitka-Fichten sind von Moosen überwuchert. Riesige Farne bedeckten den Waldboden. Die dichten Feuchtwälder Washingtons und Oregons sind eine eigene Welt, in denen man sich in J.R.R. Tolkiens mythologische Erzählungen versetzt fühlt.

In Port Townsend, einem hübschen Küstenstädtchen mit Klinkerbauten, lesen uns Sheila und Stuart auf der Straße auf. Der örtliche Campground hat nur Plätze für Motorhomes, nicht für Zelter … 2 Nächte können wir bei ihnen bleiben. Sie sorgen sich reizend um uns. Bei Sonnenschein und frisch gebrühtem Kaffee sitzen wir in ihrem Garten und genießen den Blick auf das Admiralty Inlet. Abends gibt es Dinner und Eis satt. „Radlerherz was willste mehr!“

In den Tagen danach hat uns zunächst der Regen wieder. Mal „dissel“ mal „heavy rain“. Nun folgen wir weitgehend der 101. Die Westküstenstraße ist die pazifische Nord-Süd-Achse und wird uns nach Los Angeles bringen. Bis Raymond hat die „One-o-one“ noch nicht viel zu bieten. Überwiegend verläuft sie abseits des Pazifiks. Doch südlich davon zeigt sie sich ab der Willapa Bay von ihrer schönen Seite. Bei Seaview erreichen wir wieder das offene Meer und rollen direkt auf den Strand. Gedankenversunken schauen wir auf den Pazifik und genießen die frisch-feuchte Seeluft. Unablässig stranden beeindruckende Wellen in einer Schaumkrone am Long Beach. Möwen und Kormorane setzen zum Tiefflug über die Wasseroberfläche auf der Suche nach Fischen an. Surfer hinterlassen weiße „Spuren“ beim Ritt auf den Wellenkämmen.

Nun ist auch das Wetter meistens beach-tauglich. In Cape Lookout wagen wir den „Sprung“ in den Pazifik. Danach sind die Lippen tiefblau. Aber die Haut prickelt herrlich. Immer wieder passieren wir traumhafte Strände und zahlreiche Badebuchten mit vorgelagerten Felsinseln. Pittoreske Leuchttürme thronen auf den Kaps.

Das Profil verlangt uns täglich einiges ab. Hügel und Berge sind zwar nicht beeindruckend hoch, dafür aber die Rampen mit 8 – 14 %. Und es geht stets Auf und Ab. Manchmal so schnell, dass wir von „60 Sachen“ bergab auf 5 km/h bergauf in 10 Sekunden ausgebremst werden. Am Ende des Tages stehen dann zwischen 600 und 1.100 Höhenmetern auf dem Tachometer und beim Dehnen wissen wir, was wir getan haben.

Doch die Plackerei wird mit traumhaften Panoramen belohnt. Raue Steilküste wechselt sich mit dichtem Regenwald und langgezogenen Dünenlandschaften munter ab. Schroffe, stark verwitterte Felsen ragen aus der schäumenden See.

Einen Steinwurf von uns entfernt ziehen Grauwale Richtung Norden. Das Schauspiel dieser Giganten der Meere ist etwas ganz Besonderes. Andächtig schauen wir ihrem Spiel zu bis sie sich mit einer Fontäne verabschieden.

Nie zuvor haben wir innerhalb so kurzer Zeit so viele Wildtiere gesehen. Fischotter tummeln sich in Flüssen, Rotwild kreuzt die Straßen, aufdringliche Waschbären versuchen uns allabendlich unsere Vorräte zu klauen, hysterische Eichhörnchen rasen die Bäume rauf und runter und in Newport’s Hafen geben Seelöwen ein vielstimmiges Konzert.

Wir fahren durch manch attraktives Seebad und hübsche Ferienorte mit eleganten Inns, Boutiquen und Kunstgalerien. Gepflegte Rhododendren- und Rosengärten zieren hier die weißgetünchten Holzhäuser im viktorianischen Stil. Für uns sind diese „Sylts“ der USA aber nur „Durchfahrstation“. Das Preisniveau ist enorm. In Cannon Beach will der örtliche RV Campingplatz satte 38 $ pro Zelt! Unverschämt! So fahren wir weiter … in die Nacht und stellen irgendwann unser Zelt nahe der 101 auf. Der State Park ist leider geschlossen. Ansonsten sind die staatlichen Campingplätze aber eine gute Möglichkeit zum Übernachten. Für 10-16 $/Nacht können wir unser Zelt in der Natur aufbauen und am Lagerfeuer den kühlen Abendtemperaturen trotzen.

