Durch die Quebrada de Humahuaca nach La Quiaca

La Quiaca/Argentinien argentina
423. Reisetag
13.725 km / 83.864 hm

IMGP9381

 

Die letzten 400 km in den abgeschiedensten Provinzen Salta und Jujuy sind zwar die härtesten in ganz Argentinien aber auch landschaftlich und kulturell die schönsten während unserer 8 Wochen im Land. Die Andenkette und ihre Vorgebirge im Blick fahren wir durch bunte, fruchtbare Täler mit herbstlich gefärbtem Blattwerk; genießen das Radlerglück auf vielen einsamen Abschnitten der Ruta 9; stehen atemlos vor bizarren Felsformationen, die in allen erdenklichen Erdtönen leuchten; besuchen alte, bunte getupfte Inka- und Kolonialstädtchen, in denen die Indio-Traditionen noch spürbar sind und „hören“ in sternklaren Nächten die absolute Stille, während unser Zelt zwischen 10 m hohen Kandelaber-Kakteen steht.

Zwischen Salta und San Salvador de Jujuy geht es zunächst – völlig unerwartet – durch dichten subtropischen Regenwald. Wir fühlen uns fast nach Südostasien zurückgebeamt. Fast 2 Tage lang begleitet uns ein Korridor aus üppiger Vegetation. Die Ruta 9 ist hier kaum befahren (es gibt einen neueren Abschnitt weiter östlich), so dass wir die malerische, kurvenreiche Strecke entlang der grünen Berghänge fast für uns allein haben. In der Nacht zelten wir wild an der Grenze der beiden Provinzen und lauschen den Klängen des Regenwaldes. Über 300 Vogelarten leben hier. Am Morgen leistet uns ein Kolibri Gesellschaft. Im Baum neben unserem Zelt sucht er nach Blütennektar, während wir unser Honigbrötchen mit heißem Tee genießen.

In San Salvador de Jujuy, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, holen uns dann der Verkehr und das schlechte Wetter wieder ein. Als wir am Morgen des 21.05.14 aufbrechen herrscht zunächst Nebel, der mit jeder Stunde dichter wird und schließlich in heftigen Regen übergeht. Zusätzlich fegt uns aus Norden eine steife Briese die „Gischt“ ins Gesicht. Wir fahren in voller Regenmontur stetig bergauf und sind bei den schlechten Sichtverhältnissen wieder mehr mit dem Verkehr als mit der Landschaft beschäftigt. Die ist hinter der weißen Wand aber eh kaum wahrzunehmen. Ein argentinisches Radlerpaar kommt uns entgegen. Beide sind pitschenass und ziemlich verfroren. Keine guten Aussichten für die nächsten Tage, denken wir.

In der Nacht haben wir zum ersten Mal seit langem wieder leichte Minusgrade und der Regen geht in Schnee über. Am Morgen ist eine feine weiße Schicht auf unserem Zelt. Doch das ist erst der Anfang. In den darauffolgenden Nächten sinkt die Temperatur bis auf – 14°C (im Innenzelt -7°C). Beim Einpacken am Morgen sind unsere Finger und Füße schon nach wenigen Minuten nicht mehr spürbar und erst nachdem die Sonne eine ganze Weile auf uns niederscheint, tauen unsere Extremitäten langsam wieder auf …

Die Quebrada de Humahuaca, das Tal, in dem wir seit S.S. d. Jujuy unterwegs sind, zieht sich 130 km Richtung Norden. Dabei steigt sie langsam an und ist für uns der ideale Einstieg auf das Altiplano. Von San Salvador de Jujuy auf 1.552 m geht es bis auf 3.780 m hoch. Das langgezogene schluchtartige Tal ist einer der wenigen Einschnitte in die Puna, die Hochwüste Nordargentiniens. Über Jahrtausende diente es den Urvölkern der Region als eine Art Korridor zwischen dem Altiplano im Norden und den tiefer gelegenen Gebieten im Süden.

Als wir am nächsten Tag Purmamarca erreichen scheint zwar noch nicht die Sonne, aber immerhin regnet es nicht mehr. Der Ort auf 2.190 m ist eine alte Inkasiedlung. Überragt wird der Ort vom Cerro del los Siete Colores, dem „Berg der 7 Farben“. Rund um die zentrale Plaza verkaufen Kunsthandwerkshändler indianische Waren und wunderschöne Stoffe, Kleidung und allerlei Mitbringsel in traditionellen Mustern. Wir erstehen einen kleinen Wandteppich und für Ria eine Handtasche. Das vielfarbige Angebot an den Ständen und in den Läden steht in kräftigem Kontrast zum staubigen Ort. Zu Recht heißt das nette Städtchen Purmamarca übersetzt auch „Wüstenort“.

Kurz vor Humahuaca (2.939 m), Endort der Quebrada, erleben wir dann einen wahren „Wüstensturm“. Uns weht es fast von der Straße. Eine riesige Sandwolke verdunkelt den Himmel über uns. Es knirscht zwischen unseren Zähnen, die Augen brennen. Wir „flüchten“ uns in die Stadt und legen unsere Siesta im sehenswerten Ortskern ein. Auch hier wird in den engen, mit Kopfsteinpflastern versehen Gassen, Kunsthandwerk verkauft. Hinter den Mauern der alten Dorfkirche suchen wir Schutz vor dem heftigen Wind, der eiskalt über die Plaza fegt und uns fast den Käse vom Weißbrot weht.

Die frostige Nacht verbringen wir zwischen hochaufragenden Kandelaber-Kakteen, die hier zu abertausenden wachsen und wie Arme ihre Äste in die Lüfte strecken. Kurz nach Mitternacht ist es mit der Stille vorbei. Ein heftiger Sturm zieht auf und klingt erst Stunden später ab. Am Morgen haben wir in unserem Innenzelt und auf den Schlafsäcken eine feine Sandschicht. Die Reisverschlüsse des Zeltes haken. Welch’ Freude. Bei -10°C „entstauben“ wir unser Equipment und „vereisen“ … bis der Anstieg wieder unser Blut in den Adern pulsieren lässt.

Hinter Humahuarca ändert sich das Landschaftsbild rasant. Waren wir eben noch von Kakteenwäldern, Strauchwerk und Feldern umgeben so wird das Flusstal nun von vielfarbigen Hügeln dominiert. Ein faszinierendes Farbenspiel bietet sich uns und alle vorangegangen Regentage und Eisnächte sind mit einem Mal vergessen. Die Felsformationen leuchten rot und schwarz, grün, türkis, violett … je nach Sonneneinstrahlung und mineralischer Zusammensetzung des Gesteins. Der Fluss hat sich teilweise tief ins Tal geschnitten und einen breiten, henna-roten Canyon geschaffen, in dem zu dieser Jahreszeit aber nur ein kleines Rinnsal fließt.

Aber nicht nur die Landschaft ändert sich. Auch das Wetter dreht sich nun zu unseren Gunsten. Zwar sind die Nächte schweinekalt, tagsüber scheint aber die Sonne und macht das Radfahren in der Höhe zu einem unvergesslichen Erlebnis … für das wir aber auch ordentlich strampeln müssen. Die Ruta 9 steigt schnell an. Teilweise in Serpentinen führt uns die Straße auf die Puna, den argentinischen Ausläufer des bolivianischen Altiplano. Am Ende des Tages haben wir 1.000 Höhenmeter absolviert und stehen am Pass auf 3.780 m Höhe – denken wir. Das Passbild, was wir „schießen“, kommt zu früh. Erst nach weiteren 2 km erreichen wir den Pass. Von da ab rollt es sich wieder merklich schneller.

In Abra Pampa, einem verstaubten und verschlafenen Altiplano-Ort aus Lehmziegelhäusern, essen wir am nächsten Tag zu Ria’s Geburtstag 2 Portionen Saltenas. Gut gestärkt fahren wir bei schönstem Sonnenschein anschließend über die weitläufige gelb-braun gefärbte Puna, die im Westen und Osten von 2 bis zu 5.000 m hohen Gebirgsketten begrenzt wird – der Sierra Cavalonga und der Sierra Santa Victoria.