Das Lichtspiel über dem kalten und bewegten Ozean am Ende des Tages ist immer wieder ein magischer Moment bis das „Goldene Auge“ im Meer versinkt und sich die Nacht über die Küste legt.

 

 

Vancouver

Vancouver/ Kanada canada
539. Reisetag
17.184 km / 106.652 hm

Science World mit dem kreisrunden Geodesic Dome am False Creek Von Bellingham in den USA radeln wir noch einmal ein Stück nach Norden. Es geht erneut nach Kanada. Auf dem „Programm“ steht Vancouver. Mehrere Reiseradler hatten von der Stadt geschwärmt und so wollen wir uns Metropole an der Westküste Kanadas nicht entgehen lassen.

 Und in der Tat: Vancouver ist die bisher attraktivste Großstadt, die wir unter „die Räder genommen“ haben. Die Lage am Ufer des Burrard Inlet ist einmalig. Einige Reiseführer bezeichnen die Skyline sogar als die schönste Nordamerikas. Übertreibung oder nicht, in jedem Fall bildet die „City of Vancouver“ zwischen Coast Mountains, Fraser River und dem Meer eine prächtige Szenerie. Doch die Schönheit hat auch ihren Preis. Einfache Hotel-DZ fangen bei 80 CAD an … für uns nicht finanzierbar. Um so schöner, dass uns Samantha von warmshowers 4 Tage bei sich aufnimmt. Ihr Appartment ist klein, doch klein sind wir ja gewöhnt. Gewöhnlich wohnen wir auf 2,20 x 1,40 m. Da ist das halbe Wohnzimmer schon Luxus.

Die Stadt ist jung, keine 170 Jahre alt. Und in dieser Zeit hat sich Vancouver rasant entwickelt. Dabei war der Anfang wenig erfolgreich. Die erste Siedlung am heutigen Platz gründeten erfolglose Goldsucher während des „Fraser Goldrush“ im Jahr 1858. Doch als Ende des 19. Jahrhunderts die Zugstrecke von der Ost- an die Westküste fertiggestellt wurde, waren die Weichen für den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes gestellt.

Heute leben im Großraum Vancouver fast 2,5 Millionen Menschen, mehr als 1/3 davon sind Asiaten. Doch großstädtische Hektik spüren wir nicht. Die Leute sind relaxt, freundlich und äußerst hilfsbereit. Wann immer wir zur Orientierung auf unsere Karte schauen werden wir sofort angesprochen, ob man uns helfen könne.

Bei fantastischen, hochsommerlichen 28°C erradeln wir uns 3 Tage lang die Stadt und ihre Umgebung. Auch das ein Novum auf unserer Reise. Während wir in anderen Großstädten in Stau und Abgasen „erstickten“ oder genervt vom Wirrwarr der Straßen und Gassen lieber zu Fuß gingen, können wir uns die City ganz entspannt vom Rad ansehen. Auf perfekt ausgebauten und ausgeschilderten Radwegen geht es durch Grünanlagen und tolle Parks Richtung Downtown. Die Autofahrer sind dermaßen rücksichtsvoll mit uns Zweirädern, dass wir aus dem Staunen nicht mehr rauskommen. So was kannten wir in Südamerika und auch in Alaska nicht.

Gastown, der ursprüngliche Ortskern gefällt nach seiner Restaurierung mit den nostalgischen Fassaden und die „World of Sciene“ mit dem futuristischem Geodesic Dome. Im lebhaften Chinatown fühlen wir uns schließlich ein Stück nach Asien zurückversetzt. Rote Farbenpracht dominiert die Straßen, durch die Wohlgerüche aus Garküchen zieht. Die Auslagen der Lebensmittelläden sind ein Fest für die Augen und in den verwinkelten chinesischen Läden lässt es sich stöbern.

Doch der Höhepunkt – im wahrsten Sinne des Wortes – ist die „City of Glass“. Während man in den Straßenschluchten bei entsprechendem Kleingeld in Einkaufsparadiesen ohne Ende shoppen kann, verändern die 65 türkisfarbenen, gläsernen Hochhäuser mit wechselndem Tageslicht kostenlos ihre Farbe. Kurz vor Sonnenuntergang funkeln die Wolkenkratzer diamanten. Edler Schmuck muss nicht immer teuer sein ;-)

Die Rundtour um den Stanley Park ist ein weiteres Highlight. Die von dichter Regenwaldvegetation bedeckte Landzunge zwischen English Bay und Burrard Inlet ist Naherholungsgebiet und „grüne Lunge“ Vancouvers und war einst von Haida-Indianern besiedelt. Von der Seawall Promenade aus genießen wir radelnd die wunderbaren Ausblicke auf Coal Harbour, City, Coast Mountains über die English Bay. Das Dach des segelähnlich konstruierten Canada Place strahlt glänzend weiß in der Mittagssonne. Am „Third Beach“, einem der schönen Stadtstrände Vancouvers ruhen wir aus und tun es den Kormoranen auf den Uferfelsen gleich – wir halten unsere Nasen in die Sonne, schließen die Augen und genießen die Wärme und das sanfte Rauschen der Brandung.

Vancouver tut gut. Die Atmosphäre, das entspannte aber spannende Leben hat es uns angetan. Hier könnten wir auch sesshaft werden und wären gerne noch länger geblieben. Doch nach 3 Tagen wollen wir weiter. Wir sind mit Sabrina und Robert verabredet. Die beiden hatten wir auf der Columbia kennengelernt und da wir den gleichen Weg Richtung Süden einschlagen, wollen wir ein Stück gemeinsam durch die Staaten reisen. Wir freuen uns auf das Wiedersehen und wollen Roberts Geburtstag gebührend feiern.

Wer „A“ sagt muss auch „B“ sagen

Skagway/ Alaska, USA usa
526. Reisetag
16.770 km / 103.892 hm

Matanuska Gletscher „You are in Bear Country!“ Diesen Satz hören wir immer wieder, wenn wir mit Einheimischen ins Gespräch kommen und vom Zelten erzählen. Aber dazu später mehr ….

Wir stehen auf den Eureka Summit, dem mit 1.013 m höchsten Punkt des Glenn Highway und genießen den großartigen Ausblick über die Unendlichkeit des menschenleeren Landes.
Im Süden schimmert in den schneebedeckten Chugach-Mountains kaltblau der Nelchina Glacier, im Norden erhebt sich das Talkeetna Massiv. Für ein paar Stunden kommt an diesem Tag einmal die Sonne zum Vorschein und taucht die Laubwälder in ein außergewöhnliches Farbenspiel. Die intensiven Rottöne der Ahornbäume und das strahlende Gelb der Eichen, Birken und Espen leuchten wie überdimensionale Farbklekse zwischen dem dunklen Nadelwald Alaskas.

In diesem Moment sind all’ die anstrengenden Stunden und verregneten Tage zuvor, die nasse Kälte und schmerzenden Körper, das ewige Auf und Ab der Topografie, der ständige Gegenwind, vergessen. Jetzt zählt nur der Augenblick. Die unberührte Natur, die Einsamkeit, die schneebedeckten Gebirge aus denen mächtige Gletscher gespeist werden, haben die weite Reise hierher gelohnt. Die Nacht zuvor haben wir am gewaltigen Matanuska Glacier übernachtet und zum ersten Mal seit langem unser Zelt am Morgen wieder trocken einpacken können.
Seit den 50er Jahren hat es nicht mehr so viel geregnet wie in diesem Sommer und Herbst, erzählen uns ältere Alaskans. Toll! Und der Kälteeinbruch kommt auch 3 Wochen früher als normal. Supertoll! Fluchend und fröstelnd fahren wir oft stundenlang durch Strippen-, Sprüh-, Stark-, Tröpfel- oder Pladder-Regen und wenn uns die riesigen Motorhomes oder ps-starken Trucks passieren gibt’s noch ne ordentliche Gischt ins Gesicht.