Hier oben ist die Luft merklich dünner. Schnelleres Pedalieren oder eine kleine „Wanderung“ in die Steppe zur Zeltplatzsuche werden sofort mit Kurzatmigkeit „belohnt“. Am 27.05.14 erreichen wir La Quiaca, den letzten Ort in Argentinien. Die Grenzstadt zu Bolivien auf 3.442 m ist noch einmal ein nettes, lebhaftes Örtchen, in dem wir einen vollen Tag verbringen, um uns zu sortieren und unser in Mitleidenschaft gezogenes Equipment zu reparieren. Morgen geht es dann über den Grenzfluss nach Villazon in Bolivien und damit in unser 17. Reiseland.

Da wir Updates von WordPress nicht immer durchführen konnten, funktioniert der Newsletter derzeit nicht. Schaut einfach mal von Zeit zu Zeit vorbei.

 

Unterwegs im Nordwesten Argentiniens

Salta / Argentinien argentina
414. Reisetag
13.320 km,  79.706 hm

IMGP8222 Über 2.000 km sind wir nun schon in Argentinien gefahren und haben doch nur einen Bruchteil des Landes gesehen. Das Land ist das achtgrößte der Erde. Die Nord- Südausdehnungen beträgt 3.700 km, etwa so viel als würde man von Kopenhagen bis nach Ägypten fahren.

Entlang der Anden, die sich wie ein Rückgrat durch das gesamte Land ziehen fahren wir von Mendoza im Nordwesten immer gen Norden. Zunächst auf der legendären Ruta 40 später auf anderen Nationalstraßen geht es durch 8 Provinzen. Wettertechnisch ist in dieser Zeit alles dabei: Sonne, Wind und Regen. Da es keine Gebirgszüge gibt, die in Ost-West-Richtung verlaufen, haben wir besonders in der ersten Woche mit starkem Wind zu kämpfen der ungebremst über die Ebenen fegt und beständig gegen Nachmittag zunimmt. In den Provinzen Tucumán und Salta wird’s dann nass-kalt. Doch dazu später mehr.

Besonders in Tucumán, Catmarca und La Rioja ist die Armut sicht- und spürbar. Die Provinzen gehören zu den ärmsten des Landes. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Saisonarbeit häufig. Die Provinzen leben vor allem von der Agrarwirtschaft. Zuckerrohr, Wein, Oliven, Nüsse, Obst- und Gemüse werden angebaut. Die Infrastruktur ist marode, viele Autos echte Oldimer.

Es herrscht eine merkwürdige Lethargie im Land, die sich nur schwer in Worte fassen lässt.

Argentinien wurden von seinen Präsidenten in den letzten 20 Jahren verhökert (Wasserwerke, Telefon-, Flug- und Ölgesellschaften). Die erhofften Arbeitsplätze entstanden nicht. Heute hat Argentinien offiziell 10 % Arbeitslosigkeit. Dann kam die Währungskrise 2001, die das Land rasant verarmen ließ. Der Peso verlor innerhalb weniger Monate 70 % seiner Kaufkraft. Seitdem scheint das Land nur schwer wieder auf die Beine zu kommen. Heute ist Argentinien eines der am hoch verschuldetsten Länder der Welt. 20 % leben unterhalb der Armutsgrenze. Und jetzt erneut Inflation (30 %/Jahr!), sprunghafte Preise bei den Grundnahrungsmitteln. Wer kann flüchtet in den Dollar. Wir bekommen ihn in keiner Bank.

Vor allem in den Siedlungen am Rande der Provinzhauptstädte wird die Armut offensichtlich. Lehmhütten, die aussehen als würde sie der nächste Regen wegspülen, Behausungen aus Wellblech und Planen. Kinder die keine Schuhe tragen. Menschen, die auf Parkbänken leben. Im Regen wirkt die Szenerie noch trister und trostloser.

Viele Menschen versuchen sich mit kleinen „Jobs“ über Wasser zu halten, als Autowäscher, Schuhputzer, mit selbstgemachten Empanadas, Cremes, Souvenirs, als Fahnen- oder Zuckerwatteverkäufer.

Auch nach 8 Wochen im Land sind wir immer noch dabei Argentinien zu verstehen, bleibt uns vieles ein Rätsel. Irgendwo zwischen Melancholie und Leidenschaft trifft es wohl ganz gut. Fahren wir durch die immer gleich verschlafenen, staubigen Orte mit den gleichen Plätzen und Straßennamen erscheinen uns die Argentinier eher reserviert. Sicher, es wird gegrüßt, geschaut. Aber alles eher verhalten, keinesfalls „südamerikanisch“. Irgendwie liegt etwas Schwermütiges in der Luft, scheint die Zeit still zu stehen. Gleichzeitig wird diese Schwermut regelmäßig durchbrochen. Wer einen fahrbaren Untersatz hat lässt es „krachen“. Die bemitleidenswerten Motoren der meist betagten Fahrzeuge werden auf höchste Drehzahlen getrieben. In den Gassen bellen Hunde sich heiser und die knarzende Musikanlage mit Latinorythmen beglückt die ganze Straße. Über all dem Lärm blättert an vielen Fassaden der Glanz aus besseren Zeiten ab. Das Land steckt – wieder mal – in einer Finanz- und Wirtschaftskrise. Das ermüdet die Menschen. Kommt man aber mal ins Gespräch hellen sich die Mienen auf. Und dann kann der Argentinier durchaus lebendig werden und wie ein Wasserfall erzählen. Neugierig werden unsere Gefährte begutachtet. Der Daumen geht nach oben. Erzählen wir dann noch, was wir so treiben, werden wir mit Lob, Schulterklopfen und dem Ausruf „Que Lindo!“ überhäuft. Gefragt oder auch ungefragt postiert man sich um uns herum, bis jeder auf dem Bild mit den Deutschen einmal drauf ist. Herzlich ist die Verabschiedung und man wünscht uns “Suerte” und “Buen viaje” und wir schließen die Argentinier immer fester in unsere Herzen.

Kulinarisch bleiben dagegen so einige „Verdauungsschwierigkeiten“. Jeden Tag Weißbrot, das macht bei uns „viel heiße Luft um/mit nichts“ … und viele Argentinier dick. Neben trockenen Baguettes sind Fleisch und Coca vielfach die „Grundnahrungsmittel“. Für die meisten Argentinier ist es undenkbar täglich nicht Fleisch zu essen. Überall und zu jeder Tageszeit wird Asado zubereitet. Und hier ist der „Mann“ noch „Mann“. Grillen ist Männersache. Claro Macho! Und ohne seinen Mate-Tee kommt der Argentinier auch nur schwer über den Tag. Er wird überall getrunken: im Bus, auf der Tankstelle, beim Zuschauen auf dem Sportplatz, in der Warteschlange oder einfach vor dem Haus. Mate ist der Alltags- und Zaubertrank. Und auch wir lieben es, abends im Zelt den heißen würzig-bitteren Sud durch unsere Bombilla (silbernes Saugröhrchen) zu ziehen und dabei den Tag Revue passieren zu lassen.

Kulinarisch ist die Reise durch Argentinien kein Offenbarungseid. Südostasien hat uns verwöhnt. Doch ein paar Dinge haben unsere Gaumen dennoch lieb gewonnen: Dulce de Leche und Media Luna am Morgen, Empanadas oder eine gut gegrillte, deftig gewürzte Chorizo zwischendurch und Alfajores oder Galettas am Abend. Und das – erste! – Steak heute Mittag war sensationell!

Ein echtes Ärgernis ist für uns die Siesta, die in Argentinien stets strickt und überpünktlich eingehalten wird. Zwischen 13:00 und 16:00, manchmal 17:00 Uhr sind die Läden zu. Das ohnehin schon ruhige Leben wird noch ruhiger oder erlahmt ganz. So wird die Fahrt in den nächsten Ort und zum nächsten Supermarkt oft ein Kampf gegen die Uhr. Mit präziser Teamarbeit – 20 min. Ria vorne, 20 min. ich – schaffen wir es meist noch vor der Siesta … doch eben nicht immer.

Ein viel größeres Ärgernis sind aber die automovilista. Die argentinischen Fahrer bekommen von uns die „Rote Laterne“ was Rücksichtnahme und Fairniss angeht. Allzu viele vertrauen mehr auf die zahlreichen Schutzheiligen statt auf den eigenen Verstand. Die Busfahrer sind dabei am aggressivsten. Immer wieder werden wir haarscharf und mit hoher Geschwindigkeit überholt. Manchmal können wir uns nur mit einem Satz in den Randstreifen in Sicherheit bringen. Aber auch mancher Brummi drängt uns ab. Angepasstes Fahrverhalten bei Nebel und Regen erleben wir so gut wie nie. Viele Pkw-Fahrer überschätzen ihr Können. Unzählige Kreuze und Sterne an den Straßen zeugen davon. Rund 10.000 Argentinier sterben jährlich im Verkehr. Da sind uns die rostigen Oldtimer geradezu sympathisch. Auch wenn manche Karosse so löchrig wie ein Schweizer Käse ist – rasen können die altersschwachen Mühlen nicht mehr.

So kommt zwischen Tucuman und Salta nur selten Fahrspaß auf. Die Route National 9 ist ein Nadelöhr für den gesamten Schwerelastverkehr gen Norden. Der Asphalt ist oft altersschwach und löchrig, die 9 zeitweise nicht breiter als eine Landstraße in Deutschland. Dazu kommt auch noch eine Schlechtwetter-Front. Die vom Flachland aufsteigenden Wolken regnen sich an den Gebirgsschwellen ab. 7 Tage fahren wir in dichtem Nebel und Regen und sehen … fast nichts.

Einen Tag müssen wir komplett im Zelt verbringen. Das Wetter ist zu schlecht, die Sicht praktisch null. Nach einer Woche Wildcampen und Katzenwäsche steigt der olfaktorische Wert gegen 9 von 10 möglichen Punkten. Und so leisten wir uns in Salta endlich wieder eine Unterkunft, genießen die heiße Dusche und den Duft frischer Wäsche. Die Stadt trägt zu Recht den Beinamen „La Linda“ – Die Schöne. Bei strahlendem Sonnenschein streifen wir durch die Altstadt mit vielen prächtigen Kolonialbauten und lassen uns treiben und die Seele baumeln.

Bisheriger Höhepunkt unserer Reise im Nordwesten waren ohne Zweifel die beiden Nationalparks

Ischigualasto und Talampaya, die im Jahr 2000 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurden. Was hier auf einer ca. 1.300 m hohen Hochebene in wüstenhafter Landschaft von der Erosion an skulpturartigen, kuriosen Gesteinsformationen in Jahrmillionen geschaffen wurde ist atemberaubend schön. In den Formationen wurden u.a auch einige der ältesten bekannten Dinosaurierfunde gemacht. Bis zu 230 Millionen Jahre alt sind die Fossilien. Doch faszinierender als jeder Urzeitriese ist für uns die Erhabenheit dieser Orte, das Farben- und Formenspiel der Natur.

Chilenisches Seenland und Santiago de Chile

Santiago/ Chilechile
377. Reisetag
11.770 km, 73.675 hm

Blick vom Parkhügel Santa LuciaEltern setzen stolz ihre herausgeputzten Kinder für ein Erinnerungsfoto auf Plüschpferde, Rentnerinnen verkaufen Rosen und Palmenzweige, daneben lassen Geschäftsleute im edlen Zwirn noch schnell ihre Schuhe auf Hochglanz bringen, Verkäufer preisen lautstark Süßigkeiten an, staunende Kinder stehen vor bunten Trauben gasgefüllter Luftballons, Schachspieler sitzen – umringt von fachmännisch die Züge analysierenden Zuschauern – mit ernster Miene vor ihren Figuren. Trommler, Sänger, Tänzer, „Straßen-Comedians“ und andere Kleinkünstler unterhalten ihr Publikum. Die späte Nachmittagssonne taucht das Straßenbild in ein warmes Licht.

Wir sitzen auf einer Bank in der Paseo Huérfanos, einer Fußgängerzone im Zentrum von Santiago de Chile und lassen das Treiben auf uns wirken. Die Hauptstadt des Landes gefällt uns. In den engen Straßen ist das Leben bunt, zuweilen hektisch, in jedem Fall aber geschäftig. Trotzdem ist die Atmosphäre entspannt, man nimmt sich Zeit für einen Plausch. Den Plaza de Armas, das Herz der Stadt, können wir leider nicht sehen. Ein großer Bauzaun umgibt den Platz. Santiago putzt sich an vielen Stellen heraus. Das Wirtschaftszentrum des Landes boomt. Rund um den Regierungspalast „La Moneda“ ist das Banken- und Geschäftsviertel. Banker in feinem Zwirn und Handy am Ohr eilen über die Plaza de la Ciudadania, den Bürgerplatz. Die Stadt scheint wie ein Magnet zu wirken. Jährlich wächst Santiago um 100.000 Einwohner. Mittlerweile leben fast 40 % der Chilenen hier. Dennoch ist die City überschaubar. Kein Vergleich mit den quirligen Metropolen Südostasiens. Alle Straßen verlaufen rechtwinklig zueinander. Vom Nullpunkt im Zentrum beginnen in alle Himmelsrichtungen die Hausnummern mit 100. Zwischen 2 Querstraßen liegen meist 100 Hausnummern (auch wenn es meistens nie 100 Häuser sind) die ungefähr auch einer Entfernung von 100 m entsprechen. So können wir uns auf dem Stadtplan immer ganz gut ausrechnen, wie weit es bis zur nächsten Sehenswürdigkeit ist.

Doch abseits des Geschäftszentrums und der Flaniermeilen sehen wir auch ein anderes Gesicht der Stadt. In den Straßen nördlich der Plaza de Armas ist der Glanz vorbei. Hier leben die sozial Schwächeren. Die Schere zwischen Arm und Reich geht auch in Chile weiter auseinander. Nur eine kleine Klasse profitiert vom Wirtschaftswachstum. In den Parks und Grünanlagen liegen Obdachlose. Mittellose verkaufen ihr Hab und Gut. Hier ist auch das „Reich“ der kleinen Straßenhändler. „A mil, a mil!“, „Für tausend, für tausend“ tönt es durch Straßen. Vom Schokoriegel, bis zum Geschirrtuch wird alles mögliche verkauft.

Im Mercado Central, einer riesigen Markthalle, die 1872 eigentlich für Ausstellungen chilenischer Künstler errichtet worden war, wird schon größeres „Business“ gemacht. Hier türmen sich frisches Obst und Gemüse, werden Fische filetiert, Meeresfrüchte gewaschen, Käse und Fleisch über die Theken gereicht. Das Leben und Treiben auf den Märkten hat für uns immer eine ganz besondere Anziehungskraft und wir lieben es durch die Gassen zu streifen und Neues zu entdecken. Der Markt in Santiago ist einer der größten, die wir bisher gesehen haben. Und außerdem sind die Produkte wesentlich günstiger und von besserer Qualität als in den Supermärkten. Am Ende unseres Besuchs schleppen wir mehrere Kilo Obst und Gemüse durch die Stadt. Die nächsten Tage gibt es Fruchtsalat satt und große Gemüsepfannen. Ein anderes „Vergnügen“ gönnen wir uns dann auch noch: 1 x Chilenische Fast-Food-“Kultur“. Für 800 Pesos (gut 1 €) bestellen wir einen Completto. Ein bizarrer Hot-Dog aus einem kleinen Wiener Würstchen im süßen Luftbrötchen überschüttet und zugeschmiert mit Mayonnaise, Ketchup, Senf und Avocadocreme. Optisch bunt, kulinarisch und ernährungstechnisch aber ne Nullnummer. Hoffentlich sind unsere Geschmacksknospen nicht eingegangen …

Am letzten Abend sehen wir Santiago noch einmal aus der „Vogelperspektive“. Vom höchsten Punkt des hügelartigen Parks Cerro Santa Lucia genießen wir den wunderbaren Blick auf das Häusermeer und die Bergkette. Der Verkehrslärm in den Straßen der 5 Millionen-Metropole, die Sirenen der Ambulanz und Polizei, hier oben scheint alles fern. Der Gesang der Vögel übertönt die Geräusche der Stadt. Die Anden sind nur einen Steinwurf entfernt. Wie ein feiner Zuckerguss bedeckt der Schnee die 6.000er Gipfel. Davor das Häusermeer aus unzähligen Wohn- und Bürotürmen – das ist schon ein ganz besonderer Anblick.