Um so schöner, wenn wir dann von der Straße weg zu Coffee und Cakes eingeladen werden und in warmen Stuben Füße und Seele wieder auftauen. Die Alaskans sind rau wie die Natur aber ebenso herzlich und hilfsbereit. Das Leben hier ist nicht einfach und die Hilfsbereitschaft groß. In einer alten, aus mächtigen Holzstämmen errichteten, Lodge von 1929 (eine der wenige erhaltenen Rastanlagen aus den „alten“ Zeiten) verwöhnt uns …. mit heißem Kaffee und selbstgemachtem – unglaublich leckerem – Zimtkuchen.
Seine Tochter lebt seit 1 Jahr hier und hat letzten Sommer das Haus gekauft. Wie so viele Alaskans kommt sie aus den „Lower 48“ und versucht hier ihr Glück.

So wie einst die Goldsucher Ende des 19. Jh., deren Relikte wir auf dem Klondike Highway sehen.
Der begann 1897 nachdem die ersten erfolgreichen Goldsucher mit ihrem frisch geschürftem Vermögen in Seattle und San Francisco Furore machten. Über 100.000 Menschen machten sich in den kommenden Jahren in der Hoffnung auf schnellen Reichtum auf den Weg nach Norden. Am Chilkoot Pass kontrollierten kanadische Grenzer, ob jeder den geforderten Einjahres-Vorrat mitbrachte. Die legendäre Ton of Goods bestand aus 700 kg Lebensmitteln und Ausrüstung. Jeder musste sein Zeug selbst über den steilen Pfad mitnehmen. Packtiere kamen wegen der steilen Pfade nicht in Frage …

Für uns sind schon die 40-45 kg Gepäck genug Plackerei. Nie zuvor hatten wir so viele Lebensmittel dabei. Die menschenleeren Gegenden und die gepfefferten Preise in den kleinen Food-Stores machen Hamstereinkäufe notwendig. Außerdem gibt es Großpackungen im Kilogramm-Bereich oft zu günstigeren Preisen als die kleineren. Verrückt! Und fast hätten wir einen Teil unseres kostbaren Gutes verloren …

Zwei Tage bevor wir Skagway erreichen campen wir am Windy Arm in einer kleinen Bucht. Der Platz mit Feuerstelle ist ca. 1 km unterhalb des Highway an einem malerischen See. Während es wieder mal regnet wärmen wir uns am Lagerfeuer auf und lassen den Tag Revue passieren. Schließlich lässt uns der leichte Nieselregen auf dem Zeltdach in den Schlaf hinübergleiten.
Kurz nach 1 Uhr weckt mich ein dumpfes Geräusch. Es regnet stärker, so dass wir angestrengt in die Nacht lauschen. Auf meiner Seite kann ich nichts Ungewöhnliches sehen. Ria leuchtet auf ihrer Seite mit der Stirnlampe in die Dunkelheit … Mit entsezter Stimme raunt sie mir zu „Ein Bär!“
Scheiße!

Keine 30 m von unserem Zelt hat sich ein Bär unsere Vorderradtasche gekrallt. Das Tier ist noch nicht voll ausgewachsen aber mit ca. 100 cm in der Schulterhöhe schon recht stattlich. Die weit auseinander stehenden Augen glänzen weiß im Strahl der Kopfleuchte. Einen Augenblick langt stockt uns der Atem.Dann haben wir uns gefangen. In Windeseile habe ich das Bärenspray in der Hand und wir beide unsere Trillerpfeifen im Mund. Beim ersten „Anpfiff“ macht der Bär keine Anstalten zur Flucht. Erst beim zweiten Mal sucht er das Weite. Mit rasendem Herzen hören wir angestrengt in die Finsternis. Ist er noch da? Kommt er womöglich zurück? Oder ist vielleicht noch ein anderer Bär in der Nähe? Doch außer dem Regen ist nichts zu hören.

Schließlich wagen wir uns lärmend und mit Bärenspray bewaffnet aus dem Zelt. Angestrengt leuchten wir im Regen die Umgebung ab. Doch kein Bär zu sehen. Meine rechte Vorderradtasche ist an der Stirnseite wie mit dem Messer feinsäuberlich aufgeschlitzt. Durch die Nalgenedose hat sich einer der Zähne gebohrt. Ansonsten ist alles unversehrt. Wir haben ihn wohl schnell gestört. Den Rest der Nacht schlafen wir nicht mehr gut und bis es so weit ist vergeht gefühlt eine Ewigkeit ….