Gerne hätten wir noch mehr in Santiago entdeckt. Doch es bleibt nur wenig Zeit, bevor es über die Berge erneut nach Argentinien geht. In den nächsten 3 Monaten wollen wir bis Lima fahren. Ein paar tausend Kilometer und viele Höhenmeter auf teilweise schlechter Piste warten auf uns. Schon die letzten 3 Wochen waren kein Zuckerschlecken. Gerade auf dem Abschnitt Esquel (Argentinien) – Chaiten (Chile) ächzten Mensch und Material unter üblen Schotterpisten. Anstiege jenseits der 14 % und Gegenwind ließen nur noch Schritttempo zu oder zwangen uns gar ganz vom Rad. Dennoch waren die Tage in Patagonien unvergesslich und landschaftlich wunderschön. So rau und ungezähmt wie die Landschaft ist eben auch das Wetter dort. 3 Tage saßen wir in der Hafenstadt Puerto Montt fest als eine Schlechtwetterfront über die Region zog. Unaufhörlich prasselte der sintflutartige Regen auf die Blechdächer der bunt gestrichenen Holzhäuser. Doch danach riss der Himmel für einige Tage auf und bei strahlendem Sonnenschein konnten wir die nächsten Tage das Radfahren im Chilenischen Seenland genießen. Wann immer es ging verließen wir auf der Fahrt gen Norden den breiten Seitenstreifen der berühmten Panamericana, die im Süden Chiles komplett als Autobahn ausgebaut ist. Auf meist schönen Asphaltstraßen umfuhren wir glitzernde Badeseen am Fuße eisgekrönter Vulkane, die aus dichten Wäldern aufragen. Dazwischen feuchtkühle, sattgrüne Blumenwiesen auf denen Rinder und Schafe weiden. Immer wieder boten sich uns prächtige Ausblicke auf die faszinierende Gebirgslandschaft. Die Umrundung des gewaltigen Llanquihue-Sees mit Blick auf den Vulkan Osorno war der absolute Höhepunkt dieses Abschnitts. Am Fuße des schneebedeckten Kegels bauten wir unser Zelt mit Blick auf den glasklaren dunklen See auf und genossen das einmalige Panorama.

Seitdem wir in Santiago sind haben wir wieder herrliches Spätsommerwetter. Hoffentlich bleibt das auch so auf der östlichen Seite der Anden, wenn wir in Argentinien weiter gen Norden radeln.

Auf der Homepage ist dieser Eintrag vorläufig erst einmal der letzte. Wir nehmen uns für unbestimmte Zeit eine Auszeit – nicht vom Reisen, aber vom Schreiben. So bleibt uns vorerst nur allen zu danken, die uns im letzten Jahr begleitet haben. Danke fürs Lesen und Mitreisen, für die Unterstützung des Kinderprojektes in Rumänien, für das Interesse. Wir wünschen allen einen wunderbaren Frühlingsanfang, wo immer Ihr gerade in der Welt seid.

Galerie Santiago de Chile

Galerie chilenisches Seenland und Esquel (Argentinien)

 

Die Welt ist freundlich

Gesichter

Als wir in Berlin verkündeten, dass wir für 2 Jahre mit dem Rad um die Welt fahren wollen, gab es Zuspruch und Ermutigung aber auch Unverständnis und Bedenken. Viele Fragen bezogen sich auf Verständigungsprobleme, gesundheitliche Risiken, mögliche Krankheiten, unsere Sicherheit und die Gefahren in fremden Ländern.

Seit 1 Jahr sind wir nun unterwegs. Fast 12.000 km haben wir im Sattel verbracht. Erst in Europa und Asien und nun auf dem amerikanischen Kontinent. In diesen 365 Tagen haben wir uns nicht nur körperlich von „A nach B“ bewegt. Auch in uns hat sich vieles in Bewegung gesetzt. Wir sind durchlässiger, nachdenklicher, offener geworden. Zeit, ein paar persönliche Worte zu unseren Erfahrungen zu schreiben, zur Welt, wie wir sie sehen und erleben dürfen.

In allen bisher bereisten Ländern wurden wir respektvoll behandelt, erfuhren wir Vertrauen und Gastfreundschaft, wenn wir sie annehmen konnten und Hilfe, wenn wir sie benötigten. In Ungarn arrangierten Tünde und Jozsef für mich einen Termin beim Orthopäden des örtlichen Krankenhauses. Völlig unentgeltlich wurde ich dann untersucht. In der Türkei, als wir partout keinen Platz für unser Zelt finden konnten und völlig erschöpft im Dunkeln an einer Papierfabrik klingelten, ließ man uns ohne Zögern auf dem Grundstück des Unternehmens zelten. Von den Nachtwächtern bekamen wir Obst und Getränke gebracht. Im Iran beschenkten uns Eslam und seine Familie mit großer Herzlichkeit und Wärme, nahmen uns auf, als wären wir schon immer ein Teil der Familie. Jafar lieh uns sein Smartphone 3 Tage lang aus ohne uns auch nur 2 Minuten zu kennen. In Turkmenistan besorgte uns Marat Tickets für die dringend benötigte Zugfahrt, an die wir ohne ihn niemals gekommen wären. Auch um 3:00 Uhr nachts half er uns noch am Bahnhof. In Thailand lud uns Bae von der Straße weg zu sich nach Hause ein. Gemeinsam mit der Familie kochten und aßen wir. Anschließend überließen sie uns Ihr Haus, wünschten uns eine Gute Nacht und fuhren davon. In Kambodscha räumten die Mönchsnovizen des Wat „Svay Teab“ ihren Schlafraum für uns und kauften uns auf dem Markt Essen.

Das sind nur einige, wenige Erlebnisse. Nicht zu vergessen die vielen kleinen, fast alltäglichen Hilfen und Geschenke. Wenn wir nach dem Weg fragen, nehmen sich die Menschen Zeit. Man übersetzt für uns, transportiert uns kostenlos im Auto, schenkt uns Essen und Getränke, Benzin, Glücksbringer, ein freundliches „Salaam!“, „Strastje!“, „Sabaidee!“, ein Lächeln, eine Geste.

Überall sind uns Menschen mit Neugier und Offenheit begegnet, haben uns zu sich nach Hause, zum Essen, zum Gespräch, zum Austausch von Gedanken und Erfahrungen eingeladen. Und dabei haben sie uns ein Stück ihrer Welt, ihrer Realität, ihres Reichtums gezeigt. Auch wenn wir nicht alles, was wir hören und sehen, verstehen oder mit unseren Werten und Überzeugungen teilen können, so konnten wir doch oft Freundschaft mit fremden Gedanken schließen. Dabei sind wir uns selbst, unserem Eigenen näher gekommen, weil wir durch die persönlichen Begegnungen begonnen haben, über das Fremde anders zu denken.

Natürlich gab es auch mal negative Erfahrungen, eine unangenehme Begegnung. Doch gibt es die nicht auch zu Hause? Viel betroffener als manch’ unfreundlicher Zeitgenosse oder überzogener Preis haben uns die Armut, die Ungleichverteilung der Lebenschancen und die Art und Weise gemacht, mit der wir – die Menschheit – die Erde behandeln.

Fast alle Naturschönheiten, die wir bestaunten, sind in Gefahr. Nur noch auf den ersten Blick sieht vieles intakt und unberührt aus. Was davon wird in 20, 30 Jahren noch erhalten geblieben sein? Was unwiederbringlich verloren?

Der Homo sapiens war und ist intelligent genug, eigene Kulturen und den Planeten zu zerstören. Also muss es doch auch Wege geben, die Erde zu erhalten? Den einen Masterplan, die Lösung wird es nicht geben. Aber klar ist, wenn die Welt von morgen noch halbwegs so lebenswert sein soll wie die von heute, wird nicht alles so bleiben können, wie es ist. Ein Umdenken im Großen wie im Kleinen und ein Verzicht auf eigene Vorteile muss eintreten.

Am Ende mündet unser Dreck in dasselbe Meer, verbrennen wir gemeinsam die verbliebenen Energieressourcen, atmen wir dieselbe Luft. Alles was passiert ist global.

Wenn viele Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.
(Afrikanisches Sprichwort)

Ein Stück vom Himmel (Herbert Grönemeyer)

Auf der windumtosten Ruta 40

Esquel / Argentinien argentina
354. Reisetag
11.210 km, 69.662 hm

P1010858Unter mehreren Schichten Klamotten geschützt aber klammen Fingern und eiskalten Füßen erreichen wir auf gut 1.000 m den bisher höchsten Punkt unseres ersten Streckenabschnitts auf dem südamerikanischen Kontinent. Zwischen den dichten Wolkenformationen blitzt nur ganz selten die Sonne auf. Die Lufttemperatur beträgt 8 °C, gefühlt haben wir aber schon Frost. Was für ein Unterschied zu den letzten Tagen in Malaysia als das Thermometer noch 40°C und mehr anzeigte!

Wir sind in Nordpatagonien unterwegs, auf einer der längsten Fernstraßen der Welt – der Ruta Nacional 40 und fahren mitten hinein in den südamerikanischen Herbst. 5.224 km ist die Piste lang und verbindet den gesamten Westen Argentiniens von Süden nach Norden.

Laut GPS folgt nach dem letzten Anstieg des Tages eine 10 km lange Abfahrt – theoretisch wenigstens. Aber natürlich gibt es wieder Gegenwind. Alles andere hätte uns auch verwundert. Und so treten wir kräftig in unsere Pedalen, um mal wieder mit 20 km/h durch die Landschaft zu rollen. Jeder Kilometer hier will erarbeitet werden. Der charakteristische immerwährende Wind Patagoniens macht das Vorwärtskommen nicht gerade leicht. Viele Bäume sind stumme Zeugen seiner unglaublichen Kraft. Dazwischen weite, endlose grau-gelbe Steppenlandschaft mit niedrigem Buschwerk dazu viel Wind und immer wieder mal Regen.

Ganz anders noch das Wetter 3 Tage zuvor in San Carlos de Bariloche. Die Stadt am Fuße der Anden empfängt uns mit Sonne. Da in den Überlandbussen kein Stauraum für unsere Räder war, mussten wir noch einmal tiefer in die Tasche greifen und uns erneut in den Flieger setzen, um hierher zu gelangen.

Der Tourismus tobt sich im Städtchen Sommer’s wie Winter’s so richtig aus. Seit einigen Jahren haben Touristen die immense Schönheit der Umgebung rund um den See Nahuel Huapi für sich entdeckt und so klettern die Übernachtungspreise für argentinische Verhältnisse in astronomische Höhen. Für 43 € pro Nacht bekommen wir ein schlichtes, kleines Zimmer (inkl. Frühstück) in einer freundlichen Hosteria. Wer mehr will muss weitaus tiefer in die Tasche greifen – und es ist Nebensaison …. Trotz der gepfefferten Übernachtungskosten bleiben wir einen Tag länger als geplant, um uns ein Stück des reizvolles Fleckchens anzusehen. Wir wandern auf den Gipfel des Cerro Campanario (1.022 m). Laut National Geographic “One of the best 10 viewpoint on earth.” Ob das stimmt? Egal. In jedem Fall ist die Aussicht von oben beeindruckend und wir haben dazu noch fantastisches Wetter. Bei klarer Sicht und 25 °C in der Sonne genießen wir die Bilderbuchlandschaft und das 360°-Bergpanorama. Auf der Wasseroberfläche des Nahuel Huapi spiegeln sich die schneebedeckten Andengipfel der Umgebung. Die Arme des dunkelblauen Sees erstrecken sich wie Fjorde in das grüne Bergland.

Die Fahrt aus Bariloche heraus am nächsten Tag ist dagegen kein Vergnügen und ein echter Kraftakt. Es hat sich merklich abgekühlt. „Mörder“-Rampen von bis zu 18 % in der Stadt zwingen uns dazu unsere Räder auf den ersten 2 Radkilometern in Südamerika zu schieben. Kaum haben wir die Stadt hinter uns gelassen empfängt uns der frische Südwestwind und wird zu unserem stetigen Begleiter in den nächsten Tagen. Wir folgen dem asphaltierten und gut ausgebauten Streckenabschnitt der Ruta 40 nach Süden. Entlang mehrerer Seen schlängelt sich die Straße zunächst durch satte grüne Landschaft mit dichtem Nadelwald. Immer wieder bieten sich uns schöne Blicke auf das Piltriquitron-Massiv und die schneebedeckte Bergkette der Anden. Der stetige Wind zaubert beeindruckende Wolkenformationen an den patagonischen Himmel. Greifvögel nutzen die Thermik und spielen scheinbar mühelos mit den Kräften.

Über mehrere langgezogene Anstiege mit kurzen Abfahrten gelangen wir schließlich auf eine 60 km lange, 700 – 900 m hohe, Hochebene. Die ersten Anstiege nach 3 Wochen Radpause sind mit vollem Gepäck und einigen Kilogramm Lebensmitteln ein harter Brocken. Im kleinsten Gang arbeiten wir uns bei Gegenwind und in Regenkleidung Stück für Stück hinauf. Entlang der Ruta 40 wächst jetzt fast nur noch gelb-grünes, trockenes, steppenartiges Buschwerk. Obwohl der graue, steinige Boden nicht viel hergibt und keine Menschenseele zu sehen ist, scheint das Land bewirtschaftet zu werden. Kilometerlang ist die Fläche links und rechts der Fernstraße mit Stacheldraht eingezäunt. So müssen wir direkt an der Straße und einmal unter einer Brücke zelten. Zum Glück ist der Verkehr in dieser abgelegenen Region Argentiniens in der Nacht recht gering, so dass wir gut schlafen können. Außerdem gibt es direkten „Wasseranschluss“ dank eines kleinen Flusses. Bei 10°C und Wind kostet das eiskalte Bad zwar einige Überwindung, aber frischgeduscht ist’s halt doch schöner in den Schlafsäcken. Wieder auf der Piste strecken uns viele entgegenkommende Fahrer den Daumen hoch oder grüßen uns mit der Lichthupe. Das tut gut.

Immer wieder kommen wir auf der Ruta 40 an Schreinen zu Ehren der Difunta Correa vorbei. Sie Correa ist eine berühmte Schutzheilige in Argentinien. Der Legende nach bekam die Difunta Corea ihren “Heiligenstatus”, weil sie auf der Suche nach ihrem verschleppten Mann in der Wüste verdurstete während ihr Säugling wie durch ein Wunder dank der Muttermilch überlebte. Vor allem LKW-Fahrer verehren sie, da sie die Schutzheilige der Reisenden darstellt.

Nach anstrengenden, eindrucksvollen 5 Tagen erreichen wir Esquel. Das 30.000 Einwohner-Städtchen im gleichnamigen Tal liegt am Fuße des Berges La Hoya. Gleich am Ortseingang finden wir eine bezahlbare und sehr schöne Cabana aus Naturmaterialien mit eigener Küche und separatem Schlafzimmer. Hier erholen wir uns noch 1 Tag bevor es über den ersten Pass auf die chilenische Seite der Anden geht.

Buenos dias aus Buenos Aires!

Buenos Aires / Argentinien argentina
344. Reisetag
10.910 km, 66.910 hm

IMGP7063Gut 1 Woche nach unserer Ankunft in Buenos Aires hat sich der Jetlag so langsam gelegt und wir sind nicht nur körperlich sondern auch mental in der Stadt am Rio de la Plata angekommen. Der Zeitsprung in die Neue Welt war anstrengender als erhofft, das Prozedere vor dem Flug leider auch wieder …

Und so sind wir froh, dass wir bei Cristina, unserer herzlichen, nimmermüden Gastgeberin, länger als geplant bleiben können. Cristina ist weit über 70 Jahre alt aber ein wahrer Jungbrunnen. Voller Tatendrang geht sie jeden Morgen ins Institut für Mikrobiologie und lehrt als Professorin an der Universität von Buenos Aires. Gleich am Ankunftstag versorgt Cristina uns mit frischer Milanesa, einer schnitzelartigen panierten Scheibe Rindfleisch, dazu gibt es Tomate und Zwiebeln. Marcello und Lila, ihre beiden Hunde lecken uns zur Begrüßung ab und auch wir haben die beiden schnell in unser Herz geschlossen.

Buenos Aires ist eine Stadt mit vielen Gesichtern – eine Mischung aus Paris, Rom und Barcelona. Hübsch und hässlich, bunt und grau, mit hektischem Großstadtgetöse und kleinen Oasen, einem riesigen kulturellen Angebot aber auch etwas melancholisch. Vor prächtigen Fassaden durchwühlen Arbeitslose den Müll, an den Eingängen von Banken schlafen Obdachlose und manchmal ganze Familien. Schöne, alte Gebäude aus der Gründerzeit, von denen die Pracht langsam abblättert und die Bandoneonspieler auf den Straßen erzählen von besseren, von vergangenen Zeiten….