Wer “A” wie Alaska sagt, muss wohl auch “B” wie Bär sagen.

Wer sachdienliche Hinweise zu unserem „Problembär“ hat möge sich bitte an die nächstgelegene kanadische Polizeidienststelle oder hilfsweise an uns wenden.
Hier noch mal die Kurzbeschreibung des Täters: Schultergröße ca. 100 cm, kleine Augen, abstehende Ohren und hervorstehende Schnauze. Der Dieb trug dunkelbraunes Fell und war mit 42 Zähnen sowie Krallen bewaffnet.
Zur Belohnung im Falle einer Ergreifung sind 500 g Honig ausgesetzt :-)

Am nächsten Tag haben wir dann unsere 2. Begegnung mit „Meister Petz“ und die ist wesentlich ungefährlicher. Unterwegs auf dem Klondike Highway sehen wir 200 m oberhalb von uns einen ausgewachsenen Black Bear. Das Tier durchstreift auf der Suche nach Beeren die baumlosen Hänge. Tiere im Zoo oder ihrem angestammten Lebensraum zu sehen ist etwas ganz anderes. Fasziniert schauen wir dem Schwarzbären beim Pflücken der Beeren zu. Kurz darauf entdecken wir auch noch eine Schneeziege. Das über 100 kg schwere Männchen mit kräftigem Körper und muskulösen Beinen wärmt sich auf einem Felsvorsprung in den ersten Sonnenstrahlen des Tages auf. Sein weißer Kinnbart weht im Wind. Was für ein Anblick.

Wir stehen ein Stück weiter unten auf dem Rastplatz und genießen den Blick in das tief eingeschnittene Tal kurz hinter dem White Pass (873 m). Der letzte Tag in Alaska bzw. Yukon und British Columbia ist noch einmal ein echtes Glanzlicht in all dem Regen. Vorbei an glasklaren Bächen und Seen geht es auf einer der schönsten Strecken im kanadischen Norden. In Glanz der Sonne leuchtet das Wasser türkisfarben. Die Anfahrt auf Skagway ist dann nur noch Vergnügen pur. Schneller als der Wind sausen wir auf kurvenreicher Strecke durch hochaufragende Berge zum Taiya Inlet und in die Stadt, die während des kurzen Goldrausches einst 20.000 Menschen beherbergte. Heute sind es lediglich noch 700. Doch fast ebensoviele Touristen wie einst Goldsucher lassen das hübsche Örtchen aus allen Nähten platzen.

Im Hafen liegen gigantische Kreuzfahrtschiffe, die die teilweise 100 Jahre alten Häuser um ein Vielfaches überragen. Gegen 20 Uhr heißt es für uns „Leinen los“. Mit der Columbia fahren wir 4 Tage durch die Inside Passage und der Kaltwetter-Front davon. Auch wenn der Service und Komfort nicht überragend sind verleben wir eine einmalig schöne Zeit. Die Fahrt entlang der unberührten Küsten Alaskas und Kanadas wird uns unvergesslich in Erinnerung bleiben. Bei ruhiger See und fantastischem Sommerwetter gleitet die Fähre vorbei an dem unzugänglichen Gebirgsmassiv der Coast Mountains und unzähligen Inseln. Delfine spielen in den Wellen der Columbia. Wale schießen scheinbar in Zeitlupe aus dem Wasser um ebenso majestätisch wieder in den Pazifik einzutauchen.

Die Nächte verbringen wir an Deck (man darf an Bord zelten) und einen Teil davon mit Sabrina & Robert und Gunda & Mattes. Die 4 sind Radkollegen und haben ihre 1mjährigen Touren in Anchorage gestartet. Auf der “Columbia” führen unsere Wege und der einsetzende Winter uns nun zusammen. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch und haben als kleine „German Reise-Group“ viel Spaß und fantastische – gemeinsam erkochte – 3-Gänge-Outodoormenüs.

Am 12.09. sind wir wieder an Land und im „Sixpack“ geht es über die amerikanisch-kanadische Grenze Richtung Vancouver. Doch das ist eine andere Geschichte ….