Der ungeliebte Peso befindet sich derzeit im freien Fall und die grassierende Inflation (bis zu 30 % jährlich!) machen den harten Alltag vieler Menschen nicht leichter. Auch Cristina und ihre Familie müssen sehen, wie sie „über die Runden kommen“. Kostet das Kilo Bananen heute noch 1,50 €, sind es am nächsten Tag schon 2 €. Es ist nicht die erste Krise, die die Argentinier zu bestehen haben …

Die kulturellen Wurzeln in Europa sind überall sichtbar. Viele Hauptstädter stammen von eingewanderten Spaniern und vor allem Italienern ab. Kein Wunder, dass es an jeder Ecke mindestens eine Pizzeria gibt und überall „Heladerias“, (teures) italienisches Eis, verkauft wird. Bei 4 € für 250 ml fragen wir uns wie sich das die Menschen noch leisten können… In den ärmeren Stadtteilen und in den Villas Miserias (Elendsvierteln) der Stadt leben viele Bolivianer und Peruaner, die in Argentiniens Metropole ihr Glück versuchen. Viele von ihnen verdingen sich als sog. Cartoneros – Kartonsammler. Jeden Tag ziehen sie mit gesenktem Blick hinter hochaufgetürmten Karren durch die Straßen, um sich mit dem Einsammeln von Altpapier ein paar Pesos zu verdienen. Für 1 Kilo Abfall gibt es 5 Centavos – das sind ein halber Cent!! Von dieser Arbeit leben mehr als 100.000 Menschen in der Stadt! Um tagtäglich zu überleben, gilt es, schneller als die Müllabfuhr zu sein …

Trotz dieser bedrückenden Armut, der alltäglichen Sorgen und unsicheren Zukunft ist die lateinamerikanische Lebensfreude für uns spürbar. Bunte Wandmalereien überdecken bröckelnde graue Fassaden und mit großem Ideenreichtum kreieren junge, kreative Menschen aus Weggeworfenem Schmuck und andere Alltagsgegenstände. Auf offener Straße und in der U-Bahn wird musiziert und getanzt. Aus den Cafés und Bars der Stadt erklingt Tangomusik – Lebenselixier der Portenos.

In La Boca soll er entstanden sein. Das teilweise aufgehübschte arme Hafenviertel gefällt uns mit seinen originellen, farbigen Häusern aus Blech und schockiert uns mit seiner Armut und Kriminalität. Abseits der touristischen Hot Spots werden wir mehrmals von Anwohnern gewarnt auf unsere Kameras besonders Acht zu geben. Den Zutritt zur Calle Nechoea verbietet uns schließlich die Polizei …. so etwas hatten wir auf unserer bisherigen Reise noch nicht erlebt. Im Museo de Bellas Artes de La Boca lassen wir die Bilder von Benito Quinquela Martin (1890 – 1977) auf uns wirken. In kraftvollen Farben erzählen sie vom Leben der Menschen im Viertel, das heute wie vor 100 Jahren hart und trist ist. Über dem Stadtteil trohnt das Stadion des legendären Fußballclubs Boca Juniors. „La Bombonera“, die Pralinenschachtel, wie die Fans liebevoll ihre Spielstätte nennen, ist jedes 2. Wochenende Bühne kleiner und großer Dramen, Ort von Glück und Verzweiflung, von Hoffen und Bangen zugleich. Und wer verkörpert dieses Auf und Ab besser als Maradona. Der berühmteste Spieler Boca Juniors ziert noch immer überlebensgroß zahlreiche Wände in den Straßen Bocas und erzählt vom großen Traum, es von ganz Unten nach ganz Oben zu schaffen …

Ganz anders dagegen San Telmo, das „Kreuzberg“ von Buenos Aires. Das Viertel ist bei Künstlern und Intellektuellen beliebt. In den Gassen und Straßen herrscht ein junges, buntes Flair. Kunst- und Klamottenläden wechseln sich mit Bars und Galerien ab. Wir genießen den Streifzug durch San Telmo und lauschen der Tangomusik vor den Cafés. Rund um den Plaza Dorrego findet ein riesiger Antiquitätenmarkt statt, der sich durch den ganzen Stadtteil zieht. Nach 2 Stunden im Gedränge des Feria de San Pedro Telmo sind unsere Füße platt und wir stärken uns mit unseren ersten Empanadas, einem spanischen „Erbe“. Die halbmondförmigen Teigtaschen gibt es mit Huhn, Rindfleisch, Thunfisch, Käse und Spinat gefüllt.

Dank der guten Kontakte von Ines, Cristinas Tochter, können wir Karten für den Klassiker „Racing Club – Boca Juniors“ ergattern und kommen sogar umsonst ins Stadion. Es geht um viel. Beide Clubs spielen gegen den Abstieg. Für Racing seit Jahren Die Atmosphäre im „El Cilindro“ ist elektrisierend. Schon 1 Stunde vor Spielbeginn beginnen die Fangesänge. Sambatrommeln heizen an diesem nasskalten Abend dem Publikum zusätzlich ein. Auf dem Feld brennt Racing in der 1. Halbzeit dagegen kein Feuerwerk ab. Boca geht verdient 1:0 in Führung. Beim Pausenpfiff schimpfen und toben die Fans …. und peitschen die Mannschaft in der 2. Hälfte nach vorne. Dank eines Foulelfmeters gelingt Racing der Ausgleich. Auf den Rängen bricht ein Sturm los. Tausendfach erschallt der Ruf „Vamos Racing!“. Doch 10 Minuten vor Ende gelingt Boca der 2:1 Siegtreffer … Dennoch ein schöner, ein unvergesslicher Abend in einer lebendigen, liebenswerten Stadt.

Letzte Stunden in Südostasien

Kuala Lumpur / Malaysia malaysia
332. Reisetag
10.910 km, 66.910 hm

Skyline von KL mit den Twin TowersDie letzten Radtage in Malaysia waren kein echtes Vergnügen. Heiß, heißer, am heißesten! Bei über 50 °C in der Sonne rinnen Schweiß und Sonnencreme nur so an uns runter. Der Durst lässt sich kaum stillen und wir schütten jede Menge Wasser in uns rein. Zum Glück gibt es in vielen Orten Wasserautomaten. Für 10 – 20 Sen bekommt man 1 L Wasser. In den Supermärkten zahlen wir dafür locker das 15fache! Landschaftlich bietet die Strecke im Westen des Landes kaum Reize. Und so spulen wir trotz der Hitze meist 100 km und mehr am Tag ab.

Je näher wir Kuala Lumpur kommen, desto dichter wird der Verkehr. Richtung City schlängeln sich schier endlose Fahrzeugkolonnen über die vier- und sechsspurigen Highways und tragen zur Verschlechterung der ohnehin stark belasteten, stickig-schwülen Luft bei … und wir mitten drin in Gewühl und Gestank. Dank Navi behalten wir in dem verwirrenden Schnellstraßensystem und den verwinkelten Gassen aber halbwegs den Überblick.

Kuala Lumpur ist eine gigantische, hektische Stadt – eine merkwürdige Mischung aus alt und neu. Hoch, höher, am höchsten lautet hier das Motto. Riesige Bauten aus Beton, Glas und Marmor stehen neben alten, zweistöckigen chinesischen Geschäftshäusern und Resten alter Straßenzüge. Viel ist vom alten Geschäftsviertel aber nicht mehr übrig geblieben. Moderne Banken- und Bürohäuser und glitzernde, vollklimatisierte Shopping-Komplexe dominieren das Zentrum. Hier wird Geld verdient und Geld ausgegeben. Und die Stadt wächst weiter in die Höhe. An vielen Stellen werden neue Betonbauten in den Himmel gezogen, graben sich Bohrer und Bagger ohrenbetäubend in das Erdreich. Mit Einbruch der Dunkelheit erwacht das Nachtleben in den Häuserschluchten. Die verhaltene, strenge islamische Art des Tages scheint nur noch Fassade zu sein. Discos, Kneipen, Clubs, Puffs, Alkohol und andere Drogen locken ihr Publikum an.

Die moderne Architektur KL’s ist zum Teil sehr reizvoll und keineswegs monoton wie noch in Bangkok. Zwischen den Hochhauskomplexen tun sich vereinzelt grüne Oasen auf. Doch wir haben kaum noch Zeit und Muße, das faszinierende Zusammenspiel aus Glas, Beton und Edelstahl zu betrachten und uns auf die Stadt einzulassen. Zu viel ist für die Reise über den „großen Teich“ zu tun, zu oft müssen wir die Unterkunft wechseln (3 x) und zu sehr sind wir in Gedanken schon auf dem Weg nach Buenos Aires.

Bei David dürfen wir einen Tag noch einmal für ein paar Stunden das „süße Leben“ genießen. Für 1 Nacht kommen wir in einem Himmelbett in seinem Luxusappartment unter und können den hauseigenen Swimmingpool mit allen Annehmlichkeiten nutzen. Währenddessen stehen unsere Räder streng bewacht wie „Fort Knox“ beim Portier. Zahlreiche Sicherheitsmitarbeiter streifen durch die Anlage und salutieren militärisch korrekt vor uns. Schon etwas befremdlich ….

Am Abend blicken wir vom 10. Stockwerk aus direkt auf die faszinierenden Twin-Towers. Wie für die Ewigkeit geschaffen, ragen die Türme 452 m in den Himmel. Jetzt wissen wir warum Wolkenkratzer auch Wolkenkratzer heißen :-)

Rund um die einst größten Gebäude der Welt gruppieren sich 21 weitere Hochhauskomplexe. Gebannt schauen wir von unserem Fenster aus auf die nächtliche Glitzerwelt. Fast scheint es uns als wären wir in der Zukunft gelandet…

Doch unser Ziel heißt Südamerika. Noch 9  Stunden dann geht’s in die Neue Welt. Irgendwie genauso unwirklich wie diese Stadt des 21. Jahrhunderts. Vorher heißt es noch zum 65 km entfernten Kuala Lumpur International Airport zu kommen und unsere Räder „flugtauglich“ in Kartons zu verpacken. Gut 30 Stunden wird der Flug dauern. Viel Zeit um unsere Zeit in Eurasien Revue passieren zu lassen und von der Neuen Welt zu träumen.

Also dann: !Hasta pronto“!

Malaysischer Multikulturalismus

George Town / Malaysia malaysia
321. Reisetag
10.477 km, 65.454 hm

 

P1000721Nach fast 3 Stunden Sucherei haben wir doch noch ein erschwingliches Hotel in George Towns Altstadt gefunden. Wir sind im Pin Seng in der Love Lane untergekommen. Ein typisches Chinesenhotel, wie es viele in der Altstadt gibt. Das Gebäude ist über 100 Jahre alt, zum großen Teil aus Holz, ein bischen wie aus der Zeit gefallen. Die Zimmereinrichtung ist spartanisch und hat ihre beste Zeit schon lange hinter sich. Aber irgendwie hat das in die Jahre gekommene Interieur schon wieder was für sich.

Dösend liege ich auf meinem Bett. Durch die Lammellenfenster scheint das gleißende Licht der Mittagssonne. Die Hitze schlaucht uns. Draußen sind es jetzt unerträgliche 46°C in der Sonne. Im Zimmer „nur“ 33°C. Der Ventilator läuft auf Stufe 5 und verschafft etwas Abkühlung. Unablässig surrend dreht er seine Runden. Während sich mein Blick an die Decke heftet ziehen noch einmal die vergangenen Tage an mir vorüber ….

Der Grenzübertritt nach Malaysia ist völlig unproblematisch. Ein Stempel in jeden unserer Pässe und schon können wir ohne Visum 3 Monate im Land bleiben.

Das erste was uns auffällt: Malaysias Straßen sind wesentlich voller. Vor allem sind viel mehr Pkw’s unterwegs. Bei Rot wird an den Lichtzeichenanlagen wieder gehalten… und die Ampelphasen dauern oft unerträglich lange. In jede Himmelsrichtung geht es mit eigener Grünphase. Wenn wir Pech haben stehen wir 3 Minuten schweißtriefend im Motorengestank. Befahrbare Randstreifen wie in Thailand gibt es leider nur noch selten. So kommt uns der ohrenbetäubende Verkehr oft sehr nahe. Nicht immer ganz angenehm und ungefährlich.

Landschaftlich ist der Abschnitt bis George Town wenig reizvoll. Abgeerntete Reisfelder und (Öl-) Palmenplantagen prägen die Westküste Nordmalaysias. Dafür hat sich das Straßenbild abrupt geändert. Statt Mönchen in ihren orangenen Gewändern begegnen uns nun wieder Frauen mit Kopftüchern und Männer in Sampings (rockähnlicher Stoff) und Songkoks (traditionelle malaiische Mütze). Täglich erschallt mehrmals der Ruf des Muezzin und auf den vielen Sportplätzen im Land spielen malaiische Mädchen Basketball oder üben sich im Bogenschießen.

Von Butterworth setzen wir mit der Fähre nach George Town über. Beim Blick vom Festland auf die Insel dominieren Wolkenkratzer die Skyline. Doch zum Glück ist die Altstadt mit ihren alten Kolonialhäusern erhalten geblieben. In den Straßen und Gassen herrscht ein geschäftiges Treiben. Die verschiedenen Weltreligionen, Traditionen und Kulturen fügen sich hier auf engstem Raum zu einem bunten, spannenden Mix zusammen. Sofort verzaubert uns diese einzigartige Atmosphäre. In der Luft mischt sich der Duft von Currys und Räucherstäbchen. Von Waren überquellende Läden verkaufen indische Musik und Filme, bunte Sarongs, Gold- und Blumenschmuck, muslimische Gebetsketten, Haushaltswaren, Obst und Gemüse, chinesische Süßigkeiten…

Moslems, Hindus, Buddhisten und Christen arbeiten und beten Tür an Tür. Seit der britischen Kolonialzeit leben die verschiedenen Bevölkerungsgruppen miteinander und haben über viele Generationen eine große Toleranz füreinander aufgebaut. Zwischen alten Kolonialhäusern ruft abends der Muezzin zum Gebet während auf der anderen Straßenseite Chinesen auf Tempelvorplätzen Räucherstäbchen anzünden und Wahrsagerstäbchen schütteln. Und nur wenige Schritte entfernt werden gegen Geldspenden von Priestern an Shiva-Schreinen indische Feuerzeremonien durchgeführt. In den Straßen der Stadt lebt noch die exotische Welt des fernen Ostens.

Kulinarisch sind die Spaziergänge durch die George Town eine einzige Entdeckungsreise. Das Essen ist vor allem ein Mix aus chinesischer, indischer und malaiischer Küche. Es wird gekocht und gebrutzelt, was das Herz begehrt. Die Straßen sind voll von unzähligen Straßenküchen und Ständen, an denen frisch zubereitetes Essen angeboten wird. Die sog. Hawker-Center, überdachte Hallen oder Plätze, sind voll mit essenden Menschen, die um große Tische sitzen und sich die Speisen an den umliegenden Küchen abholen. George Town scheint den ganzen Tag über dem Essen zu frönen.

Wir laben uns an indischen Murtabaks, Currys, frischen Dosais und knusprig-fluffigen Rotis , schlürfen leckere säuerlich-scharfe Penang Laksa (weiße Nudelsuppe mit Fischsauce, Nyonya-Küche), beglücken uns mit Dim Sum (kleine Gerichte die gedämpft oder frittiert sind, Hainan-Küche) und kühlen unsere Gaumen mit einem Cendol (grüne, geleeartige Reisnudeln mit Kokosmilch, Palmzucker, roten Bohnen und gecrushtem Eis, malaisches Dessert). Und das alles für kleines Geld. Die (Futter)Welt kann so schön sein!

Nach so viel Schlemmerei und Kalorien wird es Zeit, dass wir wieder auf die Räder steigen und die letzten 400 km bis Kuala Lumpur unter die Räder nehmen.

10.000 km „On the Road“

Sadao / Thailand thailand
314. Reisetag
10.280 km, 65.108 hm

P1140093In Krabi nutzen wir ein letztes Mal die Chance und baden im azurblauen Meer an der Andamanenküste. Zwischen den eindrucksvollen Kalksteinklippen von Railay tummeln wir uns mit jeder Menge anderer Touris am Weststrand und genießen noch einmal den Blick auf’s Meer.

Dann geht es in den äußersten Zipfel Südthailands. Hierher „verirren“ sich nur ganz wenige Touristen und so fallen wir mit unseren Rädern noch viel mehr auf als ohnehin schon. Immer wieder rufen uns die Thais „Hello, hello!“ zu. Freundlich winkt man uns zu. Die Provinzen durch die wir fahren wirken ärmer als im Rest des Landes. Immer wieder kommt es in diesem Teil Thailands zu politischen Unruhen und Anschlägen. Uns fallen vor allem die erhöhte Militär- und Polizeipräsenz und Fahrzeugkontrollen an den Shoppingmals auf. Die Regierungsgegner habe hier ihre Hochburgen.

Auf der hügeligen Nationalstraße 4 zwischen Trang und Hat Yai „machen wir Strecke“ (in 3 Tagen 350 km) und atmen reichlich Rußpartikel. Jeden Tag brausen unaufhörlich Trucks und Pick Ups an uns vorbei und produzieren jede Menge Abgase und ohrenbetäubenden Lärm. Und auf einem der zahllosen Hügel ist es dann soweit – der 10.000 Kilometer ist gefahren. Ein besonderer Moment. Hätte uns jemand in Ungarn oder Bulgarien gesagt, dass wir angesichts meiner Knieprobleme so weit fahren würden, wir hätten es wohl nicht geglaubt.

Kurz vor Phatthalung mischen sich plötzlich ganz andere Klänge in die unablässigen Motorengeräusche. Von irgendwo dringt ungewöhnliche Musik an unsere Ohren. Wir folgen den Klängen und landen mitten in einer thailändischen Familienfeier. Man lädt uns sofort ein Platz zu nehmen und dem Schauspiel aus Tanz und Musik beizuwohnen.

Auf der Bühne wird Lakhon aufgeführt – ein uraltes Tanzdrama Thailands. 7 Männer auf der Bühne tanzen mit synchronen Bewegungen choreographierte Muster. Auf dem Kopf tragen sie einen hohen, goldenen Kopfputz, der mit farbigem Mosaik besetzt ist. Die Tänzer sind alle barfuß. Silberne Armreife zieren ihre Arme. Die bunten Sarong-ähnlichen Röcke werden von Metall-Gürteln mit kunstvoll verzierten Schnallen gehalten. Kleine, kaum merkliche Schritte und anmutige Armbewegungen fließen von einer Pose zur nächsten. Lange Metallfingernägel unterstreichen die graziösen Bewegungen. Um dieses komplexe Tanz-Alphabet so leicht zu präsentieren bedarf es jahrelangen Trainings. Begleitet wird ihr Tanz von einem Pi Phat, einem Musikensemble mit Perkussioninstrumenten. In den Tanzpausen werden wohl derbe Witze gemacht. Das Publikum lacht jedenfalls herzhaft. Wir verstehen natürlich kein Wort. Aber das macht nichts. Bei Melonen und eisgekühltem Wasser genießen wir die Aufführung und die Gastfreundschaft der Thais. Und wieder einmal sind wir froh uns auf Neues, Unbekanntes eingelassen und so einen kleinen Einblick in eine uns noch immer fremde Kultur erhalten zu haben.

Heute geht es über die Grenze nach Malaysia und damit vom Buddhismus zurück in den Islam, der im Land Staatsreligion ist. Der Wahlspruch des 28 Millionen-Einwohner zählenden Staates „Bersekutu Bertambah Mutu“ („Einheit ist Stärke“) könnte auch unser Wahlspruch für die nächsten 10.000 km sein. Auf geht’s.

Zurück auf der Straße

Ao Luk / Thailand thailand
307. Reisetag
9.875 km, 63.045 hm

IMGP5533 Nach 2 erholsamen Strandwochen in Bang Saphan Yai an Thailands einsamer Ostküste, jeder Menge Badespaß, weichem Sand zwischen den Zehen und vielen Lesestunden schwingen wir uns mit einer „Schatzkiste“ voller Muscheln im Gepäck wieder auf unsere Räder.

Vom Thailändischen Essen haben wir auch nach 2 Monaten im Land noch nicht genug. Egal ob Pad Thai, Fried Rice oder die bunten feurig-scharfen Currys, auch beim 20. Mal schmeckt es uns. Dazu gibt es auch immer kostenlos eisgekühltes Wasser, so dass für 2 – 4 € Durst und Hunger eine Weile gestillt sind.

Bei der Schärfe haben wir langsam den “Dreh raus“. Es gibt „no spicy“, „little spicy“, „spicy“, „very spicy“ und „No!“. Mit durchschnittlichem, europäischen Schmerzempfinden sollte man sicherheitshalber immer eine „Spicy“-Stufe niedriger bestellen als gedacht. Die Thais vertragen einiges an Schärfe. Wir sind immer wieder erstaunt wie viele Löffel Chili in eine Suppe wandern können, ohne dass man bei deren Genuss anschließend einen sofortigen Herzstillstand erleidet (sofern man Thai ist). Wer es also „spicy“ will bestellt besser „little spicy“ usw.

Ach ja, „No!“ heißt übrigens so viel wie „Versuch es erst gar nicht, sonst müssen wir Dich direkt an der Garküche reanimieren.“

Am ersten Tag im Sattel spüren wir die Radpause noch deutlich. Hintern und Beine wollen erst wieder an das lange Sitzen und Treten gewöhnt werden. Leider stellt auch der böige Nordostwind genau am Abreisetag seinen „Betrieb“ ein, so dass wir ohne Rückenwind in die Gänge kommen müssen.

Nach 70 km entdecken wir auf der Suche nach einer Unterkunft ein verlassenes Ressort in einer Traum-Bucht. Die Anlage wird wohl schon ein paar Jahre nicht mehr betrieben, im Pool haben sich Algen breit gemacht. Außer uns sind nur ein paar Kokosnusspflücker am Strand. Während sie die reifen Früchte ernten nehmen wir ein erfrischendes Bad im kristallklaren, blauen Meer und bauen anschließend unser Zelt auf. 2 ausrangierte Stühle sind auch schnell gefunden und so genießen wir ganz allein und kostenlos Meeresrauschen und Postkartenansicht. Während wir unsere letzten Bananen und eine Ananas verdrücken legt sich sanft die Dämmerung über die Kokospalmen. Welch’ ein glücklicher Abend.

In den nächsten Tagen geht es von der Ost- an die Westküste. Die Etappen sind nun doppelt so lang und das Fahren wird deutlich anstrengender und anspruchsvoller. Immerhin sind wir noch in den südlichsten Ausläufern des Himalay unterwegs. Zahlreiche kleine Anstiege lassen uns kräftig ins Schwitzen kommen. Das Thermometer zeigt Mittags 40° – 42°C (in der Sonne). Am Ende des Tages stehen regelmäßig 600, 700 Höhenmeter auf dem Tacho und wir wissen was wir getan haben. Doch das Radeln durch Thailands südöstliche Golfregion und entlang der Andamanenküste macht Freude. Der Asphalt ist meist gut, der Verkehr gering, fast immer gibt es einen Seitenstreifen und die Straße windet sich durch abwechslungsreiche hügelige Landschaften.

Im Wasana Resort an der Andamanenküste verbringen wir 2 entspannte Ruhetage. Die farbenfrohe Bungalowanlage liegt direkt am Eingang zum Laem Son National Park. Aufgrund der Unruhen im Land ist der Park allerdings geschlossen. Wir umgehen die Sperre jedoch auf einem Schleichweg an der Küste und haben den traumhaften, 3 km langen weißen Hat Bang Ben Strand ganz für uns.

Durch Mangrovensümpfe und muslimisch geprägte Ortschaften geht es zurück auf die Nationalstraße Nr. 4 und weiter Richtung Süden zum Khao Sok National Park. Die Region um den Khao Sok ist der feuchteste Ort in ganz Thailand und der Regenwald mit 160 Millionen Jahren der älteste der Welt. Wir können jedoch trockenen Fußes durch den dichten Urwald wandern. Auf schmalen, teilweise anspruchsvollen Kletterpfaden geht es über Stock, Stein und durch Flussbetten. Das Gelände ist eines der letzten intakten Habitate für große Säugetiere (Elefanten, Tiger, Tapire, Gibbons u.a.) und Lebensraum von über 300 Vogelarten. 2 Tage verbringen wir hier und kommen uns ein bischen vor wie in Jurassic Park.

Nach 8 Wochen im Land des Lächelns nähert sich unser Aufenthalt in Thailand so langsam dem Ende. Noch gut 350 km sind es bis zur malaysischen Grenze